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Ein junger Mann in einem weinroten Hemd vor Glas. Er hat

Julius von Lorentz. Foto: Maarten Sprangh

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Ein Festival der Gleichgesinnten Ein ehemaliger

Untertitel
Jugend-musiziert-Teilnehmer erzählt von seinen Erfahrungen
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Der Deutsche Musikrat interviewt einen langjährigen ehemaligen Teilnehmer: Julius von Lorentz.

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Julius von Lorentz: Mich verbindet eine lange Zeitspanne mit Jugend musiziert: Zum ersten Mal habe ich 2013 teilgenommen, war dann jedes Jahr bis zu meinem Kompositionsstudium 2022 dabei und auch 2023 konnte ich mich nicht so ganz vom Wettbewerb trennen und habe noch spontan eine Begleitung übernommen. In den vergangenen Jahren habe ich nicht nur mit Cello und Klavier teilgenommen, sondern auch bei Jumu open und bei dem Wettbewerb WESPE. Seit diesem Jahr bin ich Koordinator, und konnte beim Bundeswettbewerb in Lübeck einen Blick hinter die Kulissen werfen und sehen, wie viel Organisationsaufwand hinter dem Wettbewerb Jugend musiziert steckt.

Deutscher Musikrat: Und wie kam es dazu, dass du überhaupt bei Jugend musiziert teilgenommen hast? Wie ist dein musikalischer Werdegang?

von Lorentz: Musik hat mich schon immer beschäftigt. Als kleines Kind habe ich für mich selber Spielzeug-Musikinstrumente gebaut, mit denen ich gespielt und dazu gesungen habe. Ich hatte auch ein Orchester aus kleinen Pappmusiker:innen. Mit fünf Jahren, als wir ein Klavier bekommen haben, habe ich mir direkt Klavierstunden gewünscht, als ich acht war, kam dann das Cello dazu. Tatsächlich habe ich mit meinem „Zweitinstrument“ 2013 zum ersten Mal bei Jugend musiziert teilgenommen – in der Kategorie Cello solo Altersgruppe 1b. Da habe ich irgendwie Feuer gefangen für diesen Wettbewerb und habe ab dann jedes Jahr teilgenommen, in manchen Jahren auch in mehreren Kategorien: Klavier solo, Duo mit anderen Instrumenten und häufig noch zusätzlich als Klavierbegleiter. Später habe ich dann auch viel bei WESPE mitgespielt
in ungewöhnlicheren Formationen, zum Beispiel mit Cembalo, Klavier und Synthesizer im Trio. Das war ein Highlight.

DMR: Und wie bist du auf die Idee gekommen, an Jugend musiziert teilzunehmen? Oder kam das über Deine Lehrer oder Deine Eltern?

von Lorentz: Tatsächlich hatte ich bei meiner ersten Teilnahme erst so ungefähr eineinhalb Jahre Cello-Unterricht aber ich hatte einen wirklich engagierten Cello-Lehrer, Alexej Grauberger, der mich damals sehr gefördert hat. Er hat mich überzeugt, an Jugend musiziert teilzunehmen, obwohl ich eigentlich eher noch Anfänger war. Er sagte mir, dass man in der Vorbereitung auf den Wettbewerb viel lernen kann und große Fortschritte macht – größere Fortschritte, als wenn man im Instrumentalunterricht nur für sich übt. Ich habe selbst gemerkt: Wenn man den Wettbewerb als Ziel vor Augen hat, kann das beim Üben motivieren.

DMR: Was ist für dich denn neben dem Wertungsspiel und der guten Leistung, die man abgeben möchte, wichtig bei Jugend musiziert?

von Lorentz: Der Begegnungscharakter von Jugend musiziert ist in den letzten Jahren sehr wichtig für mich geworden und ist bei meinen letzten Teilnahmen eigentlich auch meine Hauptmotivation gewesen, beim Wettbewerb mitzuspielen. Durch einige Meisterkurse außerhalb von Jugend musiziert, aber gerade auch bei den Begegnungen während des Wettbewerbs habe ich viele Menschen kennengelernt, die Freundinnen und Freunde geworden sind, die ich jedes Jahr beim Bundeswettbewerb wiedersehe. Wenn man den Bundeswettbewerb in seinem Musikfestcharakter wahrnimmt und nicht nur zum eigenen Wertungsspiel fährt und dann wieder abreist, sondern die Zeit nutzt, auf der Open Stage, wie es sie etwa in Zwickau gab, mit verschiedenen Leuten zusammen Straßenmusik macht, in verschiedenen Wertungen mitspielt, die Workshops wahrnimmt, mit anderen Teilnehmenden Essen geht und gemeinsam die Preisträger:innenkonzerte anhört, also die Angebote wahrnimmt, die den Wettbewerb vielfältiger machen, dann ist Jugend musiziert quasi wie ein Festival.

DMR: In diesem Jahr spielst du gar nicht beim Wettbewerb mit, sondern du bist Koordinator. Was ist da deine Aufgabe und wie fühlt sich das für dich an?

von Lorentz: Ich begrüße die Teilnehmenden am Wertungsort, teile ihnen ihre Zeiten zum Einspielen und für den Akustiktest mit, biete ihnen einen Termin für das Beratungsgespräch an, bringe sie und die Jury in ihre Räume – kurz, ich schaue, dass alles im Wertungshaus nach Plan läuft.
Für mich war das am Anfang wirklich eine ganz interessante Erfahrung. Bisher kannte ich den Ablauf des Wettbewerbs immer so: Ich bereitete mich monatelang intensiv auf das Wertungsspiel vor, plante alles genau, fieberte darauf hin und schließlich kam sozusagen der große Augenblick, als ich in den Wertungsraum ging, um zu spielen. Und jetzt in meiner Rolle als Koordinator erlebe ich quasi alle 15 bis 20 Minuten diesen „großen Augenblick“ von anderen Teilnehmenden. Deren Aufregung hat sich am Anfang ganz schön auf mich übertragen, weil ich wusste, wie es für mich damals war. Doch jetzt hat es sich nach und nach immer mehr eingespielt und ich denke, das ist auch gut so, weil die Ruhe, die ich dann habe, auch ein wenig auf die Teilnehmenden ausstrahlen kann.
Es war auch sehr spannend, den Ablauf der Wertungsspiele mal aus dieser anderen Perspektive zu sehen, vor allem die immer ähnlichen Mantras vor und nach den Vorspielen, die mir in den letzten Jahren selbst gesagt worden waren: „Es wird bestimmt super werden, viel Erfolg!“ und „jetzt ist es geschafft, du hast echt toll gespielt!“. Alle sind meistens nach den Wertungsspielen in erleichterter Stimmung, umarmen sich und freuen sich, dass es gut gelaufen ist. Das sind dann auch sehr schöne Momente, die man da mitbekommt.

DMR: Der Bundeswettbewerb Jugend musiziert ist ja nicht damit zu Ende, dass man seine Urkunde bekommt, sondern es gibt auch Anschlussförderungen wie den Kammermusikkurs, oder WESPE – das Wochenende der Sonderpreise – und den WDR 3 Klassikpreis der Stadt Münster. Darüber hinaus gibt es eine Zusammenarbeit mit Festivals und Veranstaltern wie dem Mozartfest. Hast du auch an solchen Förderungen teilgenommen?

von Lorentz: Ja, ich habe bei einigen Förderungen mitgemacht. Zum Beispiel war ich gerade letztes Jahr beim Mozartfest Würzburg. Das war eine tolle Erfahrung, weil ich da wieder viele Freunde und Freundinnen getroffen habe aus den letzten Jahren und wir zusammen viel Musik gemacht haben. Das Mozartfest hat uns die Möglichkeit geboten, mit sehr guten Dozent:innen zusammenzuarbeiten und ganz außergewöhnliche Programme zu erarbeiten. Wir haben mit dem Cellisten Ivan Turkalj Musik von Florian Willleitner, die er für sein New Piano Trio komponiert hat, einstudiert und aufgeführt.
Auch bei WESPE war ich viele Jahre dabei. Das erste Mal 2017 mit einem eigenen Stück für präpariertes Klavier und seit 2020 bin ich so richtig WESPE-süchtig geworden! Ich habe jedes Jahr mehrere Wertungen gemacht, viel auch mit eigenen Kompositionen in experimentellen Besetzungen und habe diesen Wettbewerb als eine Förderstufe nach dem Bundeswettbewerb noch besser wahrgenommen und genutzt.

DMR: Warum würdest du jemandem raten, bei Jugend musiziert mitzumachen? Was würdest du einem Kind sagen, das ein Instrument erlernt?

von Lorentz: Ich kann es allen jungen Musiker:innen nur empfehlen, am Wettbewerb teilzunehmen: Wenn du gerne Musik machst, eine Herausforderung suchst, um auf deinem Instrument besser zu werden, wenn du Spaß dabei haben möchtest, gemeinsam mit Gleichaltrigen Musik zu machen, neue musikinteressierte Freund:innen finden willst, mit denen du auch noch in einigen Jahren gerne zusammen musizieren wirst, dann nimm dir eine Teilnahme an Jugend musiziert als Ziel, und ich bin mir sicher, dass dich das motivieren wird, auf deinem Instrument immer besser zu werden und gleichzeitig sammelst du auch noch tolle Erfahrungen in dieser Zeit.

DMR: Du bist im Vorstand des neu gegründeten Fördernetzwerks Jugend musiziert. Was motiviert dich, dort mitzuarbeiten?

von Lorentz: Nachdem ich bei Jugend musiziert nicht mehr als Teilnehmer dabei sein konnte, weil ich jetzt Komposition studiere, habe ich mir gedacht, es wäre schön, dem Wettbewerb weiter verbunden zu bleiben und es war mir wichtig, das, was ich in den Jahren erlebt habe, zukünftig auch anderen zu ermöglichen. Deshalb hat es sehr gut gepasst, dass Marvin Braun, Susanne Fließ und andere Koordinator:innen und Mitarbeiter:innen von Jugend musiziert die Idee hatten, ein Fördernetzwerk für Jugend musiziert ins Leben zu rufen. Und als ich dann gefragt wurde, ob ich Interesse hätte, daran mitzuarbeiten, habe ich ohne viel zu zögern ja gesagt und bin im November 2023 zur Gründung nach Bonn gefahren. Mich hat vor allem die Idee fasziniert, dass wir es schaffen möchten, diesen Begegnungscharakter von Jugend musiziert, dieses Musikfest, was es ja auch neben den Bewertungen sein soll, noch weiter zu fördern und auszubauen. Dass Angebote wie die Open Stage ermöglicht werden können, dass der Austausch zwischen den Teilnehmenden noch weiter gefördert wird, dass alle gerne über die gesamte Wettbewerbszeit dort bleiben möchten, um viele Wertungsspiele der anderen Teilnehmenden anzuhören, um in die Preisträger:innen-Konzerte zu gehen und das Feedback der Bundesjury in den Beratungsgesprächen wahrzunehmen. Gleichzeitig will das Fördernetzwerk Jugend musiziert es auch ermöglichen, dass Teilnehmende mit finanziell schwächerem Hintergrund zum Wettbewerb fahren und dort eine Unterkunft bezahlen können. Das sind die beiden wichtigsten Punkte, die mich sehr motiviert haben, im Fördernetzwerk mitzuarbeiten. Um diese Anliegen umzusetzen, sind wir jedoch auf Spenden und die Förderung durch langfristige Unterstützer:innen angewiesen und deshalb würden wir uns sehr freuen, wenn alle, denen Jugend musiziert am Herzen liegt, einen Beitrag dazu leisten könnten, dass Jugend musiziert noch mehr zu einem Musikfest der Begegnung für die Jugend wird.

DMR: Warst du mal bei einem der Wettbewerbe an einer der Deutschen Schulen im Ausland oder auch bei einem der Landeswettbewerbe, die dort stattfinden?

von Lorentz: Ich habe selber nie bei einem Wettbewerb der Deutschen Schulen gespielt, aber ich habe lange zusammen mit Victoria Herraiz Crone, einer spanischen Sängerin aus der Deutschen Schule in Malaga, musiziert und habe in der Zeit auch etwas von dem Spirit mitbekommen, der dort auf den Wettbewerben herrscht. In dieser Art stelle ich mir das auch zukünftig für den Bundeswettbewerb Jugend musiziert vor: dass alle noch viel mehr aufeinander zugehen, sich kennenlernen, sich austauschen, zusammen essen gehen, Spaß haben, auf der Straße zusammen musizieren, sich gegenseitig in den Wertungen zuhören, sich gegenseitig ermutigen und so noch viel mehr wie eine große Familie funktio­nieren. So macht Musizieren gleich noch mehr Spaß!

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