Wer schon einmal, etwa via „Garage Band“, versucht hat, auf einem iPad zu musizieren, kennt das Gefühl: Das chicke, pseudorealistische Layout und die praktischen Voreinstellungen ermöglichen schnelle Erfolgserlebnisse, ebenso schnell erschöpft sich dieser erste Reiz aber auch. Das pure Nachahmen konventioneller Instrumente stößt an die Grenzen des Mediums, Haptik und Klangergebnis stehen in keinem befriedigenden Verhältnis zueinander. Eben dieses Thema – die Interaktion zwischen Mensch und Maschine – war der Ausgangspunkt der Masterarbeit, mit der Bastus Trump im vergangenen Jahr sein „Sound Studies“-Studium an der Berliner Universität der Künste abschloss und die schließlich in die Entwicklung des iPad-Instruments „Orphion“ mündete.
Von vornherein wollte Trump die spezifischen manuellen und optischen Möglichkeiten des Touchscreens nutzen – die Grundidee berührungsempfindlicher Kreise entstand: Ein leichtes Touchieren eines solchen „pads“ mit fester Tonhöhe löst einen sehr eigenen, je nach Halleinstellung mehr oder weniger sphärischen, zwischen Streicher- und Flötencharakteristik angesiedelten Klang aus; eine Verstärkung des Impulses oder eine Vergrößerung der Kontaktfläche erzeugt (auch optisch durch Verfärbung der Kreise signalisiert) mehr und mehr perkussive Effekte. Möglich sind überdies Glissandi zwischen den Kreisen und vibratoartige Modifikationen.
Die fest vorgegebene Klanglichkeit habe bei einigen Anwendern Unverständnis ausgelöst, so Bastus Trump im Gespräch. Gerade diese spezielle, unverwechselbare Instrumentenspezifik sei ihm aber wichtig gewesen: „Eine Geige klingt schließlich auch immer nach einer Geige“. Mittlerweile hat Trump aber, neben der Ergänzung um eine Aufnahme- und Exportfunktion, dem Wunsch nach einem MIDI-Interface nachgegeben: Jedem Nutzer ist also freigestellt, ob er das Instrument mit einer Synthesizer-App koppelt oder andere, externe Geräte damit ansteuert.
Ein weiterer Clou der seit seiner Veröffentlichung im Januar etwa 8.000 mal geladenen Anwendung bleibt davon freilich unberührt: die (beliebig transponierbare) Anordnung der Tonkreise nach bestimmten Intervallkriterien. Sie ermöglicht einerseits eine Vorauswahl des Tonvorrats (etwa in Form einer pentatonischen oder einer Blues-Skala) und regt, zum Beispiel in der Terzanordnung, zu intuitivem Spiel mittels verschiebbarer Patterns an. Andererseits macht sie harmonische Gesetzmäßigkeiten sichtbar und wäre – Trump vergleicht diese Möglichkeit mit dem Weglassen bestimmter Klangstäbe im Orff-Instrumentarium – musikpädagogisch vielfältig nutzbar.
Für den gelernten Jazzsaxophonisten, der mittlerweile an der Nürnberger Musikhochschule Studierende unter anderem in die Welt des Sequencing einführt, ist das Orphion aber in erster Linie ein Instrument, das einiges an musikalischem Potenzial bereithält und das sich gut in verschiedene Ensemblekontexte einfügen lässt. Vorausgesetzt, man beschäftigt sich ein wenig mit den manuell durchaus anspruchsvollen Eigenheiten der Klangerzeugung: Die beachtliche, natürlich mit Jazz-Voicings gewürzte „Stille Nacht“-Version, die man im Netz bewundern kann, hat Trump einige Stunden Übearbeit gekostet. Gefragt sind künftig also vielleicht nicht nur lernwillige Orphinisten, sondern auch kompetente iPad-agogen.