Gemeinsame Kammermusik-Konzerte mit Gerhard Schulz, Julia Fischer oder Leonidas Kavakos, eine Auszeichnung mit dem 1. Bashmet-Preis und seit 2006 die Ernennung zum Professor für das Orchesterprogramm an der „Escuela Superior de Musica Reina Sofia“ in Madrid. Das sind nur einige der Nachrichten, die unsere Redaktion in den letzten Wochen und Monaten erreichten. Christoph C. Stechbart hielt einige der Lebensstationen des jungen Bratschisten Nils Mönkemeyer im Porträt fest.
Das Interview findet am Tisch eines Münchner Cafés statt: Neben Mönkemeyers Café Latte liegt eine Ausgabe von Rilkes „Briefe an einen jungen Dichter“. Er habe es immer bei sich, sagt der Künstler und zitiert seine Lieblingspassage: „So müssen wir lernen, das, was uns hindert, zu lieben, um durch eben dieses zu wachsen über unsere eigene Grenze zu dem, was groß und weit ist.“
Mönkemeyer verbindet mit diesen Zeilen sein Lebensmotto: „Wage es, das Größte zu wollen und dabei offen für Neues zu sein.“ Ist ein Hindernis nicht zu überwinden, spornt es ihn umso mehr an. Als Beispiel führt der Bratschist eine Begebenheit als Achtjähriger an. Als ihm das Instrument einmal auf den Boden gefallen war, hatte sich Geigengriffbrett gelöst. Anstatt das Malheur zu gestehen, versuchte er den Schaden selbst zu reparieren. Hartnäckig gelang es ihm schließlich, mit Mutters Alleskleber den Schaden so gut zu beheben, dass sein Geigenbauer nichts bemerkte.
Der 1978 in Westfalen geborene und in der Nähe von Bremen aufgewachsene Musiker beschreibt sich selbst als kühlen, norddeutschen Charakter. Musik spielte im Elternhaus eine große Rolle, sein Vater ist Jazz-Musiker. Mit acht Jahren begann er mit Geigenunterricht. O-Ton Mönkemeyer: „Ich habe den Klang einer Barockgeige gehört, und fand ihn wunderwunderschön.“
Die durch ein absolutes Gehör begünstigte musikalische Begabung wurde von seinen Lehrern – einschließlich seinem Vater – durch einen spielerischen Umgang und Freude am Musizieren gefördert. Wenn der Sohn in das Arbeitszimmer seines Vaters kam, wurde die eine oder andere Musikaufnahme gehört beziehungsweise Noten studiert mit Hinweisen auf schwierige Passagen.
Da der Künstler als Teenager nie mit seinem Geigenton zufrieden war, wechselte er zur Bratsche. Spätestens jetzt wurde ihm klar: „Das ist der Klang, den ich immer innerlich hörte.“ Mutig entschied sich der 19-jährige während der Unterrichtsjahre bei Christian Pohl in Hannover für die professionelle Musikerlaufbahn. Ab 2000 wechselte Nils Mönkemeyer von der Musikhochschule Hannover an die Münchner Hochschule für Musik und lernte bei Hariolf Schlichtig, seine eigene musikalische Handschrift zu entwickeln.
Mit Hilfe von Stipendien, unter anderem von der Studienstiftung des Deutschen Volkes, war er finanziell unabhängig und konnte sich intensiv auf das solistische Üben konzentrieren.
Der Bratschist betont den Einfluss einer seiner Mentoren: Yuri Bashmet, der ihm eine neue Art des Hörens beibrachte. Dabei wird das hörbare Spielen so neutral wie möglich mit den eigenen perfekten Vorstellungen ver-glichen. Bashmet erkannte außergewöhnliches Potenzial in Mönkemeyer und ermutigte ihn, beim Musizieren aus sich selbst emotionsgeladen herauszugehen. Nichts ist für Mönkemeyer langweiliger als eine auf Sicherheit gespiel-te Darbietung.
Dazu wieder eine kleine Anekdote: Bei einem Konzert flog sein Bogen aus Versehen ins Publikum. Während des Kommentares: „Ist jemand verletzt“, gelangte der Bogen mit Hilfe einer Durchreichekette wieder auf die Bühne. Trotzdem, oder gerade deswegen spielte er nach eigenem Bekunden seine beste Schubertsonate – durch die gute Publikumsstimmung angespornt, über eigene Grenzen hinauszuwachsen.
Das Jahr 2006 war für Mönkemeyer als Assistent von Diemut Poppen sehr erfolgreich: Preis des Deutschen Musikwettbewerbs, Einladung zu „Best of NRW“ und 1. Preis beim „Yuri Bashmet International Viola Competition“ in Moskau. Der Künstler erklärt sich diesen Erfolg zum einen dadurch, dass er durch eigene hohe Ansprüche immer mehr zu sich selber gefunden hat, zum anderen, dass er mit der Angst vor Bewertungen durch andere, der Angst, eigenen Ansprüchen nicht zu genügen und der lähmenden Angst des Scheiterns umzugehen lernte.
Mit seiner Offenheit für Neues betont Mönkemeyer seine Liebe zur Neuen Musik, da sie den Schmutz in der musikalischen Schönheit nicht ausspare und so dem heutigen Leben eher entspräche als ältere Musik. Aber auch im Bereich des Musikmarktes möchte er den Blick über den Tellerrand wagen. Gerne würde er den versnobten und trägen Klassikmarkt verändern, zum Beispiel mit Klassik-CD-Rezensionen in der „Bravo“, oder einem Verbot von „Klassik light“-Compilations à la „Bach zum Bügeln“. Außerdem wünscht er sich für klassische Musik in Deutschland „spanische“ Verhältnisse, das heißt weniger verstaubte Etiketten, beachtliche Hochschul-Förderungen von privater Seite, etwa durch Banken sowie nach Konzerten mehr Kontakt zu den Künstlern, und das nicht nur für einen kleinen elitären Personenkreis. Als Anregung für die Nachwuchsarbeit schlägt der Bratschist vor, dass sich jeder gute Künstler verpflichtet, ein Viertel seiner Arbeitszeit imagepflegend an Schulen mit Aufführungen, Diskussionsrunden zum Anfassen und gemeinsamen Diskothekenbesuchen zu verbringen. Interessierte können sich gerne bei ihm melden.
Seinen eigenen Studenten und anderen angehenden Musikern rät der Musiker, eigene Grenzen nicht zu akzeptieren, „da man sonst aufhört, sich weiterzuentwickeln.“