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Dummheit begreift nicht, wir können nur versuchen, sie klein zu halten: Hans-Joachim Hespos. Foto: Andreas Nistler
Dummheit begreift nicht, wir können nur versuchen, sie klein zu halten: Hans-Joachim Hespos. Foto: Andreas Nistler
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Weiter, dass das Erstaunen nicht aufhört

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Zum siebzigsten Geburtstag von Hans-Joachim Hespos am 13. März 2008
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Was tun?
Weitermachen! (Weiter machen?)
Was machen?
Nicht bloß so tun!

Wagnis wagen, hinein in die Hellhörigkeit, gegen das Beharrende, das Faule im Denken und Sinnen.

„ja inhaltsschutt, oder wie jemand das nannte: die scheiße im kopf. so etwas interessiert kaum mehr, uns beschäftigen wirkungszusammenhänge. ... literaturoper, handlungsmusical, alte geschichten voller symbolik und staubiger requisite tendieren qualitativ etwa in richtung kultur-heino. heimatlieder vom ewigen gestern.“

Harte Worte, harte Werke. Die Leeren des Orchesters: starrStille, weite Stille, weiche Stille, entspannend leise, warten hörend warten, pause, absprachen, stumm angedeutetes „üben“, abbruch. Plötzlich: knack, platz, buffung. So in voids, ein stückNichtstück für Orchester. Ein Lehrstück.

Das Einüben Neuer Musik raubt dem Orchester wertvolle Probezeit. Was raubt ihm Beethoven??

Was sagen Sie einem Fußballfan, wenn er ein Spiel sehen möchte, aber stattdessen Hespos kommt? Ich würde sagen, dass jetzt Hespos kommt! Wer kann das wagen gegen die Mehrheit? Die Minderheit?

Immerhin: häufig Zünglein an der Waage. Das Züngeln des Wagens. Wagefroh.

Keine Kompromisse! Immerhin: Jedes Individuum ist eine Minderheit. „ich habe immer gemacht, was eigentlich nicht geht. und dann geht es doch.“ Das ist nicht vermittelbar! Wie schön ist doch das Unvermittelte!

Die Akzeptanz? Wir können den Begriff als Ausrede nicht akzeptieren.

Aber Haydn, aber Mozart? Sie sollten zum schlechten Gewissen der maroden Gegenwart werden. Fritz Buschs Figaro in Glyndebourne 1934! Da rappelten die Köpfe und das Muffige, ewig Gestrige dankte ab. Ob’s die Nazis begriffen? Dummheit begreift nicht, wir können nur versuchen, sie klein zu halten.

Letzte Taten, sagen wir (wagen wir) fünf Jahre – ein Sammelsurium der umgestürzten Begriffe:

bulra für (großes) Streichorchester
tambal für Zymbal
casoleia, unverläufe für E-Gitarre, begleitet von Tonbandzuspielungen
f r a m e, concept
olax, eine kür für Neue Vocalsolisten Stuttgart: Sopran, Mezzosopran, Altus, Tenor, Bariton, Bass
õ ing – klaffende leere für Schlagspieler und Materialsack
brans für Jaulke (Ulrike Brenning), Maul-Ketten-Mann (Mateng Pollkläsener), hoher Tenor/tiefer Bass (Graham F. Valentine), Harfe (Eva Pressl), Schlagzeugender (Ulrik Spies), Tape (E-Studio der AdK Berlin)
YUKO POEM1 für den Sopran Yuko Kakuta und das Ensemble Interzone perceptible (elektrifiziertes Akkordeon, E-Bass fretless) und elektroAkustische Wandler
v o i d s, stückNichtstück für orchester:
2, 2, 2, Bassklarinette, 2, Kontrafagott – 2, 2, 3, 1 – Harfe, Pianoforte, Pauke, 2 Percussionisten – Streicher
chillidas für 6 Posaunen: Sopran, Alt, 2 Tenor, TenorBass, BasskontraBass (Modell Kunitz)
s e i d e für Sinfonietta: 1, 1, 2, 1 – 2, 1, 0, 0 – große Trommel – 1, 1, 1, 1, 1 mimac für 1–3 Trumscheite
coriAnder, liederliches für frauenchor: swingAtem – zerrastert – gestarrtes nichts – sirreal – passagen-brüche – echoi – verklappt zu stille ganTárog für Tárogató
psallo für Cimbalom und Orchester: 2 (auch 1 Pikkoloflöte), 2 (auch 1 Englischhorn), 3 Klarinetten (je 1 in es, b, Bass), Tárogató, 2, 1 Kontrafagott – 2 Hörner, 2 Trompeten in c, 1 Tenorposaune, 1 TenorBassposaune, Tuba – 1 Pauke in E, 1 Perkussion – Streicher
prigaSchall für Solovioline, c-Trompete, TenorBassposaune, Pianoforte, Pauke in Es, Percussion, Violoncello, E-Bass

Begriffe wie Schmetterlinge! Deren Flügelschlag, so weiß es das Chaos, einen Orkan auslösen kann. Der Funke und der Steppenbrand. (Aber das ist doch, so glaubt man in wissenschaftlicher Runde, immer wieder auch eine Spur onomatopoetisch!? – Oh ihr vom Schein Ge- und Verbildeten! Benennen könnt ihr, begreifen jedoch nicht!)
Wie soll das weitergehen? Einfach immer weiter!

Vielleicht ins Offene, vielleicht ins Unbehauste? Der Wind pfeift uns durch die Ohren und bläst das Hirn sauber. Aber wir sind auf Fahrt! Stillstand ist Rückschritt, meint der Kapitalismus. Aber er weiß nicht, wo vorne ist. Die Kunst auch nicht, aber sie sucht. Dort wo sie nicht sucht, kann sie ihre Entlassungspapiere einreichen.

Wo sucht sie?
Überall!
Ich sehe keinen Weg mehr voran!
Nur Blinde können das sagen. Oder die, die immer nach hinten blicken. Oder die Satten, die nicht über den Horizont ihres Bauches blicken können/wollen.
Wo ist das Neue?
Überall wo du suchst!
Der Urknall – Musik!
Der Doppler-Effekt, die Rotverschiebung – Musik!
Schwarze Löcher – Musik!
Die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung – Musik!
Antimaterie – Musik!
Schwarze Materie – Musik!
Wenn du so viele Lichtjahre weit blicken könntest, wie das All alt ist, du würdest, in welche Richtung auch immer schauend, auf einen Punkt blicken: auf den des Ursprungs – Musik!
Die Desoxyribonucleinsäure – Musik!
Dolly, das Schaf – Musik!
Der tendenzielle Fall der Profitrate – Musik!
World Wide Web – Musik!
Hyperlinks – Musik!
Die Klimakatastrophe – Musik!
Der Terror von oben, der Terror von unten – Musik!
Die Lügen von Freedom and Democracy – Musik!
Humanismus, der immer wieder eingeschüchterte – Musik!
Widerstand und seine Ästhetik – Musik!
Noch mehr? Immer weitermachen! Sich immer ins Weite machen!
Wer kennt sich da noch aus?
Die Gewerkschaft? Oh die Gewerkschaft! Mit dem Blick der Stechuhr, dem Münzenzählen des Klingelbeutelträgers und den Paragraphen der Verwaltungs-(Vergewaltigungs-?)Bürokratie.
verschlattert – steht nicht im Vertrag!
grob knarrbrüllende dröhnung – steht nicht im Vertrag!
kippschnarrend – steht nicht im Vertrag!
intensiver energiestrom von knackdeutlicher transparenz – steht nicht im Vertrag!
pausendurchsetzte, vielfältige rauschknautschspuren – stehen nicht im Vertrag!
extrem fratzig – steht nicht im Vertrag!
aufrissgeschreck – steht nicht im Vertrag!
Kunst? – steht nicht im Vertrag!
Hespos? – steht nicht im Vertrag!
Zum Doppeltiefsinn zerwirkte Worte gegen die Sinnlichkeitsseichte.
Unser Kunstbetrieb? Ein Phantasieverhinderungsbetrieb.
Unsere Kunstkritik? Eine Kunstbeschneidung, ratzekahl.
Unsere Medien? – Ja, was nun? – Es fehlen die Worte.
Was also tun?
„ weiter machen. – oder wie adorno es gesagt hat: dinge tun, von denen wir nicht wissen, was sie sind. wir wissen nicht, welchen sinn das alles hat. wir müssen es einfach weiter machen. in der hoffnung, dass neugierde nicht stirbt und dass das erstaunen nicht aufhört.“

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