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Zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren konnte in Heiligenberg, das am Rande der oberschwäbischen Barockstraße nördlich des Bodensees liegt, eine „Musikwoche“ abgehalten werden, die unter dem Titel „Neuer Klang auf neuen Instrumenten“ mit dem Hinweis „Musik der Stille“ stand. Viele Sponsoren, wie das Regierungspräsidium Tübingen oder der Deutsche Musikrat, förderten die Initiatoren.
Geigenbaumeister Arthur Bay (Heiligenberg/Konstanz) kreierte zusammen mit Orgelbaumeister Peter Kraul (Herdwangen) und dem Cellisten Bernhard Rißmann (Überlingen) diese Musikwochen, die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit darstellen wollen, die sich auf Instrumentenbau, Tonbildung und neue Kompositionen konzentrieren. Unter den Komponisten sind Michael Denhoff (Bonn), Stefan Müller (Schaffhausen, CH), Markus Munzer-Dorn (Karlsruhe), Peter Michael Riehm (Karlsruhe) und Stefan Werren (Bern, CH) sowie Heiner Ruland (Öschelbronn bei Pforzheim). Die interpretierenden Instrumentalisten fanden sich aus München, Bonn, Stuttgart, Überlingen, Karlsruhe und aus den Schweizer Orten Basel, Gempen, Schaffhausen zusammen. Auch die Zuhörer reisten aus dem weiteren Umkreis und der Schweiz an. Ganz entscheidend für den Klangcharakter ist die gestimmte Tonhöhe mit nicht mehr als 432 Schwingungen. Hierzu ist zu betonen, daß man vom „überspitzten“ Mikrophonklang weg will. Die Klangfärbung der Streichinstrumente von Arthur Bay tendiert ausgesprochen zum weicheren runden Ton hin, der den „Raum um den Ton“ anders erfüllt als die engeren Schwingungen hoher Schwingungszahlen. Selbst die Diskant-Geige mit den Saiten d’ a’ e“ h“, die ganz aus Kirschholz gearbeitet ist, verbreitet keine Schärfe im Saal. Die l. Geige ganz aus Ulmenholz und die 2. Geige ganz aus Birkenholz sind in der üblichen Besaitung, vermitteln aber auch keine Klangfärbungen, die zum Beispiel zu paganinihafter Virtuosität passen. Die Bratsche ganz aus Esche gebaut hat die traditionelle Besaitung. Ein Tenorcello aus Eiche hat die Stimmung G d a e’, das Violoncello aus Ahorn ist wie üblich gestimmt, und der Kontrabaß aus Hainbuche ist fünfsaitig mit H“ E’ A’ D G. Zu Gehör kam ein Streichquartett, das aus den Hölzern Ahorn, Kirsche, Birke und Esche gebaut worden war. Hier ist leider nicht auszuführen, welche Änderungen des Stimmstockes und des „Baßbalkens“ im Innern der Instrumente vollzogen wurden. Eine weitere Neuheit ist die „Campanula“ von Helmut Bleffert. Das celloartige Instrument hat einen geschmeidigen, aber nicht sehr kräftigen Klang, der durch seine Wärme besticht. Also auch ein Klang, der durchaus Geläufigkeit möglich macht, aber nicht zu Effekthascherei paßt. Als weitere Streichinstrumente wurden die „Mendler-Geige“ von Rudolf Mendler aus Ulm an der Donau vorgestellt und eine „Suschka“ von Karlwalter Schmidt aus Lindau. Schmidt meinte, ein Streichinstrument zu bauen, das sich in seiner Tonstärke besonders gut für solistische Aufgaben des Streichers mit Orchester eignet. Der seltsame Körperbau wird diese Hoffnung aber wohl zunichte machen. Große Aufmerksamkeit verdient das „Klavikantal“ von Peter Kraul. Es ist eine Weiterentwicklung des Cembalo. Der Klangumfang umfaßt die Töne von F’ bis f’’’ und ist auf den Kammerton c’= 256 Hz gestimmt, das heißt a’=432 Hz. So entsteht durch die Größe des Resonanzbodens, die wie die eines Konzertflügels ist, und die niedere Hz-Stimmung ein sehr voller Ton. Die zweite Besonderheit des Klavikantals ist die, daß eine zweite Tastatur eingesetzt werden kann, die es ermöglicht, Vierteltöne zu spielen. Hier läßt Alois Haba (1893 – 1973) aus Prag grüßen. Heiner Ruland geht diesen Weg mit seinen Kompositionen.