In der letzten Ausgabe der nmz wurde an dieser Stelle die Arbeit des Kinder- und Jugendmuseums in München näher beleuchtet. In einem zweiten Artikel geht es um den pädagogischen Hintergrund der dort geleisteten erzieherischen Arbeit. Der aktuelle Bezug ist nach der PISA-Studie durchaus gegeben. Deutlich wird, dass es an konstruktiven Ideen wohl nicht gemangelt hat – eher an der Möglichkeit, pädagogische Impulse in die Wirklichkeit umzusetzen und für alle Kinder gleichermaßen erreichbar zu machen.
In der letzten Ausgabe der nmz wurde an dieser Stelle die Arbeit des Kinder- und Jugendmuseums in München näher beleuchtet. In einem zweiten Artikel geht es um den pädagogischen Hintergrund der dort geleisteten erzieherischen Arbeit. Der aktuelle Bezug ist nach der PISA-Studie durchaus gegeben. Deutlich wird, dass es an konstruktiven Ideen wohl nicht gemangelt hat – eher an der Möglichkeit, pädagogische Impulse in die Wirklichkeit umzusetzen und für alle Kinder gleichermaßen erreichbar zu machen. Idee und Konzept des „Kinder- und Jugendmuseum“, vor über 100 Jahren in den USA erstmals als eine Art Schulmuseum gestartet, haben inzwischen ihren Siegeszug rund um die Welt angetreten, insbesondere seit den 80er und 90er Jahren.In den USA sind über 300 „children’s museums“ bekannt. In England, in Frankreich, Schweden, Japan und seit einigen Jahren auch in Deutschland haben Neugründungen von Kinder- und Jugendmuseen Konjunktur. Im Kinderbericht 1998 der Deutschen Bundesregierung wird empfohlen, Kinder- und Jugendmuseen „flächen-deckend“ einzurichten. Die Münchner Projektentwicklung war und ist durchaus Vorreiter und Wegbereiter der Neugründungen von Kinder- und Jugendmuseen in anderen deutschen Städten.
Was haben eigentlich Kindermuseen mit PISA zu tun? Michael Popp, Nürnberg, Vorsitzender des Bundesverband der deutschen Kinder- und Jugendmuseen meint hierzu: „Kindermuseen sind Lernorte – kulturelle Lernorte – außerhalb der Schule. In Kindermuseen wird in der Regel ein Lernmodell angeboten, wie es sich die PISA-Studie für das deutsche Schulwesen wünscht:
- die Themeneinheiten werden mit wissenschaftlicher Fundierung, mit Liebe und Sorgfalt ausgearbeitet,
- es werden Lernmodelle praktiziert, die auf Neugier und entdeckendem Lernen basieren,
- die Kinder werden durch ein Lernen mit allen Sinnen stimuliert und zum eigenständigen Fragen angeregt,
- das ‚Begreifen‘ geschieht in unmittelbarem Sinn,
- Kindermuseen wollen helfen, die komplizierte Welt zu verstehen, indem Zusammenhänge vermittelt werden,
- dem Bewegungsdrang und den haptischen Bedürfnissen der Kinder wird Raum gegeben,
- das soziale Lernen wird gefördert, weil Frontalunterricht und Lehrerzentrierung im Kindermuseum kaum Platz haben.
Somit werden im Kindermuseum wichtige Fähigkeiten und Intelligenzen ausgebildet, die nach den Aussagen der PISA-Studie in der Schule bisher zu kurz kommen. Kindermuseen können sicher nur in einem begrenzten Maß dazu beitragen, die Lese- und Schreibschwächen und die fehlende Sprachkompetenz auszugleichen, die in der PISA-Studie diagnostiziert werden. Aber für andere Fähigkeiten, bei denen die deutschen 15-Jährigen im internationalen Vergleich katastrophal abschneiden, hat das Kindermuseum zumindest die überzeugenden Lernangebote bereit. Hier wird weniger auf den Erwerb von Wissensfülle abgehoben, sondern Persönlichkeitsbildung und das Training von Schlüsselqualifikationen stehen im Vordergrund: Das Vergleichen und Schlüsse ziehen, die Fähigkeit Fragen zu stellen, die Orientierung in einer Fülle unterschiedlicher Informationen, das Kombinieren, das Organisieren einer Problemlösung.
Die Grundkonzeption der Kindermuseen geht zurück auf die Erkenntnisse des schweizer Erziehers und Sozialreformers Johann H. Pestalozzi (Anschauung als innerer Sinn des Menschen für die Ordnung der Welt), auf die Ansätze der deutschen Reformpädagogik in den 20er Jahren, die Überzeugungen des Psychologen und Lernforschers Jean Piaget (Untersuchungen zu der Geistesbildung bei Kindern), der italienischen Ärztin und Pädagogin Maria Montessori (Schulung der Sinnestätigkeit), des Franzosen Celestin Freinet (Bezug zum realen Leben, Freies Lernen), des Amerikaners John Dewey („learning by doing“) sowie zuletzt auf die Theorien des amerikanischen Psychologen Howard Gardner.
Howard Gardner und der Münchner Neurowissenschaftler Prof. Ernst Pöppel stellen gleichermaßen fest, dass in der westlichen (Lern-) Kultur nicht alle Intelligenzen beziehungsweise Wissensbereiche gleichmäßig gefördert werden. Die Menschen lassen somit nicht nur einen Teil ihrer potenziellen Fähigkeiten brachliegen, sondern die einseitige Benutzung von Intelligenzen bewirkt außerdem eine soziale Auslese und löst psychosoziale Krankheiten aus.
Zu den bedrückendsten Ergebnissen der PISA-Studie gehört die Erkenntnis, dass im deutschen Schulwesen soziale Benachteiligungen am wenigsten ausgeglichen werden und dass trotz rigider Selektion selbst an der Spitze der Bildungspyramide keine befriedigenden Ergebnisse herauskommen. Zu einem Teil ist dieser Befund die Folge der einseitigen Betonung des expliziten Wissens.
Kindermuseen zielen mit ihrer spezifischen Form des Lernens auf sozialen Ausgleich, Schwache werden gefördert, Behinderte sind willkommen. Im Kindermuseum werden durch die Dinglichkeit der Lerngegenstände und die aktivitätsorientierte Aneignung vor allem das bildliche und persönliche Wissen (Pöppel) oder die räumlichen, körperlich-kinästhetischen und interpersonalen Intelligenzen (Gardner) gefordert und gefördert.
So wird deutlich, dass die derzeitige Diskussion über die Ergebnisse der PISA-Studie über den Bereich der Schule hinaus geöffnet werden muss. Auch im außerschulischen Bereich der kulturellen Jugendbildung liegen Chancen für die Reform der deutschen Bildungslandschaft.“