In Deutschland ist die nationale Chanson-Tradition noch allzu wenig öffentlich präsent. Das Interesse an schneidiger Satire, frechen Humoresken, melancholischer Poesie oder politischen Couplets, kurzum: an literarischen Liedern gedeiht in kulturellen Nischen.
Anna Haentjens hat bei der schon legendären Brecht-Interpretin Gisela May gelernt, dass Chansons zu singen einen speziellen Persönlichkeitstypus erfordert. Nämlich fähig zu sein, durch Stimme, Gestik und Mimik aus sich heraus einen Text singend zu gestalten. Seele und Körper müssen gleichermaßen beteiligt sein, um glaubwürdig zu sein. Nun hat Anna Haentjens sich als Künstlerin etabliert, für die „Chanson total“ zum Lebensmotto geworden ist. Ihre Programme sind jeweils eine Blütenlese dieses Genres: sei es als Hommage an Marlene Dietrich und andere bekannte Sängerinnen, an Dichter wie Heinrich Heine, Erich Kästner und Wilhelm Busch oder in Wiederentdeckungen von verdrängtem Repertoire, etwa die „Poetischen Waren (aus dem dreißigjährigen Krieg)“ von Johann Rist und die Originalversionen der Antikriegslieder (Lili Marlen) von Hans Leip.
Ihre Chansonforschung und Chansonpflege findet weithin Anklang, nicht nur bei begeisterten Veranstaltern. Wissen um und Erfahrung mit Chansonkunst gibt Anna Haentjens gerne seit einigen Jahren weiter, in Kursen, wo Laien und ausgebildete Sängerinnen und Sänger sich selbst ausgesuchte Lieder mit professioneller Unterstützung aneignen können.
In der Nähe ihrer Wohnung, an der Volkshochschule Elmshorn, finden diese Kurse statt, wohin Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland anreisen. Maximal zehn Personen unterrichtet Anna Haentjens nicht öffentlich je einzeln in 45 Minuten, denn ein Chanson interpretieren bedeutet, die eigene Identität durch Gesang zu erkennen. Deshalb ist für Anna Haentjens die sehr individuelle Betreuung der Interpretation wesentlich, um den Lernenden dauerhaft Sicherheit zu geben.
Diese Chansonwerkstatt wird jetzt mobil und ist ins 13. Sommerfestival auf Schloss Filseck eingebunden worden. Mit ihrem Klavierpartner Manfred Schmitz, der auch Gisela May am Berliner Ensemble begleitete und selbst viele Chansons komponiert hat, wird Anna Haentjens vom 24. bis 28 Juli 2007 acht Personen für eine Chanson-Matinèe vorbereiten. Selbst stellt sie die Revue „Dass es knallt in Deutschland – Das literarische Chanson von 1901 bis heute“ vor. So öffnet sich die Chanson-Nische mit Anna Haentjens für die Zukunft.
Diskografie (Auswahl)
Anna Haentjens: Kinderzeit. Klavier, Sven Selle, Thorofon CTH 2218
Anna Haentjens: ... und bleibe Berlinerin – Marlene Dietrich und ihre Chansons. Klavier, Sven Selle, Haentjens Records 2002
Anna Haentjens: Chansons nach Texten von Erich Kästner. Klavier, Sven Selle, Haentjens Records 2002
Anna Haentjens: Max und Moritz – Eine Bubengeschichte in sieben Streichen von Wilhelm Busch.
In der Vertonung von Manfred Schmitz.
Klavier, Sven Selle, Haentjens Records 2007Anna Haentjens: Lieder nach Texten von Wilhelm Busch. Klavier, Sven Selle, Haentjens Records 200