Der Bundeswettbewerb Jugend musiziert bringt Menschen zusammen, schafft musikalischen Austausch und einzigartige Erlebnisse, die unersetzlich sind. Ulrike Lehman, Projektleiterin vom Bundeswettbewerb Jugend musiziert, erläutert: „Wir glauben an die Notwendigkeit und Kraft von musikalischer Begegnung, auch wenn dies nur unter Freisetzung von Emissionen gelingen kann. Aber wir wollen unsere Nachhaltigkeitsbemühungen ausbauen und unsere Veranstaltungen langfristig so gestalten, dass sie möglichst ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig sind und schon jetzt Emissionen einsparen, wo wir können. Wir wollen auch unsere Teilnehmenden sowie unsere Partner*innen und Sponsor*innen dazu ermutigen, nachhaltige Maßnahmen zu ergreifen. Wir glauben, dass Musik und Kultur eine starke Kraft für den Wandel sind und dass wir durch unsere Arbeit bei Jugend musiziert einen positiven Beitrag für unsere Umwelt und Gesellschaft leisten können.“
Erfolgreich in gesellschaftlicher Verantwortung
Beim 60. Bundeswettbewerb Jugend musiziert 2023 in Zwickau, Werdau, Meerane und Reichenbach im Vogtland wurden alle Teilnehmenden eingeladen, bei einer Umfrage mitzumachen und ihren CO2-Fußabdruck für An- und Abreise und Aufenthalt zu erfassen. Über 300 Musiker*innen haben sich beteiligt. Für sie fand im September ein digitaler Workshop mit Prof. Ulrich Rademacher, Projektbeiratsvorsitzender und Bundesjury-Vorsitzender Jugend musiziert, und Barbara Haack, stellvertretende Beiratsvorsitzende Jugend musiziert, statt: „Erfolgreich Musiker*in sein – in gesellschaftlicher Verantwortung: Das große Spektrum der Musikberufe“.
Felicitas Sommer ist im Jugend musiziert-Team federführend für den Themenkomplex Nachhaltigkeit zuständig. Sabine Siemon sprach mit ihr über den CO2-Fußabdruck des Bundeswettbewerbs.
Sabine Siemon: Wie kam es zu der Untersuchung des CO2-Fußabdrucks?
Felicitas Sommer: Den Deutschen Musikrat, Träger vom Bundeswettbewerb Jugend musiziert, treiben gesellschaftlich aktuelle Themen genauso um, wie unsere Hauptzielgruppe, die jugendlichen Teilnehmenden. Aber auch in Zusammenarbeit mit unserem Hauptförderer, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sowie unserem Hauptsponsor, dem Sparkassen- und Giroverband, möchten wir nachhaltige Ziele verfolgen. Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass die Ressourcen, die uns auf der Erde zur Verfügung stehen endlich sind und wollen hiermit umsichtig und nachhaltig umgehen. Kulturelle Begegnung und musikalischer Austausch gelingen nur unter Freisetzung von Emissionen, jedoch wussten wir bisher nicht annähernd, mit welchen Größenordnungen wir es hier überhaupt zu tun haben. Also wollten wir einen ersten Anlauf nehmen, uns dem Fußabdruck des Bundeswettbewerbs in konkreten Zahlen anzunähern.
Siemon: Was wird damit bezweckt?
Sommer: In einem ersten Schritt wollten wir zunächst den Klimaeinfluss des Bundeswettbewerbs ermitteln, um Transparenz darüber zu erlangen, von welchen Größenordnungen wir hier eigentlich sprechen. Außerdem wollten wir lernen, wer oder was die großen Emissionstreiber sind, weil es dann leichter ist, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um den Fußabdruck des Bundeswettbewerbs Jugend musiziert langfristig zu verbessern.
Siemon: Wie wurde die Abfrage durchgeführt?
Sommer: Uns war schnell klar, dass der Großteil der Gesamtemissionen des Bundeswettbewerbs durch die vielen mitwirkenden Personengruppen – Teilnehmende mit Familien und Lehrkräften, die Bundesjury und unser Team –, die durch die ganze Republik und zum Teil auch aus ganz Europa von den Deutschen Schulen im Ausland zum Bundeswettbewerb reisen und oft mehrere Tage vor Ort sind, entsteht. Deswegen wollten wir genau dort ansetzen. Um eine solide Berechnungsgrundlage für die Emissionsdaten zu bekommen, haben wir mit unserem Partner Capgemini Invent eine Umfrage entworfen, mit der die Reise- und Unterkunftsdaten dieser Personengruppen abgefragt und analysiert werden können. Anhand der daraus identifizierten Aktivitätsdaten und den passenden Emissionsfaktoren wurde eine Berechnung erstellt, die uns einen durchschnittlichen CO2-Abdruck pro Teilnehmer*in errechnet hat. Durch die Extrapolation der Daten haben wir zudem einen Gesamtfußabdruck, bezogen auf alle Mitwirkenden und ihre Begleitpersonen, erhalten. Die Daten geben uns darüber hinaus Aufschluss über einzelne Bereiche und deren jeweiligen Anteil am Gesamtfußabdruck. Außerdem wurde für alle, die an der Umfrage teilgenommen hatten, der persönliche Bundeswettbewerbs-Fußabdruck berechnet.
Siemon: Was besagen die Ergebnisse?
Sommer: Die Ergebnisse zeigen uns sehr deutlich auf, dass die An- und Abreisen mit 67 Prozent einen großen Teil der Gesamtemissionen ausmachen und die Übernachtungsform und -dauer sehr stark ins Gewicht fallen, die Ernährungsform hingegen nicht so sehr. Interessant ist beispielsweise, dass lediglich 3 Prozent der Teilnehmenden mit dem Flugzeug angereist sind, diese Anreisen jedoch einen Anteil von über 30 Prozent an den Gesamtemissionen bezogen auf die Anreise haben. Die Ergebnisse zeigen uns auch, dass weit über die Hälfte der Teilnehmenden mit dem Auto anreisen und nur 9 Prozent die Bahn genutzt haben. Solche Ergebnisse sind jedoch unbedingt vor dem Hintergrund der jeweiligen geografischen Lage der Stadt zu betrachten, in der wir mit dem Bundeswettbewerb zu Gast sind, so dass diese Zahlen bei einem Bundeswettbewerb in einer besser angebundenen Stadt vielleicht schon wieder anders sind. Gleichzeitig reisen unsere Teilnehmenden oft mit großem Instrumentarium, so dass ein Auto oder gar ein kleiner Transporter oft unumgänglich sind. Das errechnete Gesamtergebnis wird im Laufe der kommenden Jahre wiederum an Bedeutung gewinnen, wenn wir bei den nächsten Bundeswettbewerben erneut Berechnungen anstellen und die Ergebnisse miteinander ins Verhältnis setzen. Unser Ziel ist es, langfristig unseren Fußabdruck zu senken.
Siemon: Wie geht man weiter vor?
Sommer: Auch wenn wir wissen, dass dies keine vollständige CO2-Bilanz ist, möchten wir bei den kommenden Bundeswettbewerben unbedingt ebenfalls unseren CO2--Fußabdruck erfassen, denn dieser betrachtete Bereich macht einen relevanten Großteil davon aus. Daher möchten wir hier langfristig unbedingt Transparenz über die Zahlen erlangen, um diese nachhaltig zu verbessern. Wir möchten noch stärker unsere Reichweite über Social Media nutzen, um beispielsweise auf das Veranstaltungsticket, welches wir mit der Deutschen Bahn anbieten, aufmerksam zu machen. Damit fährt man nicht nur preislich oft günstiger als mit einem regulären Bahnticket, die Deutsche Bahn kompensiert außerdem die mit dem Ticket gefahrene Strecke. Überhaupt möchten wir über unseren Einfluss in die Gesellschaft, zu unseren Teilnehmenden und ihren Familien und Lehrkräften, verstärkt auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam machen und die Chance nutzen, zu einem noch größeren Bewusstsein für das Thema beizutragen.
Siemon: Wenn man feststellt, dass die Flugreisen der Teilnehmenden aus den DSA den größten Faktor ausmachen, wird man trotzdem nicht auf deren Teilnahme verzichten, oder?
Sommer: Selbstverständlich nicht! Wir sind froh und stolz auf unsere Teilnehmenden von den Deutschen Auslandsschulen und schätzen diesen bereichernden Austausch. Jugend musiziert lebt durch den Austausch und die musikalische Begegnung, die wir keinesfalls eindämmen möchten. Wir wissen, dass dies nur unter Freisetzung von Emissionen gelingen kann, glauben aber an die Kraft, die Musik auch für einen gesellschaftlichen Wandel sein kann und möchten durch unsere Arbeit bei Jugend musiziert einen positiven Beitrag hierzu leisten.
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