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Nur der Mittelweg führt nicht nach Berlin

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Das Ensemble Oriol auf der Suche nach internationaler Marktpositionierung
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Auf dem Weg ist das Ensemble schon seit über zwölf Jahren, das künstlerische Profil ist themenspezifisch, die Arbeit projektbezogen. Die Ziele sind hoch gesteckt: ein internationales Renommee als „das“ Berliner Kammerorchester möchte es haben. Oriol als „Ensemble in Residence“ bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, in diesem Jahr beim Schleswig-Holstein Musik Festival, Gastspiele in Südamerika oder eine Tournee durch Südasien im Auftrag des Goethe-Instituts sind da ein Anfang.

Das Ensemble Oriol in Stichworten: ein Berliner Kammerorchester in variablen Besetzungen vom Quartett bis zum Kammerorchester mit Bläsern, das mit für Deutschland relativ geringen staatlichen Mitteln ein kontrastreiches Repertoire von der Renaissance bis zum 20. Jahrhundert erarbeitet, das seit über zehn Jahren im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin eine eigene Konzertreihe veranstaltet und mit Gastdirigenten und Solisten wie Peter Rundel, Sergio Azzolini, Sebastian Gottschick, Christian Tetzlaff, Andreas Staier oder Christine Schäfer zusammenarbeitet. Seit Dezember hat das Ensemble in Peter Rundel nun einen festen künstlerischen Leiter gefunden. Auf dem Weg ist das Ensemble schon seit über zwölf Jahren, das künstlerische Profil ist themenspezifisch, die Arbeit projektbezogen. Die Ziele sind hoch gesteckt: ein internationales Renommee als „das“ Berliner Kammerorchester möchte es haben. Oriol als „Ensemble in Residence“ bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, in diesem Jahr beim Schleswig-Holstein Musik Festival, Gastspiele in Südamerika oder eine Tournee durch Südasien im Auftrag des Goethe-Instituts sind da ein Anfang. Wie etabliert sich ein freies Ensemble am Markt, was bedeutet dies für die Musiker, was für das Management, was für die Finanzierung und was für eine mögliche Organisationsstruktur? Von hinten angefangen: Für 20 oder mehr Musiker ist eine „juristische Person“ nötig. Dies ist ein gemeinnütziger Verein, der als Träger des Ensemble Oriol die Verantwortung für die wirtschaftliche und juristische Seite trägt. Die Finanzierung steht auf mehreren, ungleichen Beinen: 30 Prozent öffentliche Mittel, 60 Prozent Eigeneinnahmen, 10 Prozent Drittmittel. Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur unterstützt aus dem Etat für freie Gruppen das Ensemble mit einer institutionellen Fördersumme, die gänzlich für die eigene Abonnementreihe in der Philharmonie verwandt wird. Der Großteil wird buchstäblich „eingespielt“ mit Einnahmen aus Gastspielen, Tourneen, Eigenveranstaltungen, Mitschnitthonoraren et cetera Dazu kommen Spenden und Sponsoringmittel.

Ensemble Oriol; Foto: Johannes Zappe

Der Trägerverein bildet den Rahmen, das Management erledigt die Geschäfte. Das Ensemble Oriol leistet sich zweieinhalb Stellen im Management, bestehend aus Geschäftsführung, Assistenz und Dramaturgie. Musikalisch ist das Ensemble Oriol ausdrücklich kein Spezialensemble, sondern konzipiert bewusst Programme, die von alter bis zu zeitgenössischer Musik reichen. In einem hochspezialisierten Markt ist dies für das Management marketingtechnisch kein leichtes Unterfangen, zumal einzelne Programme bisher mit jeweils wechselnden Gastdirigenten verkauft wurden. Eine große Persönlichkeit als fester künstlerischer Leiter fehlte, nicht nur marketingtechnisch. Das Ensemble Oriol beschritt einen anderen Weg. Künstlerische Konzepte, Rising Stars, Ensemblequalität, junge Eliten und Berliner Debüt sind einige Schlaglichter, die Oriol mit seiner Arbeit setzen wollte und sicherlich auch unter der Leitung von Peter Rundel weiter setzen will. Auf die Entwicklung darf man gespannt sein.

Mit welchen „Produkten“ positioniert sich das Ensemble? Mit einer Abonnementreihe im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie etwa, die das Ensemble selbst veranstaltet. Oriol nutzt hier die Chance der Unterstützung durch den Berliner Senat, sein künstlerisches Profil in der Programmgestaltung deutlich zu zeigen, ohne direkt nach dem Kartenverkauf schielen zu müssen. Werke von Komponisten wie Lutoslawski, Skalkottas, Scelsi, Nielsen, Martin und Zender werden kombiniert mit Haydn, Mozart, Kraus oder Biber. Neben Konzerten in Kammerorchester- beziehungsweise Streichorchesterbesetzung bietet Oriol auch kleinere kammermusikalisch besetzte Konzerte an, insbesondere solistisch besetzte Streicherstücke. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit von Oriol liegt in kommentierten und moderierten Konzerten, in sogenannten „Hörwerkstätten“, öffentlichen Generalproben mit Werkeinführungen, ob für Schüler oder konventionelles Konzertpublikum. Weniger bekannt ist das Engagement bei verschiedenen Opernproduktionen in Zusammenarbeit mit der Neuen Opernbühne Berlin und den Musikfestspielen Potsdam-Sanssouci, in diesem Jahr auch mit der Neuköllner Oper. Große Hoffnungen setzen Musiker und Management in eine neue, bisher in Planung befindliche Konzertreihe „Rising Stars Series“.

Mit der internationalen Konzertserie „Rising Stars“, bei der große Konzerthäuser der Welt junge Ensembles, je eines aus einem Land, unter diesem Titel auftreten lassen, hat die geplante Serie von Oriol jedoch nichts zu tun. Hier plant Oriol gemeinsam mit dem Sender Freies Berlin, Elmar Weingarten von den Berliner Philharmonikern und verschiedenen CD-Labels eine Konzertreihe, bei der junge Solisten in Berlin und auch in anderen Städten mit Oriol auftreten. Bei potenziellen „Rising Stars“ denkt das Ensemble Oriol unter anderem an Viviane Hagner, Emmanuel Pahud und Daniel Müller-Schott. Auf dem Weg zu einer internationalen Marktpositionierung ist der Gedanke, sich an „Rising Stars“ anzuhängen, verlockend. Geht die Idee auf, so könnte der Weg zu internationaler Konzertkarriere und breiter Präsenz auf dem CD-Markt zu erschließen sein.

Zu den Musikern: Warum spielen sie, die eigentlich Verantwortlichen für Qualität und künstlerisches Profil, im Ensemble Oriol? Mit allen Vor- und Nachteilen sind die Musiker freischaffend wie dies auch bei vielen Orchestern in Großbritannien und den USA üblich ist. Im Ensemble Oriol zu spielen ist keine Vollzeitbeschäftigung. Die Musiker sind frei, sie sind jung, spielen in verschiedenen Ensembles, sind selbstbestimmt (auch finanziell), engagiert und üben Basisdemokratie. Die Arbeit im Ensemble ist sehr persönlich. Jeder Musiker ist von Anfang bis Ende, von der Programmplanung bis zum Konzert an dem Prozess beteiligt. Zu hoffen bleibt, dass in der großen Berliner Orchester- und Musiklandschaft die Freiheit bei Oriol nicht zweite Wahl ist und nicht nur die Alternative zu nicht bestandenen Probespielen bei einem der großen Orchester bedeutet. Der Weg zur internationalen Konzertkarriere ist hart umkämpft. Künstlerische und spieltechnische Qualität ist hier sicherlich erstes Gebot.

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