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Ein runder Tisch (etwa 5 Meter im Durchmesser) mit einigen Komponist*innen daran.

Komponistinnen und Komponisten am Runden Tisch: Foto: DKV

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Ein Blick zurück und ein Ausblick

Untertitel
Das Jahr 2023 aus der Perspektive des DKV
Vorspann / Teaser

Was für ein Jahr das schon wieder war – andauernder Krieg in der Ukraine, Massaker und Krieg in Israel und Gaza, Chat-GPT, KI, Rechtsruck…all diese Themen berühren auch die Welt der Komponistinnen und Komponisten. Man merkt, dass die Kultur allgemein sich nicht mehr selbst genügen, sich nicht komplett aus politischen Themen heraushalten kann.

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Wie gewohnt reagiert die Musik von allen Künsten am langsamsten (was auch damit zu tun hat, dass Komponieren länger dauert als zum Beispiel einen Text zu schreiben), aber auch die Musik reagiert. Als Komponierende sind wir Teil einer Gesellschaft, die im Moment mehr als gewohnt Schwierigkeiten hat, einen Konsens zu finden, vielleicht auch, weil vieles Gewohnte sich dramatisch verändert und daher eine größere Zukunftsangst herrscht. Es überrascht mich nicht, dass daher viele Menschen eine Rückkehr zu oftmals (Gott sei Dank) vergangenen Werten fordern und viele der überlebensnotwendigen Veränderungen, die zum Beispiel den Kampf gegen den Klimawandel betreffen, kategorisch ablehnen. Auch der islamistische Terror oder die von Diktaturen geführten Kriege entstehen eher aus einem Gefühl des Abgehängtseins, als dass eine Veränderung zum Positiven gewünscht wird. Hassreden und Populismus nähren sich vor allem aus einem Rachegefühl der Überforderten oder sich zu kurz gekommen Fühlenden, bedienen vor allem Emotionen und nicht Argumente.

Wir können alle diese Entwicklungen nicht ignorieren, da sie unser Überleben als freischaffende Künstlerinnen und Künstler direkt betreffen, denn nur in einem möglichst freien und toleranten Umfeld kann Kunst wirklich gedeihen. Hierzu gehört auch ein bedingungsloses Bekenntnis zur Wichtigkeit musikalischer Bildung in den Schulen, ein Aspekt, der in vielen Bundesländern immer mehr zu kurz kommt. Der DKV blickt dennoch auf ein positives Jahr zurück, das von Aufbruchsstimmung und Wachstum des Verbandes geprägt ist. In der Geschäftsstelle haben wir ein wunderbares Team mit unserer neuen Geschäftsführerin Nastasja Futyma und Dieter Behrens, die mit ihrer jeweiligen Kompetenz mit allen musikalischen Genres vertraut sind. Gemeinsam mit unseren verschiedenen Arbeitsgruppen waren wir so aktiv wie noch nie, auch die interne Kommunikation läuft auf Hochtouren. Der Vorstand hat einen vollen und neu strukturierten Sitzungskalender und konnte mit seinem neuen Mitglied Ludwig Wright als Vertreter von VERSO (Singer/Songwriter) seinen Altersdurchschnitt deutlich senken. Ebenfalls sehr glücklich sind wir mit der Arbeit unserer Justiziarin Constanze Ulmer-Eilfort, die sich stets auf dem neuesten Stand der momentanen unser Metier betreffenden Entwicklungen hält, zum Beispiel den Rechtefragen um KI. Dass sie dies ehrenamtlich für ein eher symbolisches Honorar tut, ist für uns ein großes Glück.

Wenn ich unsere Mitgliederstatis­tiken anschaue, sehe ich viele positive Entwicklungen. Der Zustrom neuer Mitglieder ist stetig und sehr erfreulich, das Vertrauen in unseren Verband wächst, die öffentliche Wahrnehmung hat sich erhöht. Was mich besonders freut, ist, dass wir langsam dabei sind, unseren Frauenanteil deutlich zu erhöhen (um 2,4% auf fast 18%, kann natürlich immer noch deutlich mehr werden) sowie unseren Altersdurchschnitt zu senken (durch Zuwachs vor allem im Segment der 21- bis 30-Jährigen). Das hat auch damit zu tun, dass wir in der letzten Zeit die Mitgliederwerbung intensiviert haben und es spezielle Netzwerktreffen für Komponistinnen (angeregt von Charlotte Seither und Constanze Ulmer-Eilfort) gab. Und wir waren präsent an vielen Orten – so konnten wir zum Beispiel dieses Jahr bei den Donaueschinger Musiktagen unseren Stand mit der Partiturenausstellung fusionieren, was uns wesentlich mehr Aufmerksamkeit brachte als in der Vergangenheit. Nicht zu unterschätzen sind aber auch die vielen Situationen, in denen sich der DKV öffentlich mit Statements zu Wort gemeldet hat – zuletzt zum Beispiel mit einer Unterschriftenaktion gegen Antisemitismus, als erste Initiative dieser Art aus der Musikszene.

Überall dort, wo sich unsere Mitglieder zu Wort melden und sich aktiv zum Beispiel für den Erhalt von Kultur, der Förderung des Nachwuchses oder Themen des Urheberrechts einsetzen, gibt es positive Aufmerksamkeit für den Verband. Daher bin ich immer sehr dankbar für Anregungen und Ideen in diese Richtung. Wir können im Vorstand zunehmend schneller reagieren, weil sich die Kommunikation gut eingespielt hat. Ich bin den Mitgliedern, die sich zum Teil schon seit vielen Jahrzehnten ehrenamtlich und unter großem Einsatz engagieren, äußerst dankbar – ohne sie könnte der Verband nicht funktionieren und wäre den immer größeren Herausforderungen nicht gewachsen.

Eine wichtige Rolle spielen unsere Fachgruppen DEFKOM (Filmmusik), FEM (E-Musik), VERSO (Singer/Songwriter) sowie natürlich unsere AG Generation Zukunft, die genreübergreifend die Interessen junger Komponierender vertritt, gerade eben mit einer Konzerttournee durch verschiedene Bundesländer und einem Programm, das unterschiedlichste Musikstile beinhaltete.

Der DKV ist besonders stark durch seine große stilistische Bandbreite. Komponieren kennt sehr unterschiedliche Arbeitsprozesse in verschiedenen Genres, es ist aber immer kreative und wertvolle Arbeit, die gerecht vergütet werden muss. Daher ist es für mich ein Privileg, Künstlerinnen und Künstler aus so unterschiedlichen musikalischen Richtungen zu vertreten, denn dass sie innerhalb unseres Verbandes gemeinsam und solidarisch agieren, ist etwas sehr Besonderes.

Für das Jahr 2024 wird es viele Aufgaben geben. Wir werden versuchen, den Mitgliederzuwachs weiter aufrechtzuerhalten – unsere verdienten Mitglieder im Alter von 60 und mehr Jahren (knapp 47% der Mitglieder) sind uns sehr wichtig, aber es ist klar, dass der Verband für seinen Erhalt auch Zuwachs im Alterssegment 18 bis 40 braucht (momentan knapp 20% der Mitglieder).

Das Aufkommen von KI im Bereich Komposition wird uns sicher weiter beschäftigen, auch die zu erwartenden Umwandlungen und Reformen im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die wir kritisch und aufmerksam begleiten wollen. Auch wenn der Verband keine politische Richtung vertritt, können wir zu Themen, die den Erhalt unserer Musikkultur betreffen, grundsätzlich nicht schweigen, und das ist – ob wir es wollen oder nicht – sehr oft auch politische Arbeit. Für unsere öffentliche Wahrnehmung ist es auch wichtig, dass wir immer wieder Solidarität mit Künstlerinnen und Künstlern im Ausland zeigen – zum Beispiel aktuell mit unseren Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine oder in Israel.

Generell werden wir immer mehr mit Informationen überschwemmt, die nicht immer relevant sind oder uns vielleicht sogar eher überfordern. Andererseits ist es unsere Pflicht als Verband, unsere Mitglieder möglichst umfassend über Dinge zu informieren, die unseren Berufsstand betreffen, daher werden wir dies auch weiterhin tun und intensivieren. Ich würde mich auch freuen, wenn die geneigten Leserinnen und Leser dieser Zeilen in der nmz uns weiterhin ihre Aufmerksamkeit schenken. Die Themen des DKV betreffen sehr oft auch Themen der Kultur im Allgemeinen, und der Blick aus der Perspektive der Komponierenden und damit kreativ Schaffenden hat auf jeden Fall mit dem DKV eine Stimme, die etwas zu sagen hat. Auch im nächsten Jahr möchten wir daher ganz unterschiedliche Protagonistinnen und Protagonisten aus unserem Verband zu Worte kommen lassen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein friedliches und erfolgreiches Jahr 2024.

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