Sie gehörte zu jenen Sängern, deren Lust am Experiment sich vor allem mit einem verband: mit Bühnenautorität. Was auch immer sie tat, es vermittelte sich wie ein Gesetz, konnte nur so und nicht anders sein. Mit Christina Ascher gab es keine Nebenrollen. Man konnte sich nicht entziehen, wie sie die Aufmerksamkeit im Saal lenkte, mit dem Zucken der Augenbraue, dem Rascheln des Kleids, dem Wenden des Notenblatts, das sie wie ein Operndrama zu inszenieren wusste. Nichts war Zufall an ihren Auftritten. Perfektion, das war ihre große Leidenschaft.
Auf der Bühne wie auch im Leben gehörte sie zu jenen Menschen, die sehr genau wussten, was sie nicht zulassen konnten und wollen, weil man es anders, besser machen konnte.
1944 mit jüdisch-indianischen Wurzeln in New York geboren, gehörte Christina Ascher schon bald zu jenen jungen Sängern an der Juilliard School of Music, die nicht nur sehr gut ausgebildet, sondern auch klüger und selbstbestimmter waren als andere. In den 70er-Jahren übersiedelte sie nach Deutschland, wo sie an den Theatern in Karlsruhe, Bonn, München und Graz als Mezzosopranistin engagiert war. In der Neuen Musik fand sie vor allem eines: mehr Raum für Partizipation.
Als kreative Mitdenkerin wurde sie zur geschätzten Interpretin von Luciano Berio, Adriana Hölszky, Luigi Dallapiccola oder Wolfgang Rihm, mit denen sie zusammenarbeitete. Auch Jüngere suchten ihre Nähe, man traf sich und ließ sich von ihrer markanten, derweil zum Kontra-Alt mutierenden Stimme und ihrer außergewöhnlichen Professionalität inspirieren. Über Jahre hinweg versammelte sie so einen Kreis von Musikern um sich. Dan Dediu, Violeta Dinescu, René Hirschfeld, Georg Nussbaumer und die Autorin hat sie dabei nachhaltig geprägt.
Der Freiberuf machte es ihr nicht immer einfach. 2008 entschied sie sich, nach New York zurückzukehren. Obgleich sie sehr gerne dort lebte, vermisste sie doch „die europäische Ernsthaftigkeit“ in den Werken, die ihr dort begegneten. In New York ist Christina Ascher nun nach langer, schwerer Krankheit am 27. März 2016 verstorben. „Ich stand nie wirklich dort, wo ich gerne gestanden hätte“, so erklärte sie noch kurz vor ihrem Tod, „aber ich habe die Komponisten weiter gebracht mit ihren Ideen. Vielleicht reicht das ja.“