Es sei die Aussage gewagt: Es gibt keine Musikveranstaltung in Deutschland, auf der so viel zeitgenössische Musik in so vielen Facetten und Ausprägungen zu hören ist, wie bei „Jugend musiziert“. Als der Wettbewerb vor nunmehr fast 50 Jahren startete, tat er dies nicht nur mit der inzwischen hinreichend bekannten Aufgabe, für Nachwuchs in den ausgedünnten Kulturorchestern zu sorgen. Erklärtes Ziel von „Jugend musiziert“ war es von Anbeginn, die zeitgenössische Musik zu fördern und nach Kräften zu ihrer Entwicklung beizutragen.
Nicht zuletzt mit diesem Fördergedanken hat die Tatsache zu tun, dass der Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ in all den Jahrzehnten so oft in Erlangen zu Gast war. Denn bis weit in die 70er-Jahre gab es in Mittelfranken eine vitale Neue Musik-Szene um die Komponisten Werner Heider und Klaus Hashagen und das „ars nova ensemble“. Den Wettbewerbs-Verantwortlichen schien es das Angemessene, junge, hervorragende Interpreten an dem Ort zusammen zu bringen, an dem die Schöpfer dieser Musik wirkten. Im Grunde gibt es keine Überzeugung bei „Jugend musiziert“, die so konsequent durchgehalten wurde, wie die Förderung Neuer Musik. Wenn auch in verschiedenen Ausprägungen:
Da war zunächst die Verpflichtung in den Ausschreibungen, zumindest ein zeitgenössisches Werk in das Wettbewerbsprogramm aufzunehmen. Da sich das Kategorienspektrum im Laufe der Jahre vergrößerte und damit ein regelrechter Bedarf nach weiterer besetzungskonformer, geeigneter Neuer Musik entstand, war es naheliegend, Musikstücke eigens für den Wettbewerb zu komponieren und sich dabei der jeweils aktuellen Ton- und Formensprache zu bedienen. Immer öfter wagten sich die jugendlichen Teilnehmer selbst an die Komposition von Werken, ermutigt durch kreative Vorbilder, waren es die Eltern, der Musiklehrer oder bewunderte Komponisten und ihre Kompositionen. Selbstredend war und ist nicht alles, was im Wettbewerb an Eigenkompositionen zu hören ist, der ganz große Wurf, vieles klingt epigonal, das Vorbild schimmert deutlich durch. Aber doch gibt es immer wieder Stücke, die eine große Eigenständigkeit beweisen, Originalität, Intellektualität und Schöpferkraft.
Nach mehr als 40 Jahren intensiver Promotion war Neue Musik fester Bestandteil des Wettbewerbsrepertoires geworden. 2008 erfand „Jugend musiziert“ eine noch gezielter angelegte Förderung: WESPE – Wochenenden der Sonderpreise – war aus der Taufe gehoben, ein Interpretationswettbewerb, wo man in verschiedenen Kategorien und weitgehend frei gewählten Besetzungen mit neuer und neuester Musik teilnehmen konnte. Einzige und damit niveauvolle Voraussetzung war ein Preis im vorausgegangenen Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“.
Zwei der insgesamt sechs WESPE-Kategorien fordern explizit die Interpretation eigener Kompositionen oder die eines Werks, das in engem Kontakt mit einem Komponisten eigens für „Jugend musiziert“ geschaffen worden war. Um einen Anreiz für die Beschäftigung mit Neuer Musik zu schaffen, konnten eine Reihe von Stiftungen und Organisationen gewonnen werden, die die besten Interpretationen mit Geldpreisen auszeichnen.
Neuer Impuls im Jubiläumsjahr
Fünf Jahre nach der Einführung von WESPE ist nun ein neues Projekt im Begriff aus dem Ei zu kriechen, pünktlich zum 50. Wettbewerb. Nicht zuletzt das Jubiläum schuf den Anlass zur Installation von „Impulse – Junge Interpreten!/Neue Musik!“. Worum geht es da?
„Junge, exzellente Musikerinnen und Musiker, die vor der Teilnahme an einem Wettbewerb stehen, kooperieren mit zeitgenössischen deutschen Komponistinnen und Komponisten, geben Werke in Auftrag, erarbeiten sie mit Unterstützung der Komponistinnen und Komponisten und bringen sie im Rahmen eines Wettbewerbs und in nachfolgenden Konzerten zur Aufführung.“, so der Vorspann der Ausschreibung. Angesprochen fühlen sollen sich mit „Impulse“ junge Musiker zwischen 15 und 25 Jahren in kammermusikalischen Besetzungen von Solo bis Sextett. Die Interpreten wiederum, so die Forderung der Projektverantwortlichen, müssen Teilnehmende an den Wettbewerben des Deutschen Musikrats sein, und speziell von den Interessenten, die über „Jugend musiziert“ zu „Impulse“ kommen, wird mindestens ein erster Preis auf Landesebene gefordert. Die 15-jährige Querflötistin Maren Clara Paterok hat „Impulse“ rasch nach seiner Veröffentlichung im Internet entdeckt und sich beworben. Im vergangenen Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ erreichte sie in der Kategorie Querflöte solo einen ersten Bundespreis mit „The Four Elements“ des in New York lebenden Komponisten Daniel Schnyder. „Das Stück hatte ich im Internet entdeckt. Ich habe dann irgendwann bei einer Probe eine Aufnahme davon auf YouTube gestellt und den Link auf Facebook gepostet. Was dann passiert ist, war unglaublich: Am nächsten Morgen hatte ich eine begeisterte Antwort von Daniel Schnyder auf meine Interpretation. Ich war nicht nur superstolz, mit ihm zu mailen, mit Hilfe von Impulse möchte ich noch mehr und engeren Kontakt zu zeitgenössischen Komponisten bekommen.“
Mit ihrem ganz persönlichen Wunsch erfüllt Maren auch gleich die Ziele des Projekts: Junge Spitzentalente in den Bereichen Instrumentalmusik und Gesang sollen so gefördert werden. Neue Musik durch die überzeugte und überzeugende Interpretation durch junge Musiker eine größere Akzeptanz im Musikleben finden.
Was die Erfinder von WESPE bereits schon einmal formuliert hatten, wird durch Impulse noch einmal verstärkt, denn eine wichtige künstlerische Schlüsselqualifikation besteht darin, ausgetretene Pfade zu verlassen, Neues zu entdecken, eigene Wege zu finden und eine autonome Künstlerpersönlichkeit zu entwickeln, die sich nicht an bekannten Formaten orientiert. Olaf Wegener, Projektleiter der „Förderprojekte Zeitgenössische Musik“, einer der Projektverantwortlichen und Ansprechpartner für „Impulse“ nennt eine weitere Überlegung: „Das Projekt Impulse ist eine wichtige Ergänzung im Verbund aller Förderungen für junge Musiker und zeitgenössische Musik durch den Deutschen Musikrat. „Impulse“ kann Lücken im Bereich des zeitgenössischen Repertoires schließen, indem es Werke anbietet, die nicht nur von Spezialisten zu bewältigen sind. Für die jungen Musiker ist die Beteiligung am Entstehungsprozess der Kompositionen und die Zusammenarbeit mit den Komponisten eine wichtige Brücke zum Verständnis Neuer Musik und zur Erweiterung des musikalischen wie des persönlichen Horizontes. Wir wünschen uns, dass diese Idee Schule macht.“
Komponisten finden
Bei „Impulse“ steht den Interpreten ein jährlicher Pool von sechs Komponisten zur Verfügung, aus jeweils drei arrivierten Künstlern und drei Erfolg versprechenden Nachwuchskomponistinnen und -komponisten, darunter so renommierte Namen wie Isabel Mundry und Komponisten der jüngeren Generation wie Gordon Kampe. Wer diesem Pool angehört, berät eine Projektjury, bestehend aus der Komponistin Carola Bauckholt, Frank Kämpfer, Redakteur für „Neue Musik“ beim Deutschlandfunk und Dr. Thomas Schäfer, Direktor des Internationalen Musikinstituts Darmstadt. Auch die Jury wird jährlich neu besetzt, so dass in allen Bereichen für Fluktuation und Vielfalt gesorgt ist. Federführend bei der Zusammensetzung der Projektjury ist der Beirat des Projektes „Edition Zeitgenössische Musik“, der unter Vorsitz von Wolfgang Rihm regelmäßig Komponisten für diese CD-Reihe auswählt. Eine wichtige Vorgabe für die Aufnahme eines Komponisten in den Pool ist die Bereitschaft, ein Werk von fünf bis sieben Minuten für die entsprechenden Besetzungen und eben für junge Interpreten zu komponieren.
Als Bewerberin bei „Impulse“ ist Maren Paterok in einer komfortablen Situation, denn sie kann sich aufgrund ihrer „Internet-Bekanntschaft“ mit Daniel Schnyder nun wahlweise direkt an ihn wenden und mit ihm über ein zu komponierendes Werk sprechen. Sobald sich Komponist und Interpretin einig sind, legen sie ihren Plan der Projektjury vor. Alternativ hat sie aber auch die Möglichkeit, sich bei „Impulse“ um einen Komponisten zu bewerben. „Impulse“ finanziert den Kompositionsauftrag, unter anderem abhängig von der Besetzungsgröße, der dankenswerterweise aus Mitteln des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) zur Verfügung gestellt wird.
Neben dem Komponistenhonorar werden auch die Kosten für die Einstudierungsarbeit gemeinsam mit der Komponistin oder dem Komponisten oder Reisekosten beglichen. Attraktive Aussichten, eine Bewerbung lohnt sich!