Hauptbild
In der Reaktorhalle München: das Ensemble Oktopus unter der Leitung von Konstantia Gourzi. Foto: Gregory Giakis
In der Reaktorhalle München: das Ensemble Oktopus unter der Leitung von Konstantia Gourzi. Foto: Gregory Giakis
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Musikalische Wendigkeit und inhaltliche Vielfalt

Untertitel
Vor 20 Jahren gründete Konstantia Gourzi in München das Ensemble Oktopus für Gegenwartsmusik
Publikationsdatum
Body

Mit dem Meereswundertier Oktopus, der Krake mit den vielen Saugnäpfen, hat sich das Münchner Ensemble für zeitgenössische Musik von Anfang an identifiziert. Gegründet wurde die schlanke Instrumentalgruppe der Hochschule für Musik und Theater 2002 von Konstantia Gourzi, der aus Athen eingewanderten Komponistin und Dirigentin. Als Professorin an der Münchner Hochschule gelingt es ihr, die Lehrtätigkeit und die Ensembleleitung zusammenzufügen.

Der Oktopus ist „extrem schlau und unglaublich empfindsam“, so Sy Montgomery in ihrem Buch „Rendezvous mit einem Oktopus“. Der Name weist auf die Qualitäten des nunmehr zwanzig Jahre alten Münchner Avantgarde-Ensembles, als da sind: musikalische Wendigkeit und Leichtigkeit, Vielfalt und Reichtum der Inhalte und Erscheinungsformen zeitgenössischer Kammermusik. Konstantia Gourzi weiß genau, warum sie ihr Ensemble verbunden hat mit dem seltsamen Tier, das, so Gourzi, „eine einmalige Intelligenz im Vergleich zu den anderen Wesen der Erde“ besitzt. Denn „in jedem Saugnapf“ hat der Oktopus „ein vollständiges Gehirn“, er hat die Fähigkeit, „seine Farbe sehr flexibel der Umgebung anzupassen“. Das Ensemble habe sich in zwei Jahrzehnten „in alle musikalischen Richtungen bewegt und in verschiedenen musikalischen Formationen entwickelt“.

Die künstlerischen Qualitäten offenbaren sich exemplarisch innerhalb der sieben Konzerte, die das Ensemble für die Jubiläums-Saison 2022/2023 – Motto „grenzenlos“ – in Angriff genommen hat: reich an Uraufführungen, avantgarde-historischen Rückblicken und deutschen Erstaufführungen. Und einschließlich prestigeträchtiger Kooperationen – mit der Pinakothek der Moderne und der Bayerischen Staatsoper, der Siemens Musikstiftung, dem Bayerischen Rundfunk oder mit der Musikbiennale in Venedig. Dazu mit der CD-Einspielung (Ambiente Audio) einer „Beethoven-Hommage“ durch Konstantia Gourzi und Oktopus, eine farbenfrohe Auswahl neuer, von Beethoven inspirierter Musik. Die sieben Konzerte in der Münchner Reaktorhalle tragen jeweils Titel, die auf die Programme hinweisen. Beispielsweise „Offenheit“ und „Erinnerung“ für die beiden November-Konzerte 2022. Da Konstantia Gourzi eng mit der 1988 in München gegründeten, zeitgenössische Musik und ihre Komponisten fördernden Christoph-und-Stephan-Kaske-Stiftung verbunden ist, spielte das Oktopus-Ensemble im November zur Preisverleihung der Kaske-Stiftung.

„Offenheit“ bedeutete dort: Die Spanierin, Kaske-Preisträgerin Elena Mendoza, Jahrgang 1973, gelangte mit ihren beiden der Theatralik zugeneigten Stücken „Se hace saber“ und „Eines Tages alltäglich“ (zwei deutsche Erstaufführungen) genau zwischen zwei berühmte musikhistorische Schwergewichte neuer Musik, die „für das sozial-schauspielerisch-musikalische Geschehen unserer Zeit“ (Gourzi) aussagekräftig sind: „Stripsody“ für Solo-Stimme von Cathy Berberian und „Le corps à corps“ für Schlagzeug solo von Georges Aperghis. Dass neben Mendozas Musiken noch ein Ensemblestück ihres Schülers Inigo Giner Miranda erklang, machte dem Motto zusätzlich alle Ehre.

Das zweite November-Konzert kooperierte mit der Tagung „Aufbruch und Erinnerung“, mit Werken zweier Exil-Komponisten in Israel und ihrer Schüler: Paul Ben-Haim und Stefan Wolpe. Was für eine gelungene Jubiläumssaison! Das Oktopus-Ensemble fand zu vielfältigsten Konstellationen: zwei Konzerte im Dezember mit dem Titel „Übergänge“ und „vielseitig“, im Februar „Süd-Ost“ und „Verbindung“, Ende April 2023 lautet das Finalkonzert „Soundpainting“, mit den Komponisten Vladimir Tarnopolski und Armando Merino.

Großartige Ausblicke ins musikalisch Neue: Konstantia Gourzi und Oktopus haben in ihren Konzerten ein enorm weitgespanntes Spektrum neuer und neuester Ensemblemusik vieler Nationen realisiert - von Nikos Skalkottas bis Wilhelm Killmayer und György Ligeti, von Erwin Schulhoff bis Luciano Berio und Sofia Gubaidulina, von Iannis Xenakis bis Salvatore Sciarrino, Olga Neuwirth und Isabel Mundry. Und viele weitere Stimmen und Klänge.

Auf solche Weise ist Oktopus in München zum Sinnbild musikalischer Grenzenlosigkeit und schöpferischen Elans geworden.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!