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Zwischen Tradition und Experiment

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Der Schlagzeuger Peter Sadlo läßt Musik nicht zur Routine werden
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Mit seinen sinfonischen Paukenschlägen bei den Münchner Philharmonikern ist Peter Sadlo seit über 15 Jahren beim Publikum auf wache Ohren gestoßen. Spätestens seit seinem 1. Preis beim renommierten Internationalen Musikwettbewerb der ARD 1985 gehört der Schlagzeuger zu den unumstrittenen Sternen seiner Zunft. Mit Schlegel und Stäbchen zwischen Marimba- und Vibraphon, Trommeln, Becken, Gong und Ratsche, sorgt Peter Sadlo mit hochvirtuosen Interpretationen bekannter und selten zu hörender Schlagzeugliteratur im Rahmen solistischer Auftritte und zahlreicher CD-Einspielungen für Aufsehen. Was sich dem Konzertpublikum auf der Bühne häufig als akrobatisches Schauspiel präsentiert, mag auch beim bloßen Hören durch ungewöhnliche Klangerlebnisse feinnerviger wie gewitterähnlicher Schlagkapriolen bestechen. Die Musikkritik feiert Peter Sadlo als einen „Hexenmeister seiner Zunft“, einen „Schlagzeuger der Superlative“ und lobt den sehr kalkulierten Umgang mit seinem Werkzeug. Dieses Werkzeug meint ein Kombinationsinstrumentarium unterschiedlicher Schlag- und Effektinstrumente, im internationalen Sprachgebrauch auch Percussion genannt. Der gebürtige Nürnberger Peter Sadlo, Jahrgang 1962, gehört zu den erfolgreichsten Schlagzeuginterpreten der Gegenwart, und seine Vita läßt keinen Moment einer sogenannten Bilderbuchkarriere aus. Erste Anzeichen einer ungewöhnlichen Begabung wurden bereits an Mutters Kochtöpfen entdeckt, die Sadlo als Kleinkind nach Tonhöhen ordnete. Im örtlichen Spielmannszug überzeugte er mit seinen Trommelschlägen, ehe Sadlo im Alter von zwölf Jahren dann mit dem klassischen Schlagzeugstudium am Meistersingerkonservatorium in Nürnberg begann. Später wechselte er an die Musikhochschule nach Würzburg zu Siegfried Fink, einem Meister des klassischen Schlagzeugs. Als Gewinner zahlreicher Preise und Auszeichnungen im Rahmen internationaler Musikwettbewerbe sorgte Sadlo zunehmend für Schlagzeilen. 1982 kam er schließlich als Solo-Pauker zu den Münchener Philharmonikern unter ihrem damaligen künstlerischen Leiter Sergiu Celibidache. Seit 1986 hat er sich vom Orchesterbetrieb distanziert und konzentriert sich seitdem auf solistische Programme sowie die kammermusikalische Zusammenarbeit, unter anderem mit Martha Agerich, Heinrich Schiff und Gidon Kremer, Musiker, die Sadlo nach eigenen Aussagen Horizonte eröffnet haben. Gerade Gidon Kremers musikalische Arbeit dient Sadlo immer wieder als großes Vorbild, denn „er habe ihm neue Dimensionen kammermusikalischer Aspekte vermittelt und damit Musik nie zur Routine werden lassen“. Abgesehen von der Tatsache, daß in den letzten 25 Jahren die Bedeutung des Schlagzeugs im Orchester zunehmend gewonnen hat, hat Sadlo die Orchesterpraxis in keinem Moment als bloße Beschränkung auf ostinate Figuren, exponierte Paukenschläge oder atmosphärische Kolorierung empfunden. Im Vordergrund stand für ihn „die geistige und körperliche Konzentration auf einen Klangraum, in dem ein Einsatz genau zu plazieren ist“. Seit vielen Jahren unterrichet Peter Sadlo an der Münchner Musikhochschule sowie am Mozarteum in Salzburg. Etwa 100 Instrumente sollte man als ausgebildeter Percussionist heute „bedienen“ können, und ein Großteil der kammermusikalischen wie solistischen Schlagzeugliteratur verlangt je nach Komponist unterschiedlichste Instrumentenkombinationen (auch set-up genannt). Vor diesem Hintergrund versucht Peter Sadlo seinen Studenten den jeweils spezifischen Gebrauch mit einem Instrument zu vermitteln, wobei er neben dem Erarbeiten von Schlagtechniken auf die Entwicklung eines sicheren Gefühls im Umgang mit Klängen setzt. Die Realisierung von Kompositionen für solistisches Schlagzeug stellt für ihn zunächst eine rein logistische Herausforderung dar, denn „aus der Partitur erschließt sich meist eine bestimmte räumliche Anordnung der einzelnen Instrumente, und die musikalische Umsetzung bedarf neben der spieltechnischen Organisation von Schlegel- und Instrumentenwechsel akribischer Vorarbeit für das Entschlüsseln der Notation.“ Für Sadlo bedeutet das Umsetzten der komponistenspezifischen Notensprache auf das Instrumentarium gründliche Vorarbeit am häuslichen Schreibtisch. Wie bei kaum einem anderen Instrument beeindruckt die Körpersprache der Schlagzeuger auf dem Konzertpodium. Hinter solchen showartigen Auftritten verbergen sich unzählige Bewegungsabläufe zwischen den einzelnen Instrumenten, die mit einstudiert werden müssen, ebenso wie jeder Instrumenten- und Schlegelwechsel, der genau und homogen abgestimmt werden muß. Die jüngere Schlagzeugliteratur läßt dem Interpreten viele Spielräume der musikalischen Gestaltung, wobei Sadlo primär das häufige Ineinandergreifen von Tradition und Experiment reizt, schließlich „gibt es viele Möglich-keiten, mit dem Instrumentarium zu experimentieren, solange man ein Gespür für die jeweilige Partitur entwickelt, die sich in der Sprache des Komponisten bewegen sollte“. Die allgemeine Akzeptanz des Schlagzeugs hat sich im Gegensatz zu außereuropäischen Ländern in unseren Breitengraden noch lange nicht durchgesetzt, und trotz der scheinbar unbegrenzten Ausdrucksmöglichkeiten des Instrumentariums sind nach Sadlos Ansicht die Komponisten gefordert, das Repertoire zu erweitern: „Béla Bartòk, Darius Milhaud, Karlheinz Stockhausen, Iannis Xenakis, Edgar Varèse oder Berthold Hummel haben musikalisch anspruchsvolle Literatur geschaffen, zuweilen stößt man sogar an spieltechnische Grenzen, doch damit ist erst ein Anfang gemacht.“ Noch immer wird das Schlagzeug für den klassischen Konzertbetrieb entdeckt, doch ohne ausreichende Originalliteratur sieht sich Sadlo vor die Aufgabe gestellt, auf Transkriptionen älterer Musik zurückzugreifen. Gerade die Stabspiele wie Marimba- und Vibraphon bieten mit ihrem klaviaturähnlichen Aufbau und einem Tonumfang von bis zu acht Oktaven entsprechende Möglichkeiten, Kompositionen zu bearbeiten. Mit dieser Interpretationsform hat Sadlo für sich eine Möglichkeit entdeckt, sich in vielen stilistischen Bereichen zu bewegen, die ihm für seine persönliche musikalische Entwicklung wichtig sind. Literatur für Schlagzeug, ob mit oder ohne Orchester, „beschränkt sich weit-gehend auf zeitgenössische Musik“, und diese versteht Peter Sadlo als „Sprache unserer Zeit, für die es gilt, Lanzen zu brechen“. Hier fühlt sich der Musiker als Vermittler zwischen Interpret und Publikum angesprochen. Sein Ziel ist die Popularisierung des Schlagzeugs sowie die „langfristige Entwicklung einer Interpretationskultur, die dem Hörer Orientierungshilfen gibt und das Publikum nicht verschreckt“. Auswahldiskographie Classic Percussion; Koch Classics, 310 141 H1 Marimbissimo; Koch Classics, 3-1410-2H1 Nexus Meets Sadlo; Koch Classics, 3-1557-2H1 Percussion in Concert; Koch Classics, 364 152 Percussion in Concert 2; Koch Classics, 3-1811-2 Sinfonie Concertanti; Koch Classics, 3-1125-2H1 Kremeratat Musica; Deutsche Grammophon, 449 966-2 Peter Sadlo & Ensemble spielen Werke von Bertold Hummel; Thorofon Classics, CTH 2233

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