Es bleibt vertrackt. Auch rund ein Jahr später regiert das Corona-Virus das bundesdeutsche Kulturleben. Und weil „Jugend musiziert“ Teil davon ist, Maßstäbe setzt, in künstlerischer wie in pädagogischer Hinsicht, ein atmendes System ist, richten sich die Planungen rund um das Wettbewerbsjahr 2021 ebenso nach den staatlichen Vorgaben und Empfehlungen wie die aller anderen Kultureinrichtungen auch. Nach der Absage fast aller Landeswettbewerbe und des Bundeswettbewerbs 2020 haben sich die Verantwortlichen 2021 frühzeitig auf die Öffnung der Wettbewerbe für digitale oder hybride Formate verständigt. Um die Vorbereitungszeit angesichts der sehr eingeschränkten Möglichkeiten für Präsenzunterricht – besonders für Ensembles – zu verlängern, wurden in einigen Bundesländern die Regionalwettbewerbe verschoben oder auch mit den Landeswettbewerben zusammengelegt, die für März geplant sind.
15.000 Bewerbungen für „Jugend musiziert“ 2021 verzeichneten die Verantwortlichen zum Bewerbungsschluss am 15. November 2020 bundesweit. Ein sicheres Zeichen für die Vitalität und Attraktivität von „Jugend musiziert“ , selbst in diesen Zeiten. Hinter dieser Zahl stecken nicht nur leistungsbereite Nachwuchsmusikerinnen und -musiker und engagierte Pädagogen. Es sind gut informierte, verantwortungsvoll handelnde Menschen, die einerseits leidenschaftlich unterrichten oder musizieren, die aber andererseits als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und der Welt das Pandemiegeschehen aufmerksam beobachten und sich ihrer Verantwortung der eigenen Familie und der Gesellschaft, in der sie leben gegenüber, bewusst sind. Trotz allem wünschen sie sich, an „Jugend musiziert“ 2021 teilzunehmen. Die erfreulich hohe Anmeldezahl ist Impuls und eine Ermutigung für die Wettbewerbsplanerinnen und -planer.
Am Tag des Redaktionschlusses erreichte das Jumu Team eine sehr herausfordernde aber auch ermutigende Mail. Hier einige Zeilen daraus: „Auch der Duo-Unterricht per Skype funktioniert sehr gut. Dank Videoaufnahme kann unsere Klavierlehrerin sehr gut gemeinsam mit den Kindern einzelne Stellen aus dem Programm detailliert besprechen, ohne dass sie selbst vor Ort ist. Alle Beteiligten, allen voran die Kinder, die Lehrer*innen und die Eltern haben sich den erschwerten Bedingungen untergeordnet und haben sich vorbildhaft im Sinne der Corona-Schutzverordnung verhalten. Natürlich vermissen alle die Vorspiel- bzw. Konzertroutine, da seit fast einem Jahr keine Konzerte mehr stattgefunden haben. Trotzdem haben sie sich für den Wettbewerb und damit für zusätzliche Belastung entschieden. Unserer Ansicht nach wäre es völlig demotivierend, geradezu unverantwortlich, den Wettbewerb jetzt noch abzusagen. Alle Kinder und Jugendlichen brauchen wieder eine positive Bestätigung ihrer musikalischen Aktivitäten und ihres Engagements (und nicht nur dort). Sie brauchen einen Lichtblick, ein Ziel, auf das es sich lohnt hinzuarbeiten.“
Der Wettbewerb „Jugend musiziert“ startet ja klassischerweise im Januar mit Regionalwettbewerben in rund 140 Regionen und Städten. So war es beeindruckend zu sehen, wie die Verantwortlichen der Regionalausschüsse nach dem Anmeldeschluss im November des Vorjahres und im Angesicht der nahenden Wettbewerbssaison, die sie vor nie gekannte Herausforderungen stellte, viele verschiedene tragfähige Durchführungskonzepte für „Jugend musiziert“ entwickelten und immer wieder an die aktuellen Bedingungen anpassten.
Jeder ausführende Veranstalter von Wettbewerben auf Regional-, Landes- und Bundesebene plant und organisiert den jeweiligen Wettbewerb selbstständig. Die gemeinsame inhaltliche Klammer, die alle drei Wettbewerbsebenen miteinander verbindet, ist ausschließlich die Ausschreibung für das jeweilige Wettbewerbsjahr. So liegt es auch in der Verantwortung jeder Region, die individuell geltenden Corona-Bestimmungen zu berücksichtigen und die Wettbewerbsplanungen mit dem zuständigen Gesundheitsamt vor Ort abzustimmen. Bei Redaktionsschluss haben die ersten Regionalwettbewerbe bereits stattgefunden, als Präsenzwettbewerb – teils ohne Publikum – hybrid, oder als reiner Online-Wettbewerb.
Bedingungen sollen bundesweit vergleichbar bleiben
Lange vor dem Bewerbungsschluss und dem sich von Woche zu Woche verschärfenden Lockdown wurde bereits klar, wie aussichtslos die Ausrichtung von Regionalwettbewerben in der seit fünf Jahrzehnten bekannten und bewährten analogen Form sein würde. Wie auch die Corona-Regelungen von Bundesland zu Bundesland verschiedene Ausformungen haben, so entwickelten die Landesausschüsse „Jugend musiziert“ gemeinsam mit den Regionalausschüssen ihres Bundeslandes unterschiedliche Lösungen, immer aus einer gemeinsamen optimistischen Grundhaltung heraus. Sie bildete die Grundlage dafür, Ideen zu generieren, zu prüfen und abzuklopfen, um musikbegeisterten Kindern und Jugendlichen eine Bühne zu bieten.
Die Ergebnisse können sich sehen lassen, das zeigen die Informationen auf den Websites unter www.jugend-musiziert.org/wettbewerbe/landeswettbewerbe.html. Sie haben über die 16 Bundesländer hinweg viele Gemeinsamkeiten in der Durchführung
Für alle die, denen der Weg über Regional- und Landeswettbewerbe bis zum Bundeswettbewerb offen steht, der ja von 20. bis 27. Mai in der Hansestadt Bremen und Bremerhaven geplant ist, wird die Dreistufigkeit 2021 in einigen Bundesländern einmalig aufgehoben und durch einen zweistufigen Wettbewerb ersetzt. Dort finden im März erweiterte Landeswettbewerbe statt, an dem sich alle Bewerberinnen und Bewerber ohne die Vorstufe eines Regionalwettbewerbes beteiligen können. Der Landesausschuss Thüringen geht einen anderen Weg: Auf der Website wird die Durchführung von Regionalwettbewerben angekündigt, ebenfalls im März, zwei getrennte Jurygremien werden dazu einladen. Das erste bewertet die Beiträge der Regionalebene. Im Falle eines 1. Preises mit Weiterleitung bewertet das zweite Gremium die Beiträge erneut. Die Musikerinnen und Musiker erhalten dann die Weiterleitung direkt zum Bundeswettbewerb.
Zeitliche Verschiebung und Verdichtung
Die Verschiebung von Wettbewerben in den März verschafft allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wertvolle zusätzliche Zeit für die Vorbereitung. Denn gemeinsames Üben ist aktuell nicht nur schwierig zu organisieren, weil Musikschulen geschlossen sind und Menschen verschiedener Haushalte sich nicht treffen dürfen. Auch die Planer*innen in den Landesausschüssen haben so ein wenig mehr Zeit, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen, Zeitpläne zu erstellen und Jurygremien zusammenzusetzen. Eine ungeheure Aufgabe mit vielen Unbekannten, der sich die Verantwortlichen da unterziehen. Da sich die Corona-Lage im März mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht entspannt haben wird, begannen im Beirat von „Jugend musiziert“ bereits im vergangenen Jahr die Überlegungen für einen Video- und Internetgestützten Wettbewerb. Es wurde Maß genommen an anderen Musikwettbewerben und auch am chinesischen Partnerwettbewerb von „Jugend musiziert“. Die Länder adaptierten die Empfehlungen des Beirates und ergänzten sie mit eigenen Anregungen. Erstmalig wird es also in vielen Bundesländern einen digitalen Video-Wettbewerb geben. Etwa die Hälfte aller Bundesländer hat die Entscheidung über ein digitales Format noch nicht final gefällt. Der Austausch über technische und organisatorische Fragen hat sich jedoch in den vergangenen Wochen zwischen den Landesausschüssen so verfestigt und intensiviert, dass ein Umstieg in die digitale Variante für jedes weitere Bundesland dann rasch zu bewerkstelligen ist.
Das Handy, der neue musikalische Partner
Wie solch eine Adaptation aussehen kann, ist auf den Seiten des rheinland-pfälzischen Wettbewerbs nachzulesen: Die Musikerinnen und Musiker sind aufgefordert, ihr Wettbewerbsprogramm entweder termingerecht auf einem Datenträger beim Landesausschuss einzureichen oder zu einem vereinbarten Termin auf einen Server hochzuladen. Eine feste Kamera-Einstellung, in der alle Spielenden zu sehen sind, ist verpflichtend. Auf Schwenks oder Zooms soll verzichtet werden. Die einzelnen Werke oder Sätze eines Wettbewerbsprogramms müssen am Stück aufgenommen werden. Damit soll die ursprüngliche Wettbewerbssituation bestmöglich nachgestellt werden. Manipulierende Nachbearbeitungen wie Hall oder andere Effekte sind nicht gestattet. Ermutigend sind erste Versuche, in denen testweise eine Handy-Kamera zum Einsatz kam. Es braucht also keinesfalls „professionelles“ Equipment, um bewertbare Musikbeiträge aufzeichnen zu können. So wurde die komplette Endrunde des chinesischen Partnerwettbewerbes „Chinese Youth Music Competition“ von zwei deutschen Jurorenteams in Münster online durchgeführt. Nach übereinstimmender Einschätzung aller Jurymitglieder bescherten die gestreamten Beiträge in keinem Falle einen Ohrenschmaus. Andererseits war es in jedem Falle möglich, Musikalität, technisches Vermögen, kammermusikalische Qualitäten und andere für eine faire Bewertung wichtigen Aspekte verlässlich einzuschätzen. So konnte allen Teilnehmenden zusätzlich von Preis und Punktzahl ein kurzes schriftliches Feedback der Jury mit auf den Weg gegeben werden.
Die digital durchgeführte Variante des Wettbewerbs hat natürlich auch Auswirkungen auf die Juryarbeit. Groß ist der Wunsch, dass sich zumindest die Jurymitglieder persönlich in einem entsprechend großen Raum zur gemeinsamen Sichtung der eingesandten Beiträge treffen, zum Diskutieren, Beraten und Bewerten. Für den Fall, dass das nicht möglich ist, wurden die Jury-Richtlinien um Bewertungsregeln von Videoeinsendungen ergänzt, hier ein Auszug:
Jurymitglieder sollen die Videodateien zunächst unabhängig voneinander bewerten und ihre Punktzahlen an den Juryvorsitz weitergeben. Danach muss entweder eine Konferenz in einem entsprechend großen Raum oder eine Videokonferenz erfolgen, in der die oder der Juryvorsitzende das vorläufige Ergebnis bekannt gibt, was der darauffolgenden Diskussion als Grundlage dient, bevor die gemeinsame Punktevergabe erfolgt. Die Mitglieder der Jury verpflichten sich, die eingereichten Beiträge komplett abzuspielen und zu bewerten. Die technische Qualität der Videos, also Bild und Ton, darf nicht als Bewertungskriterium herangezogen werden. Worauf 2021 aus Kapazitäts- und zeitlichen Gründen, zumindest auf Landesebene, verzichtet werden muss, das sind die Teilnehmerberatungen.
Planungen mit Augenmaß und im Sinne der Teilnehmer
Es sind die Erfahrungen und das Know-How vieler pragmatisch denkender Menschen, die einen Wettbewerb „Jugend musiziert“ 2021 möglich machen wollen, den es in dieser Form noch nie gegeben hat. Ihre Zuversicht, ihre Entschlossenheit beziehen sie aus dem Wissen um all die Kinder und Jugendlichen und ihre Lehrkräfte, für die der Wettbewerb „Jugend musiziert“ ein fester Termin im Jahresverlauf ist und ein Ziel, auf das sie hinarbeiten. Auch wenn diese Vorbereitung derzeit durch den Lockdown extrem erschwert wird, sieht „Jugend musiziert“ es als seine Aufgabe an, für Motivation zu sorgen. Die Nachwuchsmusiker*innen haben eine Bühne verdient, der Ansporn zu üben hängt eng mit dem Angebot des Wettbewerbs zusammen.