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Foto: C.F. Peters
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Eine Musik, die nie lügt, keine Uniform trägt und sich nicht anbiedert

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Zum Tod der Komponistin Ursula Mamlok
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Unvorstellbar, sie könnte nicht dabei sein. Für gewöhnlich saß Ursula Mamlok in der ersten Reihe im Kammermusiksaal der Philharmonie, bes-tens gelaunt das Defilee ihrer Musiker-Freunde empfangend. Knapp zwei Monate nach ihrem letzten Krankenhausaufenthalt saß sie hier schon wieder kerzengerade, als wäre nichts geschehen. Obwohl sie wenige Tage zuvor noch eine Beatmungshilfe gebraucht hatte und nur mühsam sprach, konnte sie dem Reiz des Erwin-Schulhoff-Projekts der „Spectrum Concerts Berlin“ wohl nicht widerstehen. Die Kammermusikgruppe um den amerikanischen Cellisten Frank Dodge hatte ihr letztes Stück „Breeze“ bei ihr in Auftrag gegeben. Sie besuchte aber nicht nur eigene Aufführungen; ausschlaggebend war ihr leidenschaftliches Interesse an der Musik und die Lust, unter Menschen zu sein.

 Vor aller Geselligkeit aber kam bei ihr die absolute Konzentration auf  ihr Werk. Den Entschluss, Komponistin zu werden, fasste schon die zehnjährige Tochter aus gebildetem jüdischem Hause. Die erste Komposition für Klavier, „Wüstenritt“, zeigt neben schöpferischer Begabung zugleich Mamloks unverwüstlichen Sinn für Humor: „‚Warte nur, bis wir in der Wüste sind‘, pflegte mein Vater zu sagen, wenn ich unartig war“, erklärte sie augenzwinkernd. Mit diesem trockenen, sehr pragmatischen Witz und einer unstillbaren Neugier, die sie immer wieder Neues lernen ließ, verfolgte sie unbeirrbar ihren Weg: Ihr erster Lehrer Gustav Ernest legte ein solides klassisches Fundament und ermutigte sie zugleich in ihren an der Tradition kratzenden Ambitionen. Die Nazi-Herrschaft machte „der glücklichsten Zeit meines Lebens“ ein Ende: 1939 reiste die Familie in quasi letzter Minute nach Ecuador aus, „ein schreckliches Land, voller Mücken, ohne Kultur und viel zu heiß.“ Sie schaffte es, zum Studium in New York zugelassen zu werden und nebenbei durch Unterrichten so viel zu verdienen, dass sie ihre Eltern ein Jahr später nachholen konnte. Sie ruhte nicht, bis sie nach George Szell, Ernst Krenek, Roger Sessions, dem schwierigen Stefan Wolpe in dessen Schüler Ralph Shapey den Lehrer gefunden hatte, der ihr neben einer dezidierten Atonalität die Handhabung einer komplexen und flexiblen Rhythmik vermittelte.

Sie war fast 40 Jahre alt, als sie ihren eigenen Stil fand. „Variations“ für Flöte allein hieß das erste Stück,  dem sie eine Zwölftonreihe zugrunde legte. „Fasslichkeit“ im Sinne Arnold Schönbergs, Frische und Direktheit wurde für sie zentral, und obwohl sie glaubte, dass sich an ihrem Stil „im wesentlichen nichts mehr geändert“ habe, wurde er im Laufe der Jahre doch immer luzider, aphoristischer, Kontraste hart gegeneinander schneidend wie im Film. „Zusammenhang muss sein“, kommentierte sie das schmunzelnd, „aber der muss nicht so deutlich sein, dass der Hörer nicht auch ein paar Nüsse zu knacken hat.“

Nach dem Tod ihres Mannes Dwight, dessen Gedichte sie im ausdrucksstarken Zyklus „Der Andreasgarten“ vertont hatte, kehrte Mamlok in ihre Geburtsstadt Berlin zurück.  Eine „Heimkehr“ war dies nicht – wie schwer sie wirklich an ihrem „Rausschmiss“ aus der Stadt und am gewaltsamen Verlust ihrer Großeltern trug, darüber sprach sie kaum. Die damals 83-Jährige, die bereits 2000 mit einem Portraitkonzert des Vereins musica reanimata ihre Werke vorstellen konnte, erlebte das rege Interesse jüngerer Musiker und Musikforscher an der „Verdrängten Musik“ und freute sich, „dass meine Musik hier mehr aufgeführt wird als in New York.“ Obwohl sie zunehmend über Einsamkeit klagte, komponierte sie unermüdlich weiter, befasste sich mit Aufführungen und Aufnahmen ihrer Werke. Besondere Freude bereitete ihr die Zusammenarbeit mit Heinz Holliger, für den sie ihr Oboenkonzert überarbeitete – laut Holliger „eine Musik, die nie lügt, keine Uniform trägt und sich nicht anbiedert.“ 93-jährig ist Ursula Mamlok Anfang Mai in Berlin gestorben. Ihr Platz in der Philharmonie bleibt nun leer, doch ihre Musik bleibt bei uns, die für sie ihre wahre Heimat war.

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