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Ken David Masur

Ken David Masur tritt in die Fußstapfen seines Vaters

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«Riesenfreude» am Dirigieren: Sohn von Kurt Masur wird Star in den USA

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Mit Kurt Masur ist einer der berühmtesten Dirigenten der Musikgeschichte sein Vater, ihn selbst zog es eigentlich nicht ans Pult. Doch jetzt wird auch Ken-David Masur in den USA zum Dirigenten-Star.

New York - Eigentlich hatte Ken-David Masur nie vor, es seinem Vater gleichzutun. «Die Freude des Musizierens als Dirigent auf dem Podium musste ich erst entdecken», sagt der 1977 geborene Sohn von Kurt Masur, der zu den herausragenden Dirigenten der Musikgeschichte gezählt wird.

«Dass ich meine erste Probe dirigiert habe, das kam so, dass ich an der Columbia Universität in New York studiert habe - auch absichtlich nicht Musik - und irgendwann kam jemand in der Mensa zu mir und hat gesagt: «Du, wir machen eine Oper und ich habe gehört, du bist Musiker. Du kannst das doch sicher. Dein Vater, der dirigiert.»» Er habe mehrfach abgelehnt und beteuert, dass er keine Ahnung vom Dirigieren habe, aber sei immer wieder gebeten worden, erinnert sich Masur. «Und dann habe ich gesagt: «Okay, fein, eine Probe und danach sucht ihr euch jemand anderen.» Und nach der einen Probe war ich süchtig. Dass das so eine Riesenfreude ist, das hätte ich nicht gedacht.»

«Scharfe musikalische Intelligenz»

Inzwischen hat es Masur selbst zum renommierten Dirigenten geschafft. Unter anderem hat er schon in Japan, Frankreich, an verschiedenen Orten der USA und bei den Münchner Symphonikern gearbeitet. Derzeit leitet er das Milwaukee Symphony Orchestra und das Chicago Symphony Orchestra im Mittleren Westen der USA. Für den Saisonauftakt ist er im September außerdem für Gastdirigentenauftritte bei den New Yorker Philharmonikern angekündigt, die ihn auf ihrer Webseite für seine «scharfe musikalische Intelligenz, fantasievollen Programmkünste und unverkennbares Charisma» rühmen.

Gemeinsam mit seiner Frau, der Pianistin Melinda Lee Masur, hat er in der Millionenmetropole zudem das Chelsea Music Festival ins Leben gerufen, das ab dem 21. Juni schon zum 15. Mal über die Bühne gehen soll. «Das war eine Schnapsidee. Melinda und ich hatten so viele Freunde in verschiedenen kreativen Genres und haben gedacht, die Musik und auch die Kulturwelt ist einfach so geteilt, wir sollten ein Festival in New York zusammenkriegen, wo sich alle treffen können und wo wir einfach Party machen und dazu auch ein Publikum einladen» Experimentelle Kammermusik und kleine Orchester an ungewöhnlichen Orten, dazu Köche und Künstler aus anderen Bereichen. «Das ist jedes Jahr eine unheimliche Gaudi», sagt Masur. «Wir hätten auch nicht erwartet, dass ein Festival in New York mit dieser Idee so lange bestehen kann. Aber wir haben Spaß gehabt daran bisher. Und wir haben eine sehr treue Fanbase.»

Masur selbst begann mit der Geige - wie seine Mutter, die japanische Sopranistin, Geigerin und Bratschistin Tomoko Sakurai, der dritten Ehefrau des 2015 verstorbenen Kurt Masur, die dieser bei einem Gastdirigentenauftritt in Brasilien kennengelernt hatte. «Ich habe die Geige geliebt. Meine Mutter hat mir das oft erzählt, dass ich bei jeder Gelegenheit, ob auf Reisen oder am Flughafen, dass ich dann in der Warteschlange bei der Einreise oder beim Zoll immer meine Geige rausgeholt habe und angefangen habe, für Leute zu spielen. Also ich hatte da irgendwie in dem Alter keine Scheu und habe das sehr gemocht.» Dann aber habe er in seiner Geburtsstadt Leipzig Unterricht bei «wohl einem der angesehensten, aber auch einem der strengsten Geigenlehrer» bekommen und «irgendwann keine Lust mehr» gehabt. «Was natürlich auch so ein bisschen für Traurigkeit bei meinen Eltern gesorgt hat.»

«Mein Vater hat mich da nie gedrängt»

Später kamen Schlagzeug, Trompete, Klavier und sogar eine Rockband - bis es ihn dann doch wie seinen Vater ans Dirigentenpult zog. «Das kam wirklich ganz langsam. Irgendwann habe ich bemerkt, ich kann ohne Musik nicht leben und ich möchte auch was bewegen. Mein Vater hat mich da nie gedrängt. Er hat da wirklich ganz vorsichtig immer nur ermutigende Worte gefunden. Und da bin ich sehr dankbar dafür.»

Vater Kurt Masur war nach Stationen in Schwerin, Berlin und Dresden von 1970 bis 1996 Gewandhauskapellmeister in Leipzig, wo auch Sohn Ken-David im Kinderchor sang. «Eigentlich habe ich es als Kind eher abwertend betrachtet, dass mein Vater manchmal sechs bis sieben Monate im Jahr verreist war. Ich habe ihn dann auch mal «Onkel Papa» genannt und da war er ganz erschüttert davon. Also weil ich ihn dann auch vermisst habe, als ich noch sehr jung war. Aber als ich ihn dann auch öfter gesehen habe, als ich selber bei Proben war im Gewandhaus im Kinderchor, da habe ich natürlich mitbekommen, wie sehr er als Gewandhauskapellmeister geachtet war.»

Auch das politische Engagement und die zentrale Rolle des Vaters bei der Friedlichen Revolution 1989 bekommt der Sohn mit. «Das habe ich schon in Leipzig mitbekommen, was für einen Respekt er bekommen hat, eine Art Vertrauensvotum. Und er hat es dann auch irgendwie geschafft, dieses Vertrauen für etwas Gutes zu verwenden. Ich habe das in Leipzig mitbekommen und dann besonders auf Reisen, wenn wir zum Beispiel nach Japan oder in die USA gegangen sind, wie sehr ihn Leute verehrt haben.»

In der Herangehensweise an die Arbeit seien er und sein Vater, mit dem er in dessen letzten Lebensjahren sehr viel Zeit verbracht und auch zusammengearbeitet habe, sich sehr ähnlich. «Ich spüre ihn besonders in Werken, die ich selber jetzt dirigiere, die ich mit ihm in Verbindung bringe», sagt Masur. «Und womit ich auch aufgewachsen bin, ist, dass wir wirklich Diener sind der Musik. Wir sind Diener der Menschen, mithilfe der Musik den Dialog zu finden, um den Frieden aufzusuchen, um ins Gespräch zu kommen. Er sagte immer: Dass die Menschen, die wir in den Konzertsaal hineinbekommen, wenigstens für zwei Stunden Weltfrieden erfahren dürfen.»

Zuhause in Milwaukee

1991 wurde Kurt Masur Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker - und Ken-David lebt als Teenager auf einmal in der amerikanischen Millionenmetropole. Heute werde er häufig als «in Deutschland geborener japanisch-amerikanischer Dirigent» vorgestellt, sagt Masur - und seine Identität liege wohl tatsächlich genau irgendwo dazwischen. «Ich glaube, ich bin immer noch auf der Suche.»

In den USA ist Ken-David Masur geblieben - und in Milwaukee habe er sich «sofort zu Hause» gefühlt, sagt der Dirigent. «Weil ich da viele Parallelen gesehen habe, auch mit meiner Heimatstadt in Leipzig. Es hat eine ähnliche Größe, es gibt eine Straßenbahn, es gibt viel deutsches Essen.» Das Leben mit drei Kindern so ungefähr im Teenageralter, einem Hund und Hühnern sei «recht chaotisch, dynamisch und energisch» und habe an Musik alles «von Taylor Swift bis Michael Jackson über Stevie Wonder und alle Jazzgrößen wie Duke Ellington bis hin natürlich zur Klassik». Seine älteste Tochter spiele auch schon sehr gut Geige und er spreche mit seinen Kindern ausschließlich Deutsch. «Und sie müssen auch mit dem Sprachassistenten Alexa ausschließlich Deutsch sprechen, wenn sie was zurückhaben wollen.»

Wenn es um die Zukunft gehe, halte er sich ebenfalls an einen Ratschlag seines Vaters, der ihm immer gesagt habe: «Das, was du als Aufgabe im Moment geschenkt bekommst, das solltest du als Hauptaufgabe ansehen.» Er genieße die Zeit in Milwaukee und freue sich über die Möglichkeiten dort, sagt Ken-David Masur.  «Und ich möchte einfach das Beste geben, bevor vielleicht irgendwann meine Zeit hier auch zu Ende geht. Und dann? Ich vertraue komplett darauf, dass sich dann irgendwie etwas wieder entwickeln wird, irgendeine neue Aufgabe. Weil ich immer das Vertrauen habe auf den Moment und die Musiker, dass wir alles geben, um das rauszuholen, was uns Freude gibt in dem Augenblick.»

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