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Philharmonisches Orchester Hagen. Foto: Fotostudio Schwarzenberger
Philharmonisches Orchester Hagen. Foto: Fotostudio Schwarzenberger
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„Komponist für Hagen“, ein Konzept mit Mehrwert
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Eigentlich ein Setting ganz nach dem Geschmack des Klassiklieb­habers: Aufgeschla­gener Klavierdeckel, gestimmtes Orchester, unter Applaus betreten Solist und Dirigent das Podium. Alles beisammen, alles bereit, so scheint es, für eine weitere Reproduktions-Großtat aus dem Fundus der sinfonischen Konzert­literatur. Dann kommt es doch anders. Wir sind in Hagen.

Und damit Zeuge einer bemerkenswerten konzertdramaturgischen Erweiterung: Eine, so viel muss man gleich dazu sagen, die nicht neu, die aber auch nicht unum­stritten ist unter Klassik-Kennern wie -Liebhabern hier in Hagen. „Nichts gegen zeit­genössische Musik“, lautet der Einwand, „aber muss es denn im Sinfoniekonzert sein?“ – „Ja, muss!“ sagt Florian Ludwig. Dafür, so der seit 2008 amtierende GMD, sei die Situation „zu dramatisch“.

Erstmals in der Geschichte der Musik werde das Zeitge­nössische „ausgeklammert“. Weswegen er die Bühne der Hagener Stadthalle denn auch jetzt, bei Gelegenheit des 8. Sinfonie­konzerts, zusammen mit Christoph Maria Wagner betritt. Letzterer ist als Komponist in diesem Fall auch der Solist des ange­kündigten „Klavierkonzerts“. Ein Werk, das seit seiner emphatisch umjubelten Urauf­führung 2001 in Haarlem mit dem Noordhollands Philharmonisch Orkest nun tatsächlich vor seiner deutschen Erstaufführung steht. In Hagen.

Ein Programmpunkt ganz im Sinne von Florian Ludwig, der zum Thema eine profilierte Position vertritt. Zumal jetzt, wo diese gepfefferte Zeitungskritik, in der von „Quak- und Furzgeräuschen“ die Rede war, von Vertrauensverlust „in die Programm­gestaltungsfähigkeit“, von „Angst“ unterm Publikum und Besucherschwund in Höhe von „mehreren Hundert“ und davon, dass das „Konzept des Komponisten für Hagen im Sinfoniekonzert nicht funktioniert“, mächtig Staub aufgewirbelt hat.

Wer dabei war, hörte unter Umständen anders. Zumindest was die laufende Spielzeit anging, war eigentlich alles da, was es so braucht für ein „funktionierendes“ Konzept „compo­ser in residence“ respektive des von Ludwig mit seinem Amtsantritt aus der Taufe gehobenen „Komponisten für Hagen“: Mit dem Philhamoni­schen Orchester und mit dem Philharmoni­schen Chor Hagen profilierte, in jedem Fall interessierte Ausführende, im Parkett ein weitgehend aufgeschlosse­nes Publikum und mit Christoph Maria Wagner ein Künstler wie er heute selten anzutreffen ist.

Als Komponist, Dirigent wie als konzertierender Pianist akkumuliert Wagner, Jahr­gang 1966, tatsächlich eine ganz singuläre Kompetenz­dichte. Ein Füllhorn, von dem er in Hagen reichlich ausgeteilt hat. So waren im Porträtkonzert der Kammermusik­werke der luzide Dirigent, in zwei Sinfoniekonzerten der virtuose Pianist zu erleben. Spürbar in jedem Moment das ambitio­nierte Kunstwollen. Eines, so Wagner über Wagner, das weggeht „von der Mitte der Straße“. Da ist die Orchestersuite aus der noch unaufgeführten Oper nach dem von George A. Romero verfilmten Zombieepos „Night of the Living Dead“, in der der Philharmonische Chor ums Publikum herum positioniert war und Windgeräusche produzierte. Und da ist das „Klavierkonzert“, mit dem der Künstler demonstriert hat, dass er eigentlich nicht bereit ist, sich von den erdrückenden Vorbildern der Gattung einschüchtern zu lassen. Dazu ein Werk, das mit seinem Bekenntnis zu „Melodie“ und motivischer Entwicklung im Kontext zeitgenössischer Musik erfrischend nonkonformistisch operiert. Hörbar gleich im unprätentiösen Beginn im Klavier. Fünf Töne, die auf schwacher Taktzeit einsetzen. Triole, zwei angehängte Achtel und eine wunderbar ausgehörte halbe Note, die das Drehmoment aufnimmt und angestaute Energie abführt. Einschwingen, Ausschwingen. Miles Davis, Thelonius Monk hätten ohne ein Wort darüber zu verlieren, angefangen über ein solches Thema zu improvisieren. Soviel steht fest.

Christoph Maria Wagner hat es aufgeschrieben. Herausgekommen ist eine knapp halbstündige, alles andere als „aus den Fingern“ geschöpfte Musik, die ihr Thema (gegen die Gepflogenheiten der Szene) fast klassisch variierend durchführt und in der Folge eine packende Hörgeschichte entwickelt, wenn sich das Orchester, zumal im Blech, bemerkbar macht, sich aufzulehnen scheint: Konzert noch einmal als Wettstreit aufgefasst. Wenn etwas zu kritisieren wäre, dann dies, dass das Kompakte, das Ekstatische dieses Klavierkonzerts noch nicht konsequent genug deutlich geworden ist, was sicher auch der schluckenden Akustik der Hagener Stadthalle geschuldet ist.  Nur war eben in jedem Fall klar, dass hier eine „authentische“ Handschrift vorliegt.

Für Florian Ludwig ist das tatsächlich das unabdingbare Kriterium, das ein „Komponist für Hagen“ mitbringen muss, weshalb er in der Vergangenheit einerseits vergleichsweise gut eingeführte Komponisten wie Gordon Kampe, Detlev Glanert, Moritz Eggert vorgestellt hat, andererseits aber auch einen katholisierenden Chorkomponisten wie Wolfram Buchenberg und mit Jon Lord den ehemaligen Keyboarder von „Deep Purple“.
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