Vom 12. bis 21. Juli 2024 fand, wie alle zwei Jahre seit 1994, die Internationale Jugendkammerchor-Begegnung des Arbeitskreises Musik in der Jugend e.V. (AMJ) auf der Insel Usedom statt. Fünf Chöre aus vier Ländern hatten mit ihren Chorleiter*innen die lange Reise auf sich genommen (Mädchenchor Canzone/Estland, Jugendchor Waelrant/Belgien, Jugendchor Giovani Cantori di Torino Italien, VoiceChangers/Deutschland).
Begegnung auf Usedom Internationale
Den kürzesten Weg hatte der Jugendchor des Runge-Gymnasiums aus Wolgast, Teilnehmer von Anfang an und Unterstüt-zer vor Ort – somit der Gastgeberchor.
180 Sängerinnen und Sänger verteilten sich auf drei hochkarätig besetzte Chorateliers: Alicja Szeluga (Polen), Rahela Duric Baric (Slowenien), Jan Schumacher (Deutschland). Alicja Szeluga probte mit den Mädchenchören in Karlshagen, Rahela Duric Baric war in der Zinnowitzer Kirche und Jan Schumacher in der Krumminer Kirche. Zu Beginn des Chortreffens standen Begegnungskonzerte in zwei der zauberhaften Kirchen Usedoms auf dem Plan, die Chöre stellten sich einander vor mit Beiträgen aus dem eigenen Repertoire. Jeweils zwei oder drei Chöre gestalteten ein Konzert gemeinsam, während die anderen und weiteres Publikum aufmerksam zuhörten.
Trotz des dichten Veranstaltungsangebotes für Touristen während der Sommerzeit auf Usedom waren alle Inselkonzerte gut besucht. Ich habe mehrfach mit Urlaubern gesprochen, die extra wegen der Jugendkammerchorbegegnung ihren Urlaub auf Usedom planen und eigene Aktivitäten um die Konzerte herum „drapieren“!
Nachmittags hatten die Chöre Freizeit, so nicht der eigene Chorleitende eine Zusatzprobe einklagte, was oft der Fall war, wollten doch alle Chöre sich in den Konzerten von ihrer bes-ten Seite präsentieren. Und so schallten in der Jugendherberge „Strandgut“ mal aus dem Essensraum, mal aus einem der Schlafhäuser, mal aus einem Wäldchen verschiedenste Ein-singübungen und Chorstücke, hier ein Lachen, da ein Kichern… Wunderbar!
Wer nicht probte, machte Ausflüge in die nähere Umgebung, gut, dass jeder Chor einen eigenen Bus zur Verfügung hatte. Und wenn man nicht „in Sachen Kultur“ unterwegs war, bot der wunderschöne, nah gelegene Strand von Usedom Möglichkeit zum Entspannen, Spielen oder Sonnen.
Natürlich kam es auch mal vor, dass eine Truppe über die Stränge schlug… aber auch das gehört zur Begegnung auf Usedom: Spaß ja, Arbeiten aber auch! Und gearbeitet haben alle intensiv!
Als es dann auf das große Schlusskonzert in der St. Petrikirche zu Wolgast zuging, war deutliche Anspannung zu spüren, sollten doch die Ergebnisse aus den einzelnen Ateliers in St. Petri, einer wunderschönen, riesig großen Kirche, einem breiten Publikum präsentiert werden. Dazu konnte auch jeder Chor ein Werk aus dem eigenen Repertoire vorstellen, zum Ab-schluss waren drei Stücke geplant, die alle Teilnehmer miteinander einstudiert hatten.
Schon die Generalprobe verlief dank akribischer organisatorischer Planung reibungslos. Jeder wusste, wo er wann beim Konzert zu sein hatte. Bei über 180 Mitwirkenden nicht selbstverständlich, wie jeder weiß, der so etwas schon einmal gemacht hat. Alles klappte wie am Schnürchen. Die Kirche war brechend voll, zwei Stunden vor Konzertbeginn standen die ersten Besucher*innen bereits am Portal und warteten geduldig auf Einlass.
Das Konzert vor vollem Haus war ein ganz besonderes Ereignis. Es hat mich sehr angerührt, so viele strahlende junge Menschen singen zu sehen, zu hören, Beseeltheit zu spüren.
Dass im Anschluss und zum Abschluss des Festivals im „Strandgut“ gefeiert wurde, ist klar. Aber nicht, wie oft üblich, mit lauter Plastikmusik aus einer Brüllanlage, nein, die Jugendlichen sangen, mal hier ein Dankeschönständchen an die gerührten Atelierleiter*innen, mal da eins an die traumhafte Mannschaft vom Strandgut, dann hockten welche singend auf der Tischtennisplatte oder man tanzte beim Singen.
Was macht nun aber ein solches Ereignis aus? Zahlen? 180 Sängerinnen und Sänger zwischen 13 und 25 Jahren? Acht Konzerte in neun Tagen? Über 30.000 Seiten Noten? Drei her-vorragende Atelierleiter*innen? Die vielen Chorleiter*innen und Betreuer*innen? Die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle des AMJ, die für einen perfekten Ablauf Garant waren? Geschätzte 5.000 Photos, die ein Profi-Fotograf geschossen hat? Über 800 Zuhörer*innen beim Abschlusskonzert in Wolgast?
Oder sind es doch eher die zwischenmenschlichen Töne? Wilder Notenaustausch unter den Chormitgliedern und Chorleiter*innen? Endlose Tischtennisturniere? Junge Italienerinnen, die belgischen oder deutschen Sängern den Kopf verdrehen? Beachvolleyballturniere? Die stets offenen Ohren der AMJ-Mitarbeiter*innen, die für jedes Problem eine gute und zufriedenstellende Lösung fanden? 100 geflochtene Bauernzöpfe auf Mädchenköpfen quer durch Europa? (Eine estnische Teilnehmerin war eine wahre Meisterin im Bauernzopfflechten und verschönerte, sogar in Chorproben, länderübergreifend ihre Mitsängerinnen. Das war ein wunderbares Bild!)
Ich glaube, alles zusammen hat diese Tage auf Usedom so unvergesslich gemacht: Miteinander arbeiten, miteinander leben, einander wertschätzen über Sprachbarrieren hinweg, einander wohlgesonnen sein, Neues lernen und zulassen, einander zugewandt sein, miteinander singen und einander die Seele öffnen… Das ist die Jugendkammerchor-Begegnung auf Usedom. Das ist Europa, kann es sein. Wenn man miteinander Musik macht, miteinander singt.
Im September 2025 richtet der AMJ sein nächstes Festival für Kinder-, Mädchen- und gemischte Jugendchöre in Wolfenbüttel aus, Anmeldungen sind noch bis 30.11. möglich unter https://www.eurotreff-amj.de
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