Es gibt trockene Themen und spannende. Der Wert von Kreativität gehört nicht zu denen, die die Menschen vom Hocker reißen. Das macht auch nichts, das Thema ist für Effekthascherei nicht geeignet und findet auch deswegen keinen Eingang in die Talkshows, die das Fernsehprogramm voll machen.
Trotzdem lohnt es sich, einen Augenblick darüber nachzudenken, welchen Wert, und auch welchen Stellenwert, Kreativität in Deutschland hat. Schließlich werden doch „kreative Köpfe” gesucht, wie uns Personalberater immer wieder versichern, in Zeiten eines schwachen Arbeitsmarktes eher noch mehr als früher. Haben wir da was verpasst?
Kreativ sein kann in Deutschland jeder, nur das Gebiet, in dem die jeweilige Kreativität sich ausdrückt, und das Maß dieser Kreativität sind unterschiedlich. Mit technischer Kreativität verbinden wir schnell das Beantragen von Patenten. Damit ist das kreative Ergebnis geschützt und kann ausgewertet werden. Aber wer schützt eigentlich das Ergebnis künstlerischer Kreativität?
Die Antwort fällt leicht: das Urheberrecht. Ebenso wie Patente für Erfinder schützten Urheberrechte geistige Schöpfungen, also Werke. Ganz selbstverständlich haben Komponisten und Schriftsteller, Maler und Bildhauer, aber auch Architekten und Filmregisseure, Rechte an ihren Werken und Verwerter, die in die Veröffentlichung dieser Werke viel Geld investieren, auch: zum Beispiel Musikfirmen und Filmproduzenten. Und auf der Basis des durch Urheberrecht geschützten Werkes kann man damit auch Geld verdienen. Ein Film darf im Fernsehen nur ausgestrahlt werden, wenn die Sender vorher die Rechte eingeholt (und also dafür in aller Regel auch bezahlt) haben. Das Sendeprivileg gestattet Rundfunkanstalten die Sendung von Musik ohne vorherige Einholung der Rechte, aber gegen anschließende Vergütung. Und ein Verlag, der das Buch eines Autors ohne dessen Genehmigung druckt, bekommt ganz schnell eine einstweilige Verfügung.
Warum ist der Schutz kreativer Leistungen eigentlich so wichtig? Haben die Gegner nicht Recht, wenn sie behaupten, alle Schöpfungen sollten frei sein, zum Beispiel auch im Internet? – Nein, sie haben nicht Recht. Der Zugang zu Kunstwerken ist unverbaut: Es steht jedem frei, sich das gewünschte Buch oder die Musik zu kaufen oder sie beispielsweise in öffentlichen Bibliotheken zu leihen. Es gibt aber keinen Anspruch darauf, überall und zu jeder Zeit ein bestimmtes Buch lesen oder ein bestimmtes Musikstück hören zu können, ohne dafür zu zahlen.
Auch Musiker, Schriftsteller und Maler leben nämlich nicht von Luft und Liebe allein – und Journalisten, ganz nebenbei gesagt, auch nicht. Sondern sie finanzieren ihr Leben davon, dass Menschen bereit sind, für diese Leistungen zu bezahlen. Ohne Menschen, die Zeitungen, Bücher oder CDs kaufen, können Journalisten, Schriftsteller und Musiker ihr Produkt nicht zahlen. Natürlich gäbe es auch ganz ohne Bezahlung immer Texte und Musik – aber sehr viel weniger als heute. Und unsere Kultur wäre ärmer ohne die Vielfalt der Künstler, die heute kreativ sind und mit ihrem Erfolg auch schon die jungen Talente mitfinanzieren, die die Kunst von morgen prägen werden.
Ein Land wie Deutschland lebt nicht von seinen Bodenschätzen. Weder Erdöl noch Kohle oder Diamanten sichern als Exportschlager unsere Volkswirtschaft – es sind die Kreativen, die die Voraussetzungen für den Wohlstand von heute und von morgen schaffen. Von dieser Kreativität hängt die Zukunft unserer Gesellschaft maßgeblich ab. Das sind gemeinsam mit vielen anderen die Biologen und Physiker, die vielen Menschen mit Verbesserungsvorschlägen für ihren Arbeitsplatz, die Kindergärtnerinnen und natürlich auch die kreativen Künstler.
Es ist an der Zeit, der Kreativität die Aufmerksamkeit zurückzugeben, die sie verdient. Deswegen haben sich eine Reihe kultureller Institutionen unter dem Dach des Deutschen Kulturrats zusammengefunden, um auf den Wert von Kreativität deutlicher hinzuweisen. Hierzu gehören neben den deutschen Phonoverbänden und der Deutschen Phono-Akademie uunter anderem die GEMA, die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft SPIO und der Musikverlegerverband. Nicht Öl, sondern Gehirnschmalz ist der Rohstoff der Zukunft, und dafür treten wir ein.