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Der angemessene Umgang mit Daten im digitalen Zeitalter
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Früher war alles mühsamer. Inklusive dem Fallen aus allen Wolken. Wolken heißen heutzutage „cloud“, sind komfortabler als der größte Vorratsschrank und sollen vor Abstürzen jeder Art retten. Wir ertappen uns andererseits, dass uns die Begegnung mit Telekommunikationsgeräten aus den 90er-Jahren Tränen der nostalgischen Rührung in die Augen treibt. Das ist der Fortschritt. Er macht auch vor „Jugend musiziert“ nicht Halt. Und wenn es auch vermessen ist, das folgende Urteil für alle Bereiche gleichermaßen zu fällen. Für „Jugend musiziert“ ist es gut so!

Ohne die ständige innere Erneuerung, die immerwährende intensive Diskussion auf allen Wettbewerbsebenen in größeren und kleineren Gremien wäre dieser Wettbewerb längst in den Fluten der bundesdeutschen Bildungsgeschichte versunken. 

Nun erneuert sich auch „Germany’s next Topmodel“ von Staffel zu Staffel, es liegt in der Natur der Sache, könnte man sagen, schließlich soll solch ein Wettbewerb oder Fernsehformat ja attraktiv bleiben. Entscheidend ist allerdings, für wen? Im Falle der Model-Show gilt die Runderneuerung ausschließlich dem Flirt mit dem Werbekunden. Eine lustige, bizarre, skandalumwitterte Sendung erhöht die Einschaltquote, sodass sich Werbesekunden teurer verkaufen lassen. Die sogenannten Hauptdarsteller sind nichts als Staffage. Das Reglement bleibt im Dunkeln, es spielt auch nicht wirklich eine Rolle in der Entwicklung des Formats. 

Stars statt Staffage

Genau umgekehrt verhält es sich bei „Jugend musiziert“. Hier standen und stehen die jungen Musiker im Mittelpunkt. Das war das erklärte Ziel bei seiner Gründung und hat sich in 49 Jahren nicht geändert. Die Verantwortlichen entwickelten geeignete Mittel, damit die Jugendlichen ihre Teilnahme am Wettbewerb als persönliches Erfolgserlebnis empfinden. Das kann nur dann funktionieren, wenn dafür gesorgt ist, dass die Wettbewerbsregeln den verschiedenen Lebensaltern angemessen sind und dennoch eine musikalische Herausforderung darstellen. Ebenso wichtig ist der direkte Vergleich mit anderen Teilnehmern. Der besondere Reiz besteht darin, dass dieser Vergleich mit vielen gleichaltrigen Musikern und unabhängig von der eigenen musikalischen „Heimat“ möglich ist. Treffen sich im Regionalwettbewerb bereits Musiker aus dem gesamten Landkreis, so vergrößert sich der Radius auf jeder Wettbewerbsebene. Erkenntnisse, die in diesem Kontext über den eigenen Status Quo gewonnen werden, wiegen ungleich mehr. Das gesamte Reglement ist über Jahrzehnte immer wieder gründlich auf Herz und Nieren geprüft worden, denn „Jugend musiziert“ vertritt nichts weniger als einen kulturellen Bildungsauftrag. Kurioserweise steigen die Teilnehmerzahlen von Jahr zu Jahr, obwohl gerade nicht auf etwaige Kunden oder Moden geschielt wird.

Beiden Formaten gemeinsam ist die Öffentlichkeit, in der die „contests“ stattfinden. Sie fungiert im Falle von „Jugend musiziert“ aber als Teil der pädagogischen Idee: Das Publikum ist nicht der sensationslüsterne Laienrichter, der nach Schwachstellen sucht, um sie ans Licht zu zerren. Ganz bewusst wird im Gegenteil ein Kontext geschaffen, der das Publikum auf die Wertschätzung dieser künstlerischen Leistung einnordet. So hat auch die breite Öffentlichkeit wesentlichen Anteil am Funktionieren des Wettbewerbs. Denn „Jugend musiziert“ vertraut darauf, dass die beschriebene Atmosphäre entsteht, wenn man sich ein Bild machen kann, in dem Wertungsspiele frei zugänglich sind, Veranstaltungszeitpläne für alle einsehbar aushängen und Programmhefte mit der Vorspielliteratur und Ergebnislisten veröffentlicht werden.

Das Anti-Aging-Programm

„Jugend musiziert“ ist ein Musikwettbewerb für Kinder und Jugendliche. Generationen von Nachwuchsmusikern sind sich hier begegnet. Alle neu Hinzukommenden geben dem Wettbewerb auch neue Impulse, sodass das bestehende Reglement immer wieder mit der aktuellen Lage abgeglichen werden muss. Nur mal angenommen, es begegneten sich bei „Jugend musiziert“ zwei 15-jährige Musiker, der eine geboren in den 60er-Jahren, der andere ein Kind des 21. Jahrhunderts. Wie würden sie staunen über den Horizont des anderen. Während der eine vielleicht mit der Vorführung seines Smartphones beeindruckte, würde der andere ihn mit Kenntnissen zum NATO-Doppelbeschluss oder zum Radikalenerlass verblüffen. Und weiter angenommen, beide hätten dasselbe Werk in ihren Wettbewerbsprogrammen, wie würde der „alte“ 15-Jährige über die Technik und Virtuosität des jungen staunen und gleichzeitig die Erkenntnis gewinnen, dass man als 15-Jähriger zu solchen musikalischen Leistungen tatsächlich in der Lage sein kann? Das musikalisch-künstlerische Leistungsniveau einer Generation, ihre Erwartungen auf Beurteilung auf Augenhöhe, an adäquate Wertungsräume, ein hochwertiges Instrumentarium, all das wirkt auf das Wesen des Wettbewerbs zurück, ja all diese unausgesprochenen Forderungen verändern den Wettbewerb und halten ihn ständig jung. Er wirkt auch auf DIE Wesen des Wettbewerbs, denn auch die Verantwortlichen und Organisatoren lassen sich ja anstecken und bewegen, den Wettbewerb zu verändern. 

Jugend digitalisiert

So, wie sich „Jugend musiziert“ als pädagogisch-künstlerisches Projekt immer wieder verändert, so finden auch im organisatorischen Ablauf im Laufe von beinahe fünf Jahrzehnten immer wieder Anpassungen statt. Während musikalische, künstlerische, pädagogische Neuerungen behutsam und nach vielem Abwägen und Diskutieren Eingang in das Wettbewerbsgeschehen fanden, kann man in technischer Hinsicht allerdings durchaus von heftigen Erschütterungen sprechen. Nur wenige Wettbewerbsjahre brauchte es, bis das papierene Zeitalter unwiderruflich endete. Von rechnergestützter Organisation ist seither die Rede, ja von brancheneigener Software, Online-Formularen und ganz neu: vom QR-Code. Komfortabel soll es gehen, zügig. Niemand, der sich mit der Interpretation von Musik befassen möchte, will sich lang mit technischen Spitzfindigkeiten aufhalten. „Jugend musiziert“ nutzt auch die zeitgenössischen Plattformen zur Ankündigung der Wettbewerbsbedingungen, entlastet die Bundespost, indem Online-Versionen diverser Formblätter zum Download angeboten werden und ermöglicht den Teilnehmern den Check ihrer Ergebnisse via Internet kurz nach der Ergebnisbekanntgabe vor Ort. „Das kann man im 21. Jahrhundert ja wohl erwarten“, werfen die Zeitgenossen ein und warten gleich mit weiteren Vorschlägen auf, um den Wettbewerbszugang noch komfortabler und „Jugend musiziert“ noch populärer zu machen: Online-Anmeldung, automatisierter Check von Wertungsprogrammen, Präsentation von Wertungsspielen im Internet, digitale Konzerthalle und so weiter und so weiter. 

Wohlfühlen im Cyberspace

Machbar ist vieles, es wäre das eine oder andere sogar durchaus reizvoll: Preisträgerkonzerte in Youtube, die Ergebnisbekanntgaben als live-Stream vom Wettbewerbsort. Jedoch bleibt bei „Jugend musiziert“ der sorgsame Umgang mit den Teilnehmern oberstes Gebot. 

Zu viele schlechte Nachrichten über Cyber-Mobbing, über das Einstellen von Fotos, die sich unversehens nachteilig auf Bewerbungen auswirken. Das Internet ist so etwas wie das absolute Gedächtnis. Was einmal den Weg in die digitale Welt gefunden hat, lässt sich nicht mehr einfangen. 

Auch Erwachsene können die Tragweite ihres Tuns im Netz nicht immer richtig einschätzen. Die Jungen dagegen beherrschen die Bedienung eines digitalen Mediums und halten sich daher oft für souveräner als sie es wirklich sind. Sie müssen den verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien lernen und die Konsequenzen erkennen.

In der Ausschreibung zum 50. Wettbewerb wird dem Aufenthalt im digitalen Zeitalter mehr als zuvor Rechnung getragen. „Jugend musiziert“ ist auch hier auf der Höhe der Zeit.  

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