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Das Ensemble der Länder bei den „herbstfrequenzen“ in Sondershausen. Foto: Verein für Junge Musik
Das Ensemble der Länder bei den „herbstfrequenzen“ in Sondershausen. Foto: Verein für Junge Musik
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Raus aus der Komfortzone

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Das Ensemble der Länder ist die U18 der Neuen Musik
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Es ist ein populärer Irrglaube, „Neue Musik“ sei gleichbedeutend mit verkopften Struktur-Exerzitien, deren adäquate Umsetzung hochspezialisierten Ausnahmekönnern vorbehalten bleibt, die die nervenaufreibende Ereignisfülle tiefschwarzer Notenblätter mit der Perfektion eines Uhrwerks vorantreiben. Dass jede zeitgenössische Musik aber auf der Ebene des Sinnlichen ansetzt, und auch ganz anders funktionieren und lebendig werden kann, daran erinnert jenseits virtuoser Hochseilartistik oder kurzlebiger Education-Projekte seit geraumer Zeit eines der hierzulande ambitioniertesten musikalischen Vermittlungsprojekte: das Ensemble der Länder.

Zwei Dinge machen es besonders bemerkenswert: Erstens widmet es sich ausschließlich der zeitgenössischen Musik, ja kann sogar als respektables Uraufführungs-Ensemble bezeichnet werden; zweitens besteht es ausschließlich aus Schülern, was bedeutet, dass sich die Ensemblestruktur stetig erneuert. Das Eintrittsalter liegt bei 14 Jahren, sodass die Mitglieder in der Regel nach 3-4 Jahren mit Abschluss der Schule das Ensemble verlassen. Dass bei einer derartig großen Fluktuation sich weder Routine einschleicht noch die perfekte Interpretation angestrebt wird, liegt in der Natur der Sache. Aber es geht um wichtigere Dinge, um die es eigentlich immer gehen sollte, wenn das Thema Musik ins Spiel kommt: um Neugier, Kommunikation, Dynamik, Energie, um Erfahrungen fern eines konventionellen Musik-Mainstreams (egal ob aus „Klassik“ oder „Pop“). Insofern ist das EDL bei aller klangtechnischen Horizonterweiterung, die eine mehrjährige Teilnahme mit sich bringt, keine „Masterclass“, aus der gut geölte Interpretationsmaschinen für elaborierte Klangwelten hervorgehen sollen, sondern ein Erfahrungsraum für junge Musikerinnen und Musiker, die Lust auf gemeinsame Entdeckungen abseits stromlinienförmiger Musizierpraxis haben.

Gegründet wurde das Ensemble der Länder 2013 in der Musikakademie Rheinsberg, um die Aktivitäten von (Landes-)Jugendensembles aus Niedersachen, Rheinland-Pfalz/Saar und Thüringen gewinnbringend miteinander zu vernetzen, nicht zuletzt um auch komplexere und größer besetzte Stücke spielen zu können. Inzwischen ergänzen Jugendensembles aus Bayern und Bremen den Pool, aus dem das momentan etwa 20-köpfige EDL im Schnitt drei bis vier Musiker pro Landesensemble schöpfen kann. Das Ensemble der Länder ist also eigentlich ein „Bundesjugendensemble“ für Neue Musik, ohne sich so nennen zu dürfen. 2016 wurde das EDL allerdings mit der „privilegierten Partnerschaft“ des Deutschen Musikrates bedacht und wird vom Musikfonds unterstützt, was aber nicht heißt, dass es einen ähnlichen Status wie das Bundesjugendorchester hätte und nun dauerhaft finanziert würde. Momentaner Träger ist der „Verein für Junge Musik“ mit Sitz in Weimar und das bedeutet, dass die Gelder jedes Jahr neu erkämpft werden müssen.

Mehrmals im Jahr trifft sich das EDL unter momentaner Leitung des Weimarer Dirigenten Juri Lebedev in ganz unterschiedlicher Zusammensetzung zu ausgiebigen Arbeitsphasen, bei denen in engem Austausch mit professionellen Musikern, Ensembles und Komponisten ein Konzertprogramm erarbeitet wird. Stilistische Offenheit ist dabei Programm: Neben renommierten Solistinnen wie Carin Levine (Flöte), erfahrenen Neue-Musik-Ensembles wie das Ensemble via nova kooperierten auch Größen aus der Techno- und Rock-Szene wie die Gebrüder Teichmann, Stefan Goldmann oder die Nervous Germans bereits mit dem jungen Ensemble. Auch die Kompositionen, die auf den Notenständern des EDL landen, sind keinen ästhetischen Tabus unterworfen, nur spielbar müssen sie sein. Hier das rechte Maß von Komponistenseite zu finden, ist manchmal gar nicht so leicht, was niemand besser weiß als Johannes K. Hildebrandt, künstlerischer Leiter des Ensembles und selbst Komponist: Weder will man die Musiker/-innen technisch überfordern noch ein künstlerisch banales Stück abliefern. Etwaige Vorstellungen, dass derartige Auftragskompositionen also zwangsläufig dem Status von „Neue Musik-Sonatinen“ entsprechen müssten, entlarvte das Konzert während der „Herbstfrequenzen“ in Sondershausen als netten Irrtum, mit energiegeladenen, anspruchsvollen und nicht zuletzt witzigen Ensemblestücken von Peter Köszeghy, Moritz Eggert, Johannes K. Hildebrandt, Verena Marisa und Johannes X. Schachtner, die zusammen mit der Münchener Band CLAENG erarbeitet wurden. Zwischen skurriler Experimental-Küche, perkussiv zerklüfteter Klang-Landschaft, stilistischen Flickenteppichen und schrägen Collagen mit Science-Fiction-Einschlag bildete das Ensemble der Länder ein denkbar breites Spektrum ästhetischer Möglichkeiten zwischen Klangabenteuer, expressiver Dramatik und hintergründigem Humor ab.

In diesem Februar steht die nächste Arbeitsphase im Rahmen des Trierer Festivals „Opening 18“ an. Dort wird das EDL zusammen mit Perkussionistin Sabrina Ma Stücke von Johannes X. Schachtner, Péter Köszeghy, Benjamin Scheuer und Giordano Bruno do Nascimento zum Besten geben, die allesamt für das EDL geschrieben wurden.

Wir nutzten die allgemeine Vorfreude und stellten ein paar Fragen:

neue musikzeitung: Was sind die besonderen Schwierigkeiten beim Erarbeiten von zeitgenössischer Musik und was macht die Faszination aus?

Sophie-Marie Kemnitzer (15), Violine: Das Verstehen der Musik und des Geschriebenen ist meiner Meinung nach die größte Schwierigkeit. Hinter jedem Stück steckt ein Sinn, doch manche scheinen keinen Sinn zu ergeben. Daher muss man sich sehr genau mit diesen Stücken beschäftigen, denn um ein Stück sehr gut spielen zu können, braucht man dieses Verständnis. Faszinierend an Neuer Musik finde ich die Ideen, die hinter den Stücken stecken und wie diese Ideen umgesetzt werden in Musik.

Aleyna Akpinar (14), Violine: Die besonderen Schwierigkeiten sind, dass man sich erstmal reinhören muss. Man muss aus seiner Komfortzone ausbrechen, also flexibel sein. Ausprobieren, reinhören, machen, experimentieren – doch genau dies war so neu und auch so spannend.

nmz: Gab es ein Stück beim letzten Workshop, das euch besonders gut gefallen hat?

Sophie-Marie Kemnitzer: Mir hat das Stück „Bohnen-Frittata“ von Verena Marisa sehr gut gefallen. Die Idee, aus einem Gericht ein Stück zu machen und die einzelnen Abläufe in Musik umzusetzen und dem Zuhörer nahe zu bringen, hat mich sehr begeistert. In diesem Stück ist mir erstmal richtig bewusst geworden, was ich mit meinem Instrument alles machen und welche alltäglichen Sachen ich damit ausdrücken kann.

nmz: Was würdet ihr euch von zeitgenössischen Partituren/den Komponisten wünschen, damit ein spannendes Stück Musik dabei herauskommt? Findet ihr die Neue Musik insgesamt abgehoben?

Sophie-Marie Kemnitzer: Als Musiker ist es immer cool, wenn man einen Teil von sich selber in das Stück einbauen kann, daher wünsche ich mir mehr Freiheit in den Stücken und mehr eigene Interpretation.

Marie Leinpinsel (16), Flöte: Ich fände es sehr interessant, wenn man mit einigen Komponisten ein paar Stellen der Stücke näher besprechen würde, also was sie sich beim Komponieren gedacht haben beziehungsweise wie sie auf die Ideen gekommen sind. Meiner Meinung nach ist Neue Musik zwar komplex, aber das ist jede andere Art von Musik auf ihre Weise auch. Für manche wirken moderne Werke dann zwar abgehoben, aber für mich sind sie einfach eine besondere Art des Ausdrucks von Gedanken und Gefühlen.

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