Heute möchten wir die jüngste unserer drei Fachgruppen im Deutschen Komponistenverband vorstellen, die VERSO, Vereinigung Songwriter (m/w/d).Sie setzt sich – gerade in Zeiten des digitalen Umbruchs – für die faire Honorierung der Arbeit der Songwriter und ein starkes Urheberrecht ein, von den Writing-Sessions bis hin zu den Tantiemen, und mobilisiert daher auch für die GEMA ihre Mitglieder. Als Fachgruppe des DKV entsendet VERSO Vertreter zu den Tagungen der ECSA (European Composer and Songwriter Alliance), wo sie sich länderübergreifend gemeinsam mit anderen Autorenverbänden für die Belange der Songwriter einsetzt. Auch Workshops und Masterclasses für neue Songwriting-Talente stehen auf dem Programm. Alexander „Ali“ Zuckowski ist der Vorsitzende der VERSO. Was Ali mit Conchita Wurst, Sasha und Udo Lindenberg zu tun hat und warum er sich die Arbeit für VERSO ehrenamtlich antut, erzählt er Raphael Tschernuth in folgendem Interview.
Raphael Tschernuth: Hi Ali, erstmal danke, dass du dir die Zeit für uns nimmst. Erzähl uns doch bitte ein wenig darüber, wie du bei der Musik gelandet bist.
Alexander Zuckowski: Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie, mein Vater Rolf Zuckowski ist ja Kinderliedermacher, deshalb lag bei uns Musik sozusagen in der Luft. Wie viele andere habe ich als Jugendlicher angefangen Gitarre zu spielen und zusammen mit einem Freund begonnen Musik zu machen, eigene Songs zu schreiben. Wir haben dann beide den Kontaktstudiengang Popularmusik in Hamburg besucht, darüber kam der Kontakt zum Produzenten Franz Plasa zustande. Mein Freund wurde gefragt, ob er nicht Keyboard spielen könnte für Aufnahmen der Band „Echt“. In dem Zug haben wir Franz unsere Songs gezeigt und er meinte dann zu uns: „Hey ihr schreibt ja super Songs, ich suche hier gerade Lieder für eine andere Band, die ich produziere.“ Und so hat Franz mich in seiner Edition unter Vertrag genommen. Das war mein Einstieg ins Songwriting.
Tschernuth: Es war also nicht dein Vater, der für dich die Hebel in Bewegung gesetzt hat oder dich ermutigte, Musiker zu werden?
Zuckowski: Nein, das lief ganz unabhängig von meinem Vater und mir war auch immer wichtig das zu trennen. Das Genre meiner Musik ist auch ganz anders als das meines Vaters und deshalb kam nie das Gefühl auf, dass der Sohn jetzt in die Fußstapfen treten muss. Mein Weg hat schnell eine eigene Dynamik entwickelt. Durch den Kontakt zu Franz habe ich angefangen, mit Patrick Nuo oder Sasha zu arbeiten. Es folgten Annett Louisan, Adel Tawil, Udo Lindenberg und über die Jahre sind immer mehr tolle Sachen passiert. Ein Höhepunkt war natürlich der Gewinn des Eurovision Song Contests 2014 mit Conchita Wurst. Dass eigene Projekte fruchten, wie die Musik für den spanischsprachigen Sänger Álvaro Soler, der international erfolgreich ist, ist auch sehr besonders für mich. Den durfte ich von Anfang an mit aufbauen und es war eine tolle Erfahrung von Beginn an dabei zu sein und nicht nur für Artists zu schreiben, die sich schon etabliert haben.
Win-Win-Situation
Tschernuth: Wie bist du bei all den Projekten im Aufsichtsrat der GEMA und beim DKV gelandet? Langeweile dürfte kaum der Grund gewesen sein…
Zuckowski: Da hat tatsächlich mein Vater eine Rolle gespielt, er ist seit vielen Jahren ein sehr engagiertes GEMA-Mitglied. Das Problem ist leider, dass aus dem Pop-Segment viel zu wenige junge Leute zu den GEMA Mitgliederversammlungen kommen, um mitzuentscheiden, wie es voran geht. Als junger Musiker hat man verständlicherweise andere Sachen im Kopf als „Verbandszeug“. Aber mein Vater konnte mich und ein paar andere Kollegen motivieren da mitzumachen, damit wir uns einsetzen. In dem Zuge habe ich dann auch Ralf Weigand, inzwischen Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA, kennengelernt. Ralf hat uns von Anfang an sehr unterstützt und sich immer bemüht junge Leute anzusprechen. Mich hat er so unter anderem auch motiviert, dem DKV beizutreten.
Schon bevor ich beim DKV gelandet bin, habe ich über die Jahre immer wieder mit Kollegen festgestellt, dass es eigentlich nicht angehen kann, dass wir Songwriter keine richtige Interessenvertretung haben. Wir sind alle Einzelkämpfer und haben keine Lobby, keinen Verband, der sich gezielt für unsere Anliegen einsetzt. Ralf hat dann angeregt, dass wir im DKV, neben der DEFKOM für Filmmusik und der FEM für E-Musik, noch eine dritte Fachgruppe für Popmusik gründen. Das traf sich sehr gut, denn dadurch waren wir nicht gezwungen, eine Struktur aus dem Nichts zu erschaffen, sondern konnten uns an eine bestehende andocken und VERSO schnell auf die Beine stellen.
Tschernuth: Wann war das und wie hat sich VERSO seitdem entwickelt?
Zuckowski: Das war vor rund vier Jahren und mittlerweile haben wir über 120 Mitglieder. Etablierte Songwriter, aber auch Newcomer sind dabei. Manche kommen über den Popbereich durch VERSO zum DKV, andere Komponisten aus dem DKV entdecken VERSO und machen bei uns mit. Insofern ist das eine Win-win-Situation und ich hoffe, dass wir in Zukunft noch mehr Leute motivieren können, mitzumachen. Es geht ja schließlich darum, dass junge Leute sich engagieren, damit wir zusammen die Herausforderungen der Zukunft meistern können.
Tschernuth: Wer kann denn bei euch mitmachen?
Zuckowski: Wir sind prinzipiell für alle offen. Also sowohl für Songwriter und Produzenten, die seit Jahren im Business sind als auch für blutige Anfänger. Es gibt allerdings einige Themen, die besonders solche Songwriter betreffen, die für sich und andere Interpreten schreiben. Wenn jemand also beispielsweise reiner Selbstaufführer ist und nur seine eigenen Songs schreibt, klären wir vor dem Beitritt darüber auf, dass einige unserer Themen und Ziele für diese Person nicht so relevant seinen könnten. Grundsätzlich kann aber jeder mitmachen, der Lieder schreibt.
Walk-In-Fee
Tschernuth: Punkte wie Streaming-Vergütung oder der Umgang mit Verlagen betreffen aber doch auch Songwriter, die ausschließlich ihre eigene Musik machen. Im Grunde haben die doch die gleichen Probleme, oder?
Zuckowski: Ja, das stimmt. Es gibt da mehrere Facetten, denn einerseits geht es um die essenzielle Frage „Wie viel bleibt für die Songwriter bei Streaming-Diensten übrig?“. Da gibt es ein eklatantes Ungleichgewicht zu den Master-Rechten und das betrifft alle Songwriter. Dann geht es aber auch um die Writing-Sessions an sich. Leider ist es bisher noch immer üblich, dass Songwriter erstmal nichts für ihre Arbeit bekommen. Wenn jemand fragt: „Was kostet es denn, wenn du einen Song schreibst?“ dann ist das schwierig zu beantworten, denn meistens kostet es erstmal gar nichts. Viele Songwriter arbeiten zunächst komplett unbezahlt, für eine Chance. Und nach einer Writing-Session muss man dann hoffen, dass der Song veröffentlicht und auch erfolgreich wird, damit dann auch irgendwann Tantiemen kommen. Gerade in Zeiten, in denen die physischen Tonträger quasi nicht mehr existent sind und die meiste Musik via Streaming gehört wird, wo die Vergütung für die Songwriter leider noch sehr schlecht ist, ist das kein tragbarer Zustand.
Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass es zumindest eine Walk-In-Fee gibt, also ein Minimum an direkter Bezahlung, durch die wenigstens die Unkosten gedeckt sind für die Zeit, die man investiert. Nicht dass damit der Song bezahlt wäre, aber der Songwriter hat zumindest eine Art Entschädigung und zahlt nicht drauf. Noch dazu fährt man ja auch meistens zu den Writing-Sessions, teilweise quer durch Deutschland. Das ist alles Zeit, die nicht bezahlt wird.
Tschernuth: Wer soll diese Fee denn übernehmen?
Zuckowski: Unsere Einstellung dazu ist, dass die Fee immer vom Auftraggeber der Session bezahlt werden sollte. Das kann ein Label, ein Verlag, ein Produzent oder ein Manager sein. Auch der Künstler selbst könnte es sein, also jeder, der sagt: „Ich möchte, dass ihr kommt und hier einen Song für mich bzw. mit mir schreibt.“ Ich bin mittlerweile schon lange dabei und da hat sich schon einiges geändert, seit ich angefangen habe mit dem Songwriting. Damals war auch noch ganz normal, dass du als Writer selbst die Hotelkosten bezahlt hast. Das wird mittlerweile im Großteil der Fälle übernommen und die Verantwortlichen sind immer mehr auf unserer Seite.
Tschernuth: Wie hoch soll die Fee denn sein, für die ihr euch einsetzt?
Zuckowski: Die Standard-Fee ist 150 Euro pro Writer und pro Session. Manche sagen das ist wenig, manche sagen es ist viel, es war gar nicht so leicht da den richtigen Mittelweg zu finden. Meiner Meinung nach ist das Wichtigste, dass überhaupt etwas bezahlt wird und die Labels und Managements wissen: Das ist nicht umsonst. Da geht es einerseits um Wertschätzung und andererseits darum zielgerichteter zu arbeiten. Bisher kam es häufig vor, dass einfach ins Blaue geschrieben wurde. Angenommen, eine Platte war eigentlich schon fertig mit zehn Songs, und dann kommt die Idee auf – „lasst uns einfach nochmal 30 Songs ordern, kostet uns ja nichts, man weiß ja nie.“ Da arbeiten dann die beteiligten Songwriter von vornherein auf verlorenem Posten. Dank der Fee wird dieser Prozess hoffentlich durchdachter und man wird dann angefragt, wenn es wirklich sinnvoll ist.
Auch wird damit fragwürdigen Vorgehensweisen ein Riegel vorgeschoben, wenn du zum Beispiel als Songwriter zum kostenlosen Artist Developer gemacht wirst und für lau Songs schreibst und produzierst, nur damit sich ein A&R ein klareres Bild von einem Artist machen kann. Das geht nicht mehr, oder zumindest geht es nicht umsonst.
Tschernuth: Ich persönlich habe da auch schon einige negative Erfahrungen hinter mir. Die Schlussfolgerung ist ja sehr einfach: Wenn etwas umsonst ist, hat es keinen Wert. Es freut mich sehr, dass ihr diesbezüglich auf offene Ohren stoßt.
Zuckowski: Wir machen gerade Meetings mit Vertretern von Labels und Managements, um denen unsere Sicht der Dinge darzulegen. Da treffen wir einerseits auf viel Offenheit, aber das Spektrum ist groß. Von „überfällig“ und „ich bin sofort dabei“ zu „ja, aber das Jahresbudget gibt das nicht her“, et cetera. Wir haben aber noch niemand getroffen, der gemeint hätte, dass das alles Quatsch sei. Deshalb ist VERSO eben auch so wichtig, dass es ein Sprachrohr gibt und nicht nur einzelne Stimmen, die ungehört bleiben.
In den letzten eineinhalb Jahren hat sich tatsächlich schon einiges getan. Besonders im Hip-Hop- und Urban-Bereich ist es fast schon Standard – bei Schlagern eher noch nicht und im Pop-Bereich mal so und mal so. Es setzt sich aber langsam durch und immer weniger Leute fallen aus den Wolken, wenn man als Schreiber nachfragt, ob es eine Writing-Fee gibt.
Tschernuth: Was sind denn weitere wichtige Themen für dich und VERSO?
Zuckowski: Ein wichtiger Faktor ist unsere direkte Schnittstelle zur GEMA. Die Autoren in der Pop-Sparte sind irgendwie nicht dafür gemacht, immer brav zu jeder GEMA-Veranstaltung zu laufen, aber letztlich entscheiden dort ja die anwesenden Komponisten und Textdichter über die Einkommensstruktur von uns allen. Das passiert auf demokratische Weise, aber es ist natürlich wichtig, dass junge Leute dort vertreten sind. Wie auch andere VERSO-Mitglieder bin ich im Aufsichtsrat als Stellvertreter, damit wir da unsere Stimme einbringen. Wichtig ist auch, dass wir die VERSO-Songwriter vor einer GEMA-Abstimmung darüber informieren, was die Anträge bedeuten und auch, dass wir Anregungen aufnehmen, die wir zur Wahl stellen können, um die Position der Songwriter zu stärken. Ein weiterer Aspekt ist grundsätzliche Nachwuchsarbeit und Education. Wir machen bei VERSO eine Reihe von Workshops und das wird toll angenommen. Da haben wir Live-Booker, Musikanwälte, das Thema Steuern oder auch Vorträge von Experten aus dem Sync-Bereich. Auch für alte Hasen wird da viel Wissen vermittelt.
Tschernuth: Ihr habt mich eingeladen bei einem dieser Experten-Workshops mit dabei zu sein, als es um Musikrecht und Verträge ging. Was ich besonders toll fand, war der Austausch mit den anderen Songwritern, der dann teilweise nach dem Workshop noch weiterging.
Zuckowski: Das ist total wichtig, dass man sich austauscht und miteinander Probleme bespricht. Nicht jeder kann auf jedem Gebiet Experte sein. Gerade fangen wir auch damit an, eigenständig Songwriting-Camps zu organisieren. Im August haben wir das erste Camp zusammen mit der Dänischen Songwriter-Vereinigung DJFBA abgehalten. Das fand in den Bauteil3 Studios von Tom Deininger statt, der ebenfalls im VERSO Leitungsteam ist. Da wurden wir beispielsweise von der GEMA-Stiftung finanziell unterstützt. Das hat sehr gut geklappt und Ende Oktober gab es sozusagen das Schwester-Camp in Kopenhagen, wo die deutschen Songwriter nach Dänemark fuhren, dort Songs schreiben und sich mit den Songwritern vernetzten. Dieses Angebot wollen wir künftig ausbauen. Mit VERSO sind wir auch in der ECSA (European Composers and Songwriters Association) vertreten, dem europäischen Dachverband der Songwriter. Dadurch gibt es auch Kontakte zu den verschiedenen Ländern und beispielsweise Schweden und Island sind auch sehr interessiert, einen Austausch mit uns zu machen. Die Zusammenarbeit mit den Dänen war also erst der Anfang.
Musik von hier
Eine weitere Sache, an der wir einen großen Anteil hatten, ist die Initiative „Musik von hier“. Das haben wir gemeinsam mit anderen Institutionen und Verlagen initiiert, um die Riesenverluste, die durch Corona im Live-Segment entstanden sind, ein wenig zu kompensieren, indem wir die Radiosender motivieren, mehr lokale Musik zu spielen. Das ist super angenommen worden und manche Sender haben dieses Format nun dauerhaft im Programm. Meist läuft es so, dass ein bekannterer Künstler andere unbekannte Künstler aus seinem Umfeld vorstellt. Die unbekannteren Künstler bekommen dadurch eine Plattform und lokale Musik wird im Radio protegiert.
Tschernuth: Du hast vorhin den europäischen Dachverband ECSA angesprochen, gibt es da auch gemeinsame Ziele?
Zuckowski: Ja klar, da laufen einige Initiativen auf mehreren Eben, besonders mit der dänischen und englischen Songwriter-Vereinigung. Es gab ja den wichtigen Beschluss im EU-Parlament, dass Plattformen wie YouTube in die Lizenzpflicht genommen werden. Dazu war ich auch zweimal in Brüssel, um mich beim EU-Parlament für eine faire Vergütung für die Urheber einzusetzen.
Einer der weiteren Punkte, die uns wichtig sind, ist etwa das „User Centric Payment System.“ Also dass die Streaming-Portale so ausschütten, dass die Mitgliedsbeiträge der User auch genau bei den Künstlern ankommen, die sie wirklich gehört haben und nicht einfach alles in einen Topf geworfen wird. Das halten wir für eine realistisch und schnell umsetzbare Möglichkeit, für eine etwas fairere Vergütung zu sorgen. Das heißt nicht, dass wir dann alle steinreich werden durch Streaming, aber dass deutliche Schieflagen besser adressiert werden können. Da kommt langsam Bewegung in die Sache. Es wird nicht von heute auf morgen passieren, denn letztlich geht es darum, den Kuchen richtig neu zu verteilen. Eigentlich muss man da ganz von vorne anfangen und das ist eine Riesenaufgabe. Das User-Centric-Modell ist ein erster Schritt.
Tschernuth: Wenn man sich an VERSO beteiligen will, um von den Workshops, Camps und dem Erfahrungsaustausch zu profitieren, wie geht man vor?
Zuckowski: Da VERSO ein Teil des DKV ist, muss man sich in einem Rutsch bei VERSO und dem DKV anmelden. Für Komponisten und Songwriter, die schon länger dabei sind, beträgt der Jahresbeitrag für VERSO und DKV zusammen 180 Euro Für junge Leute bis 27, für Studierende oder Newcomer gibt es einen vergünstigten Beitrag und man ist mit 50 Euro im Jahr mit dabei.
Tschernuth: Danke Ali fürs Gespräch und alles Gute für die anstehenden Projekte!
Das Interview ist ein Originalbeitrag von Raphael Tschernuth für professional audio, 12/2021 (https://www.professional-audio.de/).