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Starke Verbundenheit mit dem Geburtsland: Menahem Pressler. Foto: T. Kollmer
Starke Verbundenheit mit dem Geburtsland: Menahem Pressler. Foto: T. Kollmer
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Versöhnungsgeste als Ehre für Deutschland: Dem jüdischen Pianisten Menahem Pressler wurde die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen

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Die Deutschen vertrieben ihn, aber die deutsche Kultur war das, was er mit sich nahm, was seine Identität und später seinen Ruhm ausmachte. „Die Musik hat mich gerettet“, sagte Menahem Pressler über die ersten traumatischen Jahre in Palästina, Zufluchtsort nach dem Entkommen des 15-Jährigen aus der Geburtsstadt Magdeburg.

Stundenlanges Üben half gegen Angstzustände, ersetzte Heimat, Geborgenheit und Freunde. Heute noch, mit fast 89 Jahren, erscheint der große Pianist als ein Getriebener: Nach Auflösung des legendären Beaux Arts Trios, dessen Klang- und Kommunikationskultur er über 50 Jahre lang vom Flügel aus hütete, ist er noch immer unermüdlicher und gesuchter Professor an der Indiana University in Bloomington, sitzt in zahllosen Kammermusik-Jurys und baute sich in den letzten Jahren eine beachtliche Solo-Karriere auf.

Was kann einen von den Nazis ins Exil Getriebenen, dessen Verwandte in Auschwitz ermordet wurden, der in Israel und dann in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat fand, zur Wiederannahme der deutschen Staatsangehörigkeit bewegen? Vielen jüdischen Künstlern war es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr möglich, deutschen Boden auch nur zu betreten. Von amtlicher Seite her – Vertreter des Bundesverwaltungsamts, der amerikanischen und israelischen Botschaften – wurde man denn auch nicht müde, die großherzige Ges­te der Versöhnung des mit der Einbürgerung Geehrten gebührend hervorzuheben. Geehrt müsste sich eigentlich die Bundesrepublik Deutschland fühlen, hieß es. Hochrangigere Berliner Politiker fehlten übrigens bei dieser Feierstunde zur Überreichung der Urkunde im Deutschen Bundeshaus. 

„Es ist mir nicht gestattet zu verzeihen“, sagte Pressler in seiner Dankesrede, „denn ich habe die Nazi-Verbrechen nicht am eigenen Leib erlebt. Es ist mir aber auch nicht gestattet zu vergessen“. Dennoch betonte er die starke Verbundenheit mit seinem Geburtsland: Nie hatte er aufgehört, auf ausdrücklichen Wunsch seiner israelischen Frau mit der Familie Deutsch zu sprechen, und schon bald nach Kriegsende gab er wieder Konzerte auf deutschem Boden. Seine Gagen spendete er für soziale Projekte in Israel. Mit großer Dankbarkeit erinnerte er sich der warmherzigen Aufnahme, der Wertschätzung und Aufmerksamkeit in menschlicher wie künstlerischer Hinsicht, die ihm in Israel, aber auch in seinen beiden anderen „Heimaten“ entgegengebracht worden sei. Die heutige Bundesrepublik sieht er als „Freund, der fest an der Seite Israels steht“. Die „Welt von gestern“ bewahrt er sich in einer Sprache, wie sie – nach Worten des Freundes Kurt Masur – „nicht viele mehr sprechen“. Ein gewisser Lebensstil, den er noch vorzufinden meint, die Bekanntschaft mit wichtigen deutschen Musikern, die ihn prägten – das alles beschrieb Pressler als bedeutsame Bestandteile seiner Bindung an Deutschland. Er schätze sich glücklich, hob er hervor, jetzt eine Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen, die er damals unter traurigsten Umständen verloren habe. 

Demut und Menschenliebe zeichnen das Wesen dieses liebenswürdigen alten Herrn aus, der von sich behauptet, „immer nur Glück gehabt“ zu haben. Daniel Hope, zur letzten Besetzung des Beaux Arts Trios gehörig und seitdem familärer Freund Presslers, beschrieb dieses „Glück“ auch als Fähigkeit zu Humor und Selbstironie, die sich mit der „Macht des Faktischen“ nicht ohne weiteres abfindet: Die Odyssee durch den Dschungel der deutschen Bürokratie zur Erlangung der Einbürgerung verglich er mit einer wilden Jagd nach der korrekten Ticket-Registrierung auf dem Flughafen Tegel, bei der der Geiger den fußlahmen Pianisten, in einen Wintermantel und eine schwere russische Pelzmütze gepackt, im Gepäckwagen von Schalter zu Schalter kutschieren musste. Das mag nicht „typisch jüdisch“ sein und kennzeichnet dennoch einen Menschenschlag, der sich keine offene Auseinandersetzung mit seinen Oberen leisten konnte und dementsprechende Alternativen entwickeln musste. Lässt sich das auch musikalisch abbilden? Erwin Schulhoffs Duo für Violine und Violoncello interpretierte Hope mit Daniel Müller-Schott als Zeugnis eines hintersinnigen, wider den Stachel löckenden Humors. Die hohe Qualität der Musik, verbunden mit dem Schicksal des 1942 im KZ Wülzburg umgekommenen Komponisten, wies einmal mehr auf das Ausmaß des selbstverschuldet Verlorenen hin, das keine „Wiedergutmachung“, keine „Versöhnung“ in seiner damals lebendigen Form und kulturpolitischen Funktion zurückbringen kann – nur als Erinnerung und für die heutige Konzertpraxis wiederzubeleben.

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