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Kulturkämpfer

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Gerhard Rohde über Theo Geißler
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In Freiburg im Breisgau gab es nach dem Krieg einen Oberbürgermeister namens Wolfgang Hoffmann (1945 ernannt, 1956 gestorben), der besaß das für einen Beamten bemerkenswerte Talent, professionell Klavier spielen zu können. Wolfgang Hoffmann liebte auch das Theater, die Oper, und so trat er immer wieder mit dem Orchester der im Krieg schwer zerstörten Stadt öffentlich auf, um mit dem so erspielten Geld den Wiederaufbau des Theaters zu fördern. Da brauchte die Theater- und Musikkritik sich nicht zu empören und heftig den Kulturabbau zu beklagen. Der oberste Bürger einer Stadt ging allen beispielhaft voran, weil er, besonders nach einer Katastrophe wie Weltkrieg II und Drittes Reich, wusste, was für den Menschen am wichtigsten war: die Stabilisierung des Seelenhaushalts, die Vergewisserung, dass es außerhalb der Niederungen des allzu alltäglichen Geschäfts auch noch so etwas wie einen Sinn des Lebens gibt, für den es zu streiten gilt.

Wer in jener Zeit gelebt hat, aufgewachsen ist, weiß, was gemeint ist: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Die späten 40er- und dann die 50er-Jahre waren, trotz Adenauer & Co.’s Restauration, aufregend und spannend. Irgendwie hatte das auch die spätere 68er-Generation nicht so recht mitbekommen, so dass sie meinte, die Verfettung der Republik mit Kaufhausbränden und Geiselnahmen bekämpfen zu müssen. Das ist jetzt alles schon Geschichte, die allerdings noch ein wenig weiterwirkt, weil die Geiselnehmer von einst heute gerade um Gnade flehen. Was hat das mit Theo Geißler zu tun? Einiges und gar nichts. Theo Geißler, im Jahr der Studentenrevolution gerade einundzwanzig Jahre alt geworden, sympathisierte mit der Unruhe, fühlte sich irgendwie verpflichtet mitzuwirken, aber er steckte keine Konsumtempel in Brand, sondern trat in die Redaktion der neuen musikzeitung ein, weil er spürte, dass man einer Gesellschaft und ihren Menschen am besten damit zu einem besseren und würdigeren Leben verhilft, wenn man ihr Bewusstsein stärkt.

Die neue musikzeitung hat diese Aspekte von Anfang an verfolgt. Aber seit Theo Geißler die Verantwortung für die Zeitung und den ihr verbundenen ConBrio Verlag übernommen hat, verschärften sich die Existenzbedingungen für das Kulturleben erheblich. Die Wolfgang Hoffmanns sind tot. Wenn heutzutage ein Regierender neben seinem Hauptamt so nebenbei auch noch die Kulturpolitik mit übernimmt, geschieht das nicht aus Liebe zu Kunst, Musik, Literatur, sondern aus schnöder Praktikabilität: Man braucht nicht den Widerstand eines mediokren Kultursenators zu fürchten, wenn man die Schließung eines Opernhauses befiehlt. Außerdem spart man eine Dezernentenstelle. Gegen diese Missachtung, ja Verachtung der Kultur und ihrer Institutionen ist die neue musikzeitung unter Theo Geißler immer wieder aufgestanden. Ob es um die Donaueschinger Musiktage ging, die ein uneinsichtiger Rundfunkintendant abzuschaffen gedachte, oder um die drohende Insolvenz des Deutschen Musikrates – die neue musikzeitung initiierte und forcierte den öffentlichen Protest, nicht ohne Erfolg. Gegen die schleichende Erosion der Institution Musikschule gründete Geißler sogar eine eigene Zeitschrift als Forum für Eltern und Jugendliche. Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wurden immer wieder von der neuen musikzeitung an ihren Kulturauftrag erinnert, wenn sie beispielsweise daran dachten, das für die Neue Musik maßgebende Vokalensemble (beim SWR) einzuschmelzen.

Theo Geißler spielt zwar nicht Klavier, um ein Theater zu retten. Aber was ihn mit Wolfgang Hoffmann verbindet, ist das Engagement, die Liebe zu Kunst und Musik, die Einsicht in die Wichtigkeit künstlerischer Arbeit für die menschliche Existenz. Sein Pianoforte ist der ConBrio Verlag mit seinen Projekten, mit denen er in das deutsche und inzwischen auch europäische Musikleben hineinwirkt. Sein Klavier sind auch engagierte Mitarbeiter, die seine Ideen realisieren. Seine wichtigsten Instrumente aber heißen Phantasie und Courage, zwei Phänomene, die in unseren Zeiten eines kleinformatigen Nützlichkeitsdenkens beinahe exotisch wirken.

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