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Entdeckt Komponistinnen: Kyra Steckeweh. Foto: Ellen Schmaus
Entdeckt Komponistinnen: Kyra Steckeweh. Foto: Ellen Schmaus
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Einfach neugierig

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Die Pianistin Kyra Steckeweh
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Mit einer Frage fing alles an: „Wie kann es sein, dass Komponistinnen so unbekannt und in den Konzertprogrammen so schlecht repräsentiert sind?“ Das fragte sich die Leipziger Pianistin Kyra Steckeweh.

Eine gute und wichtige Frage, die sie bis heute beschäftigt, hatte sie doch während des Studiums ausschließlich Musik von Männern gespielt. „Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich keine einzige Komponistin im Repertoire habe.“ Ihre Neugier war geweckt. „Ich dachte, ich schaue einfach mal nach und habe dann ganz fantastische Stücke gefunden. Das hat mich noch mehr motiviert, mehr als noch mal den hundertsten Beet­hoven-Zyklus oder andere Werke zu machen, die jeder schon kennt. An der Musikhochschule spielt man die Standardwerke, die erwartet und abgearbeitet werden. Da hatte ich gar keine Zeit, mich um andere Komponisten zu kümmern, und habe die auch nicht vermisst. Mit Beethoven und Bach hat man da genug zu tun. Erst nach dem Studium kam diese Frage auf, als ich mir überlegte, welche Werke ich denn spielen will.“

Es war also weder die Suche nach einem pianistischen Alleinstellungsmerkmal oder feministische Grundsätze, die Steckeweh dieses Repertoire haben entdecken lassen, sondern schlicht und ergreifend Neugier. „Das hat sich bei mir entwickelt. Da steckt keine Marketing-Strategie dahinter, die einfach das macht, was sonst keiner macht. Ich war einfach neugierig und wollte Musik entdecken, die mir bisher noch nie begegnet war. Der Grund, warum Frauen nicht gespielt wurden, war ja die Vorherrschaft der Männer vom 19. bis ins 20. Jahrhundert hinein, inklusive der Restriktionen beruflicher Art für Frauen. Ich musste mich deshalb nicht bemühen, dass ein feministischer Aspekt mitspielt, das kam ganz alleine. Aber ich habe das zuerst aus der musikalischen Perspektive heraus gesehen.“ – Und diese musikalische Perspektive hat dazu geführt, dass sie stetig neue Werke entdeckt. Jetzt sitzt Steckeweh gerade mitten in der Postproduction zu einem Film, den Sie zusammen mit dem Filmemacher Tim van Beveren gedreht und per Crowdfunding finanziert hat. Das Thema: natürlich Komponistinnen. „Dieses Projekt hat sich entwickelt. Zuerst wollten wir nur einem kleinen Film von einer Reise nach Paris zu den Wirkungsstätten von Mel Bonis und Lili Boulanger machen. Dann kamen noch Fanny Mendelssohn und Emilie Mayer hinzu. Ich fand es zudem reizvoll, Musikerinnen beider Länder gegenüber zu stellen, und die Thematik auch aus einer allgemeinen Perspektive zu betrachten.“

Für den Film hat Steckeweh unter anderem die Hauptwirkungsstätten der Komponistinnen in Berlin, Paris, Rom und Stettin besucht, dazu das Archiv „Frau und Musik“ in Frankfurt, in dem Werke es von circa 1.800 Komponistinnen vom 9. Jahrhundert bis heute ihrer Entdeckung harren. Das Archiv habe einen einmaligen Fundus, kämpfe aber ums Überleben, so Steckeweh, weil es nicht mehr von der Stadt Frankfurt unterstützt werde. Die Separierung von Komponistinnen könne man zwar auch durchaus kritisch sehen, aber: „Wenn man die Namen nicht kennt, wie soll man sie sonst finden?“

Angefangen hat die Entdeckungsreise zu den Komponistinnen mit Mel Bonis und Lili Boulanger. Steckewehs spektakulärste Neuentdeckung ist sicherlich die Komponistin Emilie Mayer. 1812 in Friedland geboren, gestorben 1883 in Berlin, und eine der wenigen Frauen, die fast ausschließlich das Komponieren zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben. Durch eine Erbschaft war Mayer finanziell unabhängig, konnte eigene Werke herausgegeben und Orchester engagieren um Konzerte veranstalten. Insofern war Mayer in einer deutlich privilegierteren Position als viele ihrer Zeitgenossinnen, was sie für ihre musikalischen Anliegen auch auszunutzen verstand.

Die von Steckeweh eingespielte d-Moll Sonate Mayers war gleichwohl noch nicht herausgegeben worden. Nahezu zeitgleich mit ihren Bemühungen entdeckte ein kleiner Schweriner Verlag die Komponistin und ihr Werk, so dass es mittlerweile verlegt wurde. Eine späte Genugtuung mithin für eine Frau, deren Leben nicht zuletzt durch die strikte Trennung von öffentlicher und privater Sphäre bestimmt wurde, wobei erstere natürlich den Männern vorbehalten war. „Bei Mel Bonis haben die Eltern ihrer Ausbildung nur zugestimmt, weil es ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt erhöhte“, so Steckeweh. „Es war eben attraktiv, wenn eine Frau etwas Schönes auf dem Klavier spielen konnte.“ Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.

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