„Dieser Abschlussbericht der Enquete-Kommission ‚Kultur in Deutschland‘ wird für lange Zeit die Referenz deutscher Kulturpolitik sein“, schreibt Norbert Lammert in seinem Vorwort zum Bericht. Die neue musikzeitung holt ab sofort in lockerer Reihenfolge Stellungnahmen zu einzelnen Themen des Enqueteberichts bei Persönlichkeiten und Institutionen des Kulturbetriebs ein. Zu den „Handlungsempfehlungen Arbeitsrecht“ befragte die Redaktion Rolf Bolwin, Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, Wolfgang Paul, ver.di Bundesvorstand, Bundesfachgruppenleiter Theater und Bühnen und Darstellende Kunst, und Hans Herdlein, Präsident der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger. Lesen Sie die Stellungnahmen auf den Seiten 6 bis 8 des nmz-Magazins.
Handlungsempfehlungen Arbeitsrecht (in Auszügen)
Kapitel 3.1.2.1.5 Arbeitsrechtliche Herausforderungen
1. Die Enquete-Kommission empfiehlt Bund, Ländern und Kommunen, die deutsche Theaterlandschaft insbesondere in ihrer Vielfalt an Kooperationen, Netzwerken und Modellen zu stärken.
2. Die Enquete-Kommission empfiehlt den Trägern von Theatern, Opern und Orchestern, sich für rechtliche Verselbstständigungen zu öffnen…
3. Die Enquete-Kommission empfiehlt den kommunalen und staatlichen Trägern, Theater, Opern und Orchester aus den hemmenden Beschränkungen des Haushaltsrechts mit den Grundsätzen der Kameralistik zu befreien. In diesem Zusammenhang empfiehlt die Enquete-Kommission, die Haushaltgrundsätze der Jährlichkeit, Spezialität und Nonaffektation aufzuheben. Den Theatern, Opern und Orchestern ist eine mittelfristige Finanz- und Planungssicherheit zu schaffen…
5. Die Enquete-Kommission empfiehlt den kommunalen und staatlichen Trägern, für alle Beschäftigten in den Theatern, Opern und Orchestern bühnengerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das Dogma von der „Einheitlichkeit aller Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes“ ist überholt und kann an den Theatern kaum noch praktiziert werden. Dies verlangt für das künstlerische und nichtkünstlerische Personal den Abschluss einheitlicher Bühnen- oder Branchentarifverträge, die den besonderen Bedingungen des Theaterbetriebs gerecht werden und eine theatergerechtere Gestaltung der Arbeitszeiten ermöglichen. Hierfür gibt es bereits zahlreiche praxistaugliche Beispiele wie etwa den Normalvertrag Bühne und diverse Haustarifverträge. (172)
6. Die Enquete-Kommission empfiehlt den staatlichen und kommunalen Trägern, ihre Arbeitgeberinteressen in Tarifverhandlungen einheitlich vertreten zu lassen. Die Aufspaltung der Tarifzuständigkeit auf die allgemeinen Arbeitgeberverbände des öffentlichen Dienstes einerseits und des Bühnenvereins andererseits führt in der Regel dazu, dass die besondere Situation der Theater nicht berücksichtigt wird … (173)
8. Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern und Kommunen, regionale Theaterentwicklungsplanungen zu erstellen, mittelfristig umzusetzen und langfristig die Förderung auch darauf auszurichten, inwiefern die Theater, Kulturorchester und Opern auch Kulturvermittlung betreiben, um möglichst breite Schichten der Bevölkerung zu erreichen.
16. Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Bund, das Arbeitszeitgesetz um eine allgemeine Öffnungsklausel zu erweitern, welche es den Tarifvertragsparteien ermöglicht, von den bestehenden Regelungen im jeweils zu verhandelnden Fall abzuweichen. (174)
17. Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Bund, den Tendenzschutz im Betriebsverfassungsgesetz und in den Personalvertretungsgesetzen auszuweiten, zu konkretisieren und insbesondere die Dienstplanung in Tendenzbetrieben der Mitbestimmung zu entziehen. (175, 176, 177)
172 SV Olaf Zimmermann hat gegen diese Handlungsempfehlung gestimmt und folgendes Sondervotum abgegeben: „Die Aushandlung und der Abschluss von Tarifverträgen obliegt den Tarifparteien. Die Politik, auch die Enquete-Kommission ,Kultur in Deutschland‘, sollte sich daher einer Empfehlung in diesem Bereich enthalten.“
173 SV Olaf Zimmermann hat gegen diese Handlungsempfehlung gestimmt.
174 Sondervotum Fraktion DIE LINKE. und SV Prof. Dr. Dieter Kramer: „Diese Handlungsempfehlung ist rechtlich unzulässig. Sie steht im Widerspruch zum Willen des Europäischen Parlaments, dass bestimmte Mindestschutzregelungen bei der Arbeitszeitgestaltung gewährleistet werden müssen. Danach ist eine pauschale Öffnung nicht möglich (siehe Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung).“
175 Vgl. Sondervotum Lydia Westrich, MdB, Kap. 9.5.
176 SV Olaf Zimmermann hat gegen diese Handlungsempfehlung gestimmt.
177 Sondervotum Fraktion DIE LINKE. und SV Prof. Dr. Dieter Kramer: „Diese Handlungsempfehlung ist nicht nötig. Im Betriebsverfassungsgesetz ist die Tendenzeigenschaft des Theaters berücksichtigt und das Mitbestimmungsrecht entfällt, wenn durch eine Mitbestimmung über die zeitliche Lage der Proben die künstlerische Qualität der Aufführung beeinflusst bzw. wenn künstlerische Gesichtspunkte eine bestimmte Lage oder eine bestimmte Mindestdauer der einzelnen Probe erfordern.“
Richtiges und Problematisches
Stellungnahme des Deutschen Bühnenvereins zum Enquete-BerichtBegrüßenswertes, aber auch weniger Hilfreiches
Stellungnahme der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) zum Enquete-Bericht „Kultur in Deutschland“Umsetzung wünschenswert
Stellungnahme der Genossenschaft Deutscher BühnenangestellterAuswirkungen auf die Arbeitsbedingungen
Stellungnahme der Dienstleitungsgesellschaft ver.di zum Enquete-Bericht