Widerstand ist ein vielschichtiges Phänomen. Als Anahita Abbasi während eines Komponistinnengesprächs moderiert von Rita Argauer auf der Bühne des schwere reiters gefragt wurde, was es mit der Gründung der Iranian Female Composers Association (IFCA) auf sich habe, die inzwischen mehr als 50 Künstlerinnen weltweit unter einem Organisationsdach vereine, ging es in ihrer Antwort auch um die Rechte von Frauen auf Selbstbestimmung.
Es kam ebenso ein Regime zur Sprache, das sich nicht für Kultur interessiere und ihr daher keinen Eigenwert zugestehe. Aber es war eben auch von der Kraft der Musik die Rede, von Künstlerinnen, die, wo auch immer in der Welt, nach Möglichkeiten suchen, ihren individuellen Ausdruck zu entwickeln und einem Publikum zu präsentieren. Denn Widerstand ist ein notwendiger Teil dieses Diskurses, aber nicht zwangsläufig dessen Inhalt, schon gar nicht, wenn man wie Abbasi oder auch ihre ebenfalls anwesende Kollegin Bahar Royaee eine Welt kennt, die unabhängig von politischen Anachronismen sich dem Klang, der Kreativität und deren Opulenz widmen kann.
Es ging daher nicht um Politik, wohl aber um Kultur, Erinnerung und Identität im Sinne einer Bewusstwerdung eigener Kraft. Und um die Bedeutung von Netzwerken über die Grenzen hinweg. Die Komponistin Anahita Abbasi und der Dirigent des Ensembles der/gelbe/klang Armando Merino zum Beispiel kannten sich schon aus den Tagen des gemeinsamen Studiums in Graz. Beide gehörten zum Umfeld des neu gegründeten Schallfeld Ensembles und damals bereits entstand eine vage Idee der Zusammenarbeit. Man zog weiter in die Welt, Abbasi unter anderem nach San Diego und New York, traf sich aber wieder und so wurde aus dem Gedanken ein Projekt. der/gelbe/klang gab eine Komposition in Auftrag, die zusammen mit der Ernst von Siemens Musikstiftung verwirklicht werden konnte und überließ der iranischen Kollegin außerdem die Programmplanung eines Konzertabends. Anahita Abbasi wiederum griff auf ihre Arbeit mit der von ihr gegründeten IFCA zurück, um neben der Uraufführung ihrer Komposition „Situation VIII / ec(h)o - systems“ auch Werke von Elnaz Seyedi, Bahar Royaee und Farzia Fallah durch das Ensemble mit einem Porträtkonzert rund um Komponistinnen aus dem Iran vorstellen zu lassen.
Und so unterschiedlich die Stücke auf der einen Seite waren, so gab es auf der anderen auch strukturelle Gemeinsamkeiten. Denn im Vordergrund standen Textur, Raumwirkung, Klangentfaltung, motivisches Arbeiten in verschiedenen Intensitätsschleifen, das Driften und Verbinden. Puls und Rhythmus blieben marginal, die Wirkungen der Kompositionen waren zwar kontrastreich und durchaus von dynamischen Zentren geprägt, die sich aber nicht an einer Linearität des Klangerlebens orientierten. Elnaz Seyedis „Fragmente einer Erinnerung“ (2015) blieben eben gerade durchsichtig, in kleine Parzellen der Identifizierbarkeit von Motivsprengseln unterteilt.
Die eigens aus den USA angereiste Komponistin Bahar Royaee wiederum entließ das Ensemble in reduzierter Besetzung für „Memories of a Stone Skipping the Skin on the Water of the Lake“ (2021) gleich in die klangliche Unabhängigkeit, indem sie etwa auf den Dirigenten verzichtete und den Musiker:innen trotz kompositorischer Lenkung viel Gestaltungsraum für eigene Ideen anbot. Jedenfalls war die Kombination der Werke gut gewählt. Im zweiten Teil des Porträtabends konnte Anahita Abbasis Uraufführung mit klanglicher Kontinuität auf diese flächigen und räumlichen Gegenpole aufbauen und ihrerseits mit umfassendem Klangsensorium reagieren. Im Vorfeld hatte die Komponistin sich viel mit den Besonderheiten des Ensembles auseinandergesetzt, etwa dem instrumentalen Einfallsreichtum des Schlagwerkers und Instrumentenbauers Mathias Lachenmayr, der dann auch eigensinnig schwebende Geräusche und Akzente beisteuerte.
„Situation VIII / ec(h)o - systems“ rekurrierte musikalisch auf Tierstimmen, integrierte den Ruf von Vögeln, imaginierte akustisch deren Interaktionen und abstrahierte solche Motivelemente im Schwebungsraum des Ensembles.