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Ungemein umtriebig – Carolina Eyck. Foto: Christian Hüller
Ungemein umtriebig – Carolina Eyck. Foto: Christian Hüller
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Universalgelehrte in Sachen Theremin

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Die Musikerin und Instrumentaltüftlerin Carolina Eyck
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Ein Holzkasten mit etwas Elektronik drin, zwei Antennen, ein Stromkabel, ein Lautsprecher. Das ist ein Theremin. Viel dran ist also nicht, rein technisch gesehen zumindest, und doch strahlt das Instrument auch 96 Jahre nach seiner Erfindung durch den Russen Leon Theremin immer noch eine große Faszination aus.

Der Kreis der Musiker, die es professionell beherrschen, ist allerdings handverlesen, und obwohl das Theremin vor allem in Süd­amerika und Japan zahlreiche Anhänger hat, sorgt es in Europa immer noch für großes Erstaunen. Hierzulande ist die Leipziger Musikerin Carolina Eyck eine der wenigen, die sich diesem Ins­trument verschrieben haben.

Für sie ist völlig selbstverständlich, was für andere durchaus exotisch anmutet: „Ich habe mit sieben Jahren angefangen Theremin zu spielen. Zuvor hatte ich auch schon mit Klavier und Geige angefangen. Das kam durch meinen Vater, der in einer Band elektronische Musik gemacht hat.“ Von klein auf ist Eyck mit dem Klang von Synthesizern und anderen elektronischen Ins­trumenten aufgewachsen und ihr war von vornherein klar: „Das ist mein Ins­trument.“ Doch wie kann man das lernen, wenn es kaum Lehrer gibt? „Als Kind hatte ich bei der Großnichte des Erfinders, Lydia Kavina, Unterricht. Die war regelmäßig für eine Produktion in Hamburg und für die Zeit zwischendurch hatte ich richtige Arbeitspläne. Viele allgemeine musikalische und methodische Dinge habe ich auch von der Geige übernommen.“ Ansonsten hieß es: learning by doing. Mit der Zeit entwickelte Eyck auch eine eigene Spieltechnik und schrieb ein Lehrbuch, das 2006 erschienen ist.

Den Grundstock ihrer Ausbildung als professionelle Musikerin hat sie sich ganz traditionell erarbeitet: ein Bratschenstudium in Stockholm hat sie absolviert und erfolgreich abgeschlossen, doch im Grunde genommen war ihr immer klar: „Das ist nicht das, was ich letztendlich machen will.“ Eyck könnte auch als Orchestermusikerin ihr Dasein fristen, sie lebt stattdessen ganz für das Theremin. Das wird völlig berührungslos gespielt und erzeugt seine Töne mittels eines elektromagnetischen Feldes. Über die Entfernung der Hände zu den beiden Antennen werden Tonhöhe und Lautstärke gesteuert, zuschaltbare Filter und andere technische Ergänzungen erlauben weitere klangliche Nuancen.

„Ich erinnere mich an eine Zeit, mit zirka 13 oder 14 Jahren, als mir mein Spiel zu ungenau war, und ich immer noch an der Intonation gefeilt habe. Da habe ich einfach viel ausprobiert, zum Beispiel den tiefsten Ton eines Stückes so auszutarieren, dass er genau an meinem Körper ist.“ Zwar muss man ein Theremin durchaus vorab kalibrieren, um das elektromagnetische Feld auf den Körper einzustellen, doch bewährt hat sich dieser spezielle Ansatz langfristig nicht. Dennoch ist diese Geschichte typisch für die Experimentierfreudigkeit und die Zielstrebigkeit mit der Eyck ihr Ziel stets verfolgt.  Derzeit sitzt sie an einem weiteren Werk über das Theremin und die Kunst selbiges zu spielen, diesmal mit einem wesentlich umfassenderen und grundlegenderen Ansatz als das erste Mal.

Hierfür arbeitet sie mit Physiotherapeuten und Technikern an einem interdisziplinären Lehrwerk samt DVD zusammen. Dabei kommt ihr nicht nur ihre langjährige Unterrichtspraxis zugute, sondern auch ihre umfassende Erfahrung als Musikerin. „Ich unterrichte nicht nur das Instrument“, sagt Eyck, der als Synästhetikerin, die Musik immer auch mit anderen Sinnen wahrnimmt, ein ganzheitlicher Ansatz wichtig ist.

Dabei hat sie immer wieder auch Erfolgserlebnisse, die ihre Methode bestätigen: „Es macht mich total glücklich, wenn ich sehe, wie Leute mit meiner Technik spielen.“ Sie berichtet von einer Armenierin, die sie vor zwei Jahren kennengelernt hat, und von der sie auf Videos gesehen hatte, wie sie spielt. „Das macht mich total stolz“, bekennt sie freimütig. Doch nicht etwa, weil sie prinzipiell besonderen Wert darauf legen würde, sondern – wie man spürt – aus Überzeugung und Begeisterung für ihr Instrument.

Das kennt sie auch technisch von Grund auf. Eyck könnte lange über technische und klangliche Unterschiede verschiedener Theremin-Modelle referieren. Einen Umfang von vier bis fünf Oktaven haben diese Instrumente üblicherweise, bei 500 Euro fangen Einstiegsmodelle preislich an. Gerade entwickelt Eyck zusammen mit dem französischen Musiker und Theremin-Konstrukteur Thierry Frenkel  ein neues Modell, das technisch und optisch auf der Höhe der Zeit sein soll.

Aber auch anderweitig ist die Universalgelehrte in Sachen Theremin stets ungemein umtriebig. Social-Media-Kanäle bedient sie genauso virtuos wie ihr Instrument, ihr Kalender verzeichnet weltweit Auftritte mit Orchester, Solo oder mit ihrer Band, mit der sie auch eigene Werke spielt.

So hat sie etwa Kalevi Ahos Theremin-Konzert aus der Taufe gehoben und dafür einen Echo Klassik erhalten. Es gibt Einspielungen mit Kammermusik und, jüngst erschienen, eine Einspielung mit Improvisationen, die sie mit dem American Contemporary String Ensemble realisiert hat. Außerdem leitet sie jährlich stattfindende Theremin-Akademien in Colmar und Leipzig. Es gibt also genug zu tun in Sachen Theremin, und Carolina Eyck werkelt unermüdlich an der Erfolgsgeschichte dieses immer noch leicht exotischen Instrumentes.

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