Er ist ein Garant für erfolgreiche Verjüngungskuren. Jedenfalls hat Kevin John Edusei die Münchner Symphoniker grundlegend erneuert und zeitgemäß aufgestellt. Als Chefdirigent konnte der gebürtige Bielefelder seit 2014 nicht nur wichtige Positionen im Orchester neu besetzen oder bei Gastdirigenten und Solisten verstärkt auf junge Kräfte setzen. Vielmehr ist ihm zugleich eine klare interpretatorische und programmatische Positionierung gelungen.
Hierzu setzt Edusei auch auf die Moderne und das zeitgenössische Repertoire, erforscht weniger bekannte Werke aus der Vergangenheit oder Bekanntes in ungewöhnlichen Bearbeitungen und befragt das Erbe oftmals historisch informiert. Das alles wird zu dramaturgisch konzisen Diskursen geschnürt. Woher er das hat, verrät ein rascher Blick in seine Vita. Von Komponisten und Dirigenten wie Pierre Boulez oder Peter Eötvös hat sich Edusei ausbilden lassen, auch im Rahmen der „Lucerne Festival Academy“ in der Schweiz.
Weitere Inspirationen empfing Edusei von hellhörigen Musikern wie David Zinman oder Sylvain Cambreling. Seitdem er in München wirkt, hat Edusei bereits einige Weichen neu gestellt: Frühzeitig hat er nicht zuletzt veranlasst, dass die Symphoniker nun auch Barockposaunen im Bestand haben, und die Barockpauken werden mit Naturfellen bezogen – was ihren Klang markanter und griffiger macht. Zwar wurden schon vor 2014 bei den Münchner Symphonikern Naturhörner und Barocktrompeten eingeführt, aber: Edusei zieht daraus interpretatorisch deutliche Konsequenzen.
In Laufe der Jahre hat es Edusei geschafft, den Klangkörper zu entschlacken – in Artikulation und Phrasierung sowie dank insgesamt strafferer, fließender Tempi. An die Stelle eines vormals bisweilen mehr romantisierenden Ideals ist eine klangliche Transparenz und Luzidität getreten. Andererseits kann es unter Edusei vorkommen, dass aus Stille und Umkehr Bernd Alois Zimmermanns – eine Orchesterskizze aus dem Jahr 1970, kurz vor dem Suizid des Komponisten entstanden – „attacca“ das Violinkonzert von Johannes Brahms erwächst.
Die „Unvollendete“ D 759 von Franz Schubert wurde hingegen bereits in einer Vervollständigung von Mario Venzago aufgeführt. Beim orchestereigenen Label liegt eine Einspielung von dieser Fassung vor (Sony Music 273). Für diese programmatisch-interpretatorische Offenheit und Flexibilität steht auch das Gros der Gastdirigenten, die bei den Münchner Symphonikern wirken. Das gilt allen voran für Ken-David Masur, der seit 2011 als Erster Gastdirigent firmiert.
Als Sohn von Kurt Masur ist er frühzeitig zum Dirigieren gekommen, um sich zugleich bei Thomas Quasthoff ebenso als Sänger ausbilden zu lassen. Das große vokal-symphonische Repertoire ist demzufolge eine ganz besondere Spezialität des gebürtigen Leipzigers. Zu den Lehrmeistern Masurs zählt überdies Helmuth Rilling, bekanntermaßen ein gewichtiger „Grandseigneur“ für Kirchen- und Vokalmusik. Mit seinen Weichenstellungen hat Edusei nicht nur die Symphoniker beträchtlich vorangebracht, sondern setzt zugleich eigene Akzente in der Orchestermetropole München.
An der Isar wie auch seit 2015 am „Konzert Theater“ im schweizerischen Bern, lässt sich zurecht schon jetzt von einer starken Ära sprechen, und dies trotz einiger Tücken und Schwierigkeiten. So hatte zuletzt die Stadtsparkasse München angekündigt, ihr Engagement schrittweise zurückzufahren: von vormals jährlich 450.000 Euro auf null ab 2019. Als 2004 der Münchner Stadtrat die Förderung des Orchesters gestoppt hatte, sprang das Bankinstitut ein und rettete das Ensemble vor dem Aus. Jetzt läuft es umgekehrt: Die Stadt ist wieder dabei. Überdies sind die Münchner Symphoniker Teil des Förderprogramms „Exzellente Orchesterlandschaft“ des Bundes. Der Startschuss fiel zu Beginn der letzten Saison 2017/18. Der aktuelle Vertrag von Edusei an der Isar läuft 2022 aus. Eines steht bereits fest: Unter Edusei hat sich der Klangkörper in München unverzichtbar gemacht.