Der 1921 in Wladiwostok geborene und 1980 in Tokio verstorbene Yoshiro Irino gehörte in Japan zu den renommierten Komponisten seiner Zeit. 1980 gründete die Witwe, Reiko Takahashi Irino, gemeinsam mit anderen japanischen Komponisten die Irino-Stiftung mit Sitz in Tokio. Anlässlich des 33. Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ 1996 kooperierte die Irino-Stiftung erstmals mit „Jugend musiziert“ und lud Bundespreisträger zu einer zweiwöchigen Jugendbegegnung an das Yoshiro Irino-Institute in Tokio ein. Seitdem ist der Jugendaustausch zu einer festen Einrichtung geworden, jährlichen finden die Treffen abwechselnd in Japan und Deutschland statt. 1996 erweiterte die Irino-Foundation die Kooperation, indem sie einen Sonderpreis für die beste Interpretation eines zeitgenössischen Werks stiftet. Der Preis wird jährlich verliehen.
Im Dezember 2010 reiste eine sechsköpfige Gruppe, dazu zwei erwachsene Begleiter auf Einladung der Irino-Stiftung nach Tokio.
Die 15-jährige Julia Puls, der 18-jährige Kevin Dietrich und die 16-jährige Cosima Baumeister berichten:
Unsere Konzertreise nach Japan begann am Sonntag, 5. Dezember am Flughafen Münster-Osnabrück. Dort trafen wir unsere beiden Reisebegleiter, dazu die Musiker Won-Ho Kim (Klavier, 17 Jahre) und Cosima Baumeister (Klavier, 16 Jahre). Nathan Lange (Querflöte, 17 Jahre), Elisabeth Peil (Klavier, 15 Jahre) und Kevin Dietrich (Akkordeon, 18 Jahre) stießen beim Zwischenstopp in München dazu. Der Flug nach Tokio verlief reibungslos, am Flughafen wurden wir von unserer Gastgeberin Reiko Takahashi Irino herzlich empfangen und zu unserem Hotel „Asia Center Tokyo“ gebracht. Gleich am ersten Abend sind wir dann noch zu einem Kotokonzert gegangen, das uns allen gut gefiel, weil wir Kotos vorher noch nicht kannten. Eine Koto ist ein 13-saitiges Zupfinstrument, das nur von Frauen gespielt wird.
Danach hatten wir unsere erste Begegnung mit japanischem Essen, das bei manchen Begeisterung auslöste und bei manchen doch eher nur die Hoffnung weckte, dass es bei den nächsten Malen besser schmecken würde. Müde und zufrieden sind wir dann nach unseren ersten Eindrücken von Japan und einer langen Reise ins Bett gegangen.
Am nächsten Tag konnten wir dann im Institut der Irino-Stiftung proben, und am Abend sind wir zu einem Konzert des „Ensemble Nomado“ gegangen. Auf dem Programm stand ausschließlich Neue Musik, die ich in solcher Form noch nie live gehört hatte. Am Tag darauf hatten wir unser erstes Konzert in einem Museum, das sehr viel Spaß gemacht hat, weil wir herzlich empfangen wurden und das Publikum sehr aufmerksam war. Überhaupt wurden wir in Japan überall unwahrscheinlich herzlich und freundlich begrüßt und das hat mich sehr beeindruckt.
Am 11., 12. und 13. Dezember hatten wir dann drei Konzerte hintereinander. Das erste war in einem Noblemen’s Club, das zweite im Goethe-Institut und das dritte in einer deutschen Schule. In dem Noblemen’s Club saßen viele ältere Herrschaften, aber auch ein paar kleinere Kinder. Nach unserem Konzert haben wir uns noch ein wenig mit Japanern, aber auch Deutschen unterhalten, und es spielte uns noch ein blindes Zwillingspaar ein Klavierstück zu vier Händen von Rachmaninoff vor. Wir waren sehr gerührt und haben sie gefragt, wie man Klavier spielen lernen kann, wenn man nichts sehen kann.
Das Konzert im Goethe-Institut war unser Hauptkonzert, und wir haben im Rahmen eines Wettbewerbs gespielt, in dem es um die Reise für die Japaner nach Deutschland ging. Nach dem Konzert, in einem gut klingenden Konzertsaal, gab es eine Party für alle, und wir konnten uns gut mit den anderen Jugendlichen austauschen, die an dem Wettbewerb teilgenommen hatten, und die wir zum Teil auch gehört hatten.
Nach diesen drei Konzerten hatten wir einen Tag frei, an dem wir nach Kawagoe gefahren sind, weil dort die Hoshino Highschool ist, in der wir am nächsten Tag ein weiteres Konzert hatten. In der Hoshino Highschool spielten wir im Rahmen eines Schulkonzerts. Wir konnten uns die erste Hälfte anschauen, in der zum Beispiel ein Koto- Orchester, ein sinfonisches Blasorchester und eine Marching Band spielten. Die schuleigenen Ensembles haben richtig gut gespielt! Es hat uns allen viel Freude gemacht, in dem Konzertsaal aufzutreten, weil die Akustik einfach toll war. Nach dem Konzert haben wir uns noch ein bisschen mit den Schülern unterhalten und Fotos gemacht.
Am nächsten Tag mussten wir wieder nach Deutschland fliegen, was allen sehr schwer fiel, denn Japan ist eine ganz andere Welt als Deutschland, und die Menschen, das Essen, das Land und die Kultur sind komplett verschieden. Auch die Konzerte waren immer anders, und man konnte viele neue Erfahrungen, Eindrücke und Inspirationen sammeln. Vielen Dank an den Deutschen Musikrat und die Irino-Siftung für diese wundervolle Japan Reise.
Julia Puls
Kevin Dietrich schreibt:
Die Japanreise war für mich wohl das außergewöhnlichste Ereignis im gesamten Jahr. Es war wirklich sehr beeindruckend, die japanische Lebensweise kennenzulernen und mitzuerleben. Deshalb möchte ich mich recht herzlich für diese einzigartige Einladung bedanken. Japan ist ein wirklich sehr schönes Land. Mich hat vor allem die Freundlichkeit der Menschen fasziniert.
Nach unserer Ankunft am Flughafen Tokio wurden wir von Frau Irino abgeholt und fuhren mit dem Bus in die Stadt. Schon auf dieser einstündigen Fahrt konnte man den Anblick der großen Gebäude und der anderen Bauten genießen. In der Innenstadt dann wechselten wir in Taxis und fuhren weiter zum Hotel. Nur kurze Zeit später trafen wir uns dann im Hotelrestaurant und aßen dort gemeinsam. Nach dem Mittag hatten wir Zeit, uns auszuruhen, um dann am Abend in ein Koto-Konzert zu gehen.
In der kommenden Zeit folgten noch weitere Konzertbesuche, an denen wir als Zuhörer oder Mitwirkende teilnahmen. Die Werke, die ich dort mit dem Akkordeon aufführte, hatte ich bereits im Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ gespielt: Eine Sonate in D-Dur von Joseph Haydn, eine Konzert-Suite von Franck Angelis (1. Brel Bach, 2. Soliloque, 3. Asia Flashes) und von Bogdan Precz das Stück „3-3-2“. Diese Stücke kamen sehr gut beim Publikum an. Es folgten auch einige Gespräche zu meinem Instrument. Ich habe erfahren, dass dieses Instrument nicht besonders populär in Japan ist und nur vereinzelt im Pop-Bereich verwendet wird. So war es für mich eine besonders große Freude, den Japanern auch die anderen klanglichen und virtuosen Möglichkeiten auf dem Akkordeon vorzustellen. Die Konzertsäle, in denen wir spielten, waren stets unterschiedlich beschaffen. So konnten wir unsere Musik in der Halle einer Bildergalerie, in einem Raum des Noblemen‘s-Club, im Saal einer Musikschule und auch in der gigantischen Aula der Highschool in Kawagoe zum Klingen bringen.
Das Essen in Japan war nicht wirklich mein Fall. Selbst im chinesischen Restaurant, in dem wir aßen, habe ich mit anderen Speisen gerechnet als mit Qualle oder anderen Fischgerichten. Dennoch fand ich Sushi sehr lecker. Jetzt wo ich einmal in Japan war, kann ich es kaum erwarten bald mal wieder in dieses wundervolle Land zu reisen, um noch mehr über die Stadt Tokio und auch die musikalische Welt dort zu erfahren.
Cosima Baumeister resümiert:
Irgendwann im September schickte mir meine Mutter eine E-Mail. „Möchtest du mit nach Japan fahren?“ Natürlich habe ich mich sehr gefreut, dass ich dieses Angebot bekommen hatte und sofort zugesagt. Zu diesem Zeitpunkt hielt ich mich in Amerika auf, und per Mail beratschlagten meine Duopartnerin und ich: Was spielen wir für Stücke? Klar, das JuMu-Programm, aber das würde wohl nicht reichen. Julias Klarinettenlehrer konnte uns helfen und schlug ein Klarinettenkonzert von Bernhard Henrik Crusell vor, das Julia schon kannte. Also hieß es üben, üben, üben, da nur noch eineinhalb Monate Zeit blieben. Unser altes Programm musste auch aufgefrischt werden: eine Sonate von Bohuslav Martinu und die erste der Romanzen von Robert Schumann.
Am 6. Dezember ging es dann von Münster los nach München, wo wir die anderen Jugendlichen kennenlernten, Nathan, Elisabeth, Won-Ho und Kevin. Da wir nur zu sechst waren, konnten wir uns schnell gut kennenlernen und hatten sehr viel Spaß zusammen.
Während der ersten Tage konnten wir den Jetlag ausschlafen und uns Konzerte anhören. In der ganzen Zeit waren fünf Konzerte geplant. Wir hatten außerdem die Möglichkeit, zwei Konzerte Neuer Musik und ein Koto-Konzert zu besuchen. Besonders das Koto-Konzert gefiel mir sehr gut, da das japanische Instrument auch ein Stück der dortigen Kultur widerspiegelt.
Wir waren überrascht, dass wir schon bei unserem ersten Konzert in einem Museum vor relativ vielen Zuhörern spielen durften. Die darauf folgenden waren in einem Nobelklub, dem Goethe-Institut, einer Deutschen Schule und einer japanischen High School.
Vor dem sehr unterschiedlichen Publikum zu konzertieren hat uns allen sehr viel Spaß bereitet. Besonders vor den gleichaltrigen Schülern zu spielen war sehr interessant, weil sie unerwartet diszipliniert und leise waren. In der Hoshino High School spielen zu dürfen war für mich ein einmaliges Erlebnis. Die Akustik in dem riesigen Saal war großartig, der neue D-Flügel von Steinway fantastisch! Die 1.500 Schülerinnen und Schüler haben sehr ruhig und interessiert zugehört. In den zwei Tagen, in denen wir an dieser Schule zu Gast waren, habe ich, glaube ich, die meisten neuen Erfahrungen gewonnen. Die Schule war sehr anders und viel strenger als Schulen in Deutschland. Wir Deutschen waren fast kleine Stars.
Alles in allem finde ich, dass Tokio eine sehr interessante und unglaubliche Stadt ist, jedoch könnte ich mir nicht vorstellen, dort zu leben. Aber vielleicht liegt das auch an dem Essen, denn mit dem Reis mit Algentee kam ich gar nicht klar. Das Üben und das Nachlernen haben sich auf jeden Fall gelohnt, ich habe viele neue Dinge und Menschen kennengelernt. Es war eine großartige Reise.