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Erst üben, dann Kicken

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Das Klavierduo Hans-Peter und Volker Stenzl
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„Was Komplexität und Zeitaufwand betrifft, so ist Klavierduo eine Katastrophe – Sie müssen ja ihren Part genau so ausarbeiten wie ein Solostück, und dann kommt noch die gemeinsame Arbeit. Es muss alles ganz genau geplant und organisiert werden.“ Wenn Hans-Peter Stenzl über das Klavierduo Stenzl spricht, merkt man, dass ihm und seinem Bruder der Erfolg nicht in den Schoss gefallen ist. Ein gutes Vierteljahrhundert musizieren Hans-Peter und Volker Stenzl nun schon zusammen – mittlerweile zählen sie zu den bekanntesten deutschen Klavierduos. Den eher zufälligen Zugang zur klassischen Musik haben sie einer engagierten Musiklehrerin in ihrer Heimatstadt Schwäbisch Gmünd zu verdanken. Anfang der 70er-Jahre kauften die Eltern auf deren Anraten hin ein Klavier und „damit es sich lohnt“, ganz schwäbisch-praktisch gedacht, sollten gleich beide Söhne das Klavierspiel lernen. Das Elternhaus ist heute noch einer der wichtigsten Probenorte – mittlerweile stehen dort allerdings zwei Konzertflügel.

„Was Komplexität und Zeitaufwand betrifft, so ist Klavierduo eine Katastrophe – Sie müssen ja ihren Part genau so ausarbeiten wie ein Solostück, und dann kommt noch die gemeinsame Arbeit. Es muss alles ganz genau geplant und organisiert werden.“ Wenn Hans-Peter Stenzl über das Klavierduo Stenzl spricht, merkt man, dass ihm und seinem Bruder der Erfolg nicht in den Schoss gefallen ist. Ein gutes Vierteljahrhundert musizieren Hans-Peter und Volker Stenzl nun schon zusammen – mittlerweile zählen sie zu den bekanntesten deutschen Klavierduos. Den eher zufälligen Zugang zur klassischen Musik haben sie einer engagierten Musiklehrerin in ihrer Heimatstadt Schwäbisch Gmünd zu verdanken. Anfang der 70er-Jahre kauften die Eltern auf deren Anraten hin ein Klavier und „damit es sich lohnt“, ganz schwäbisch-praktisch gedacht, sollten gleich beide Söhne das Klavierspiel lernen. Das Elternhaus ist heute noch einer der wichtigsten Probenorte – mittlerweile stehen dort allerdings zwei Konzertflügel.Der Klavierunterricht begann, als Hans-Peter bereits zwölf Jahre alt war. „Extrem spät für eine professionelle Musikerlaufbahn. Da würden sie heute von allen die Antwort kriegen, dass es keinen Wert mehr hat.“ Was dem Älteren an spielerisch-instinktiver Annäherung entging, versuchte er, einmal mit dem Musikvirus infiziert, durch konsequentes Arbeiten nachzuholen – und zog den vier Jahre jüngeren Bruder dabei mit.

Da sagte der große Bruder schon mal: „Jetzt wird erst eine Stunde geübt und dann kannst du raus zum Fußballspielen.“ Mit der gleichen Bestimmtheit nimmt Hans-Peter Stenzl heute gerne das Gespräch in die Hand und Volker lässt ihm den Vortritt, bestätigt oder ergänzt das ein oder andere. Konflikte gab es zwischen den beiden kaum, immer wieder betonen sie das blinde Verständnis und die von Anfang an gemeinsam empfundene Begeisterung für die Musik. „Ich gehe gern mal abends in die Kneipe bis morgens um drei, das macht Hans-Peter überhaupt nicht“ fällt Volker Stenzl nach langem Überlegen als eine der wenigen Gegensätzlichkeiten ein. Wenn sie häufig Gespieltes mal für ein Jahr zur Seite legen, entdecken sie meistens, dass sich die Auffassung des Werks in der Zwischenzeit bei beiden auf gleiche Weise weiterentwickelt hat.

In dieser Harmonie liegt vielleicht das Geheimnis ihrer Erfolgsgeschichte, die mit dem Bundespreis bei ”Jugend musiziert“ 1980 ihren Anfang nahm. Der internationale Durchbruch kam mit dem Gewinn des Brahms-Wettbewerbs 1985 in Hamburg, gefolgt vom ARD-Wettbewerb 1986. Nicht erst seitdem hegen die beiden zum Namenspatron des ersteren eine besondere Beziehung. Brahms’ Werke bilden einen wichtigen Schwerpunkt des Repertoires. „Vielleicht ist das eine Wesensaffinität, dieses Grüblerische in der Musik von Brahms – er hat nie aus dem Bauch heraus schnell mal etwas auf das Papier gebracht. Sondern vieles vernichtet, viele Korrekturen angebracht in seinen Werken. Dieses Arbeiten um Kunst, das ist es, was wir in unserer Tätigkeit auch versuchen.“ Die Brüder Stenzl schätzen sich selbst eher als überlegte denn als impulsive Menschen ein und bei allem Erfolg sind sie bodenständige Leute geblieben, die auf Allüren und Showeffekte à la Labeque verzichten können. Manch ein Kritiker empfindet ihr bewusstes, auf völlige Kontrolle bedachtes Spiel und das unspektakuläre Auftreten auch schon mal als „zu beschaulich und zu ordentlich“ (Berliner Zeitung). Die meisten aber loben den außergewöhnlichen gemeinsamen Atem, Akkuratesse, minutiös aufeinander abgestimmte Phrasierung und Artikulation sowie den Sinn für Transparenz und klare Strukturen.

An ihrem Traumberuf lieben Hans-Peter und Volker Stenzl im Gegensatz zu anderen Berufsmusikern das Unterwegssein ganz besonders. Zwischen 30 und 40 Mal stehen sie im Jahr auf der Bühne und interpretieren alle Programme auswendig, denn nur so könne die Musik „in einen hineinkriechen“. Konzerte zu geben, bedeutet ihnen vor allem, sich weiterzuentwickeln. Dies gilt auch für ihre Plattenproduktionen. Bevor sie ein Stück aufnehmen, spielen sie es erst jahrelang im Konzertsaal – und selbst dann betrachten sie die Einspielung nur als „Durchgangsstation“. Die Stücke ihrer siebten CD, die im April erscheint, haben sie oft im Konzert gespielt: Bartóks Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug und Strawinskys Petrouschka in einer Bearbeitung für die gleiche Besetzung. Während die Möglichkeiten des Klaviers bei so orchestraler Musik wie „Petrouschka“ oft als eingeschränkt empfunden werden, sehen die Stenzls gerade den Reiz darin, mit dem hämmernden „Schlaginstrument“ die rhythmischen, scharf-kantigen Aspekte der Ballettmusik herauszuarbeiten.

Den langen Atem versuchen die beiden auch ihren Studenten zu vermitteln. Sie unterrichten in Stuttgart und an der Musikhochschule Rostock, wo einer der wenigen Aufbaustudiengänge für Klavierduos eingerichtet wurde. Wie es um den Nachwuchs steht? „Nur in wenigen Fällen sind zwei jüngere Menschen bereit, über Jahre hinweg die Zähne zusammenzubeißen und gemeinsam etwas aufzubauen. Die Menschen sind dem Druck nicht gewachsen, dass man auch mal Durststrecken gemeinsam durchleben muss, um zu Höherem zu gelangen.“

Ähnliches gilt für das Publikum, das sich immer weniger anstrengen will. Doch es sei keine Lösung, den Leuten zu vermitteln: „Klassische Musik ist ja eigentlich gar nichts Besonderes – ihr könnt es genießen wie einen Krimi vor dem Fernseher, müsst halt nur um die Ecke in den Konzertsaal kommen.“ Klassik dürfe nicht leicht zu kriegen sein, denn, so Hans-Peter Stenzl: „Erst die überwundene Schwierigkeit wird zum Genuss.“

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