Jährlich im Herbst, wenn die neue Konzertsaison begonnen hat, zeichnet sich der ohnehin anspruchsvolle Veranstaltungskalender des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt durch einen besonderen Akzent aus. Dann reisen auf Einladung des Landesausschusses „Jugend musiziert“ Brandenburg und des Staatsorchesters hochbegabte junge Talente nach Frankfurt (Oder), um vor diesem Orchester auf dem Solistenpodium zu stehen. Dieses Musikereignis ist eine Besonderheit im deutschen Konzertleben. Mittlerweile haben mehr als 70 Solisten aus allen Bundesländern die Frankfurter Bühne betreten.
Auch in diesem Jahr wurden für diese Konzertreihe erste Preisträger des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ 2009 ausgewählt. Ihr Auftritt als Solisten mit dem Brandenburgischen Staatsorchester im Oktober war gleichzeitig das musikalische Rahmenprogramm für den Festakt der Brandenburgischen Staatsregierung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls.
Kolja Legde trägt ein lila glänzendes Jackett, Röhrenjeans und Turnschuhe. Er hat einen E-Bass umgehängt. Hinter ihm stehen die Kontrabassisten des Brandenburgischen Staatsorchesters. Ein ungewohntes Bild für ein doch eher klassisch ausgerichtetes Konzert. Es ist ein Zeichen für die Wandlungsfähigkeit des seit 46 Jahren bestehenden Nachwuchswettbewerbs „Jugend musiziert“, denn der E-Bass war in diesem Jahr erstmals als Solo-Kategorie auf Bundesebene angeboten worden.
Angereist waren zu „Solist 2009“, neben Kolja Legde aus Baden-Württemberg, die Berliner Klarinettistin Anika Weichelt, die beiden Kölner Pianisten Yuhao Guo und Mark-Domenik Kantorovich sowie die beiden Hornisten Dorothea Bender aus Berlin und Jonas Finke aus Brandenburg.
Möglich wurde „Solist“ erst durch den Mauerfall im November 1989, vor 17 Jahren war diese Konzertreihe auch deshalb ins Leben gerufen worden, um junge Musiker aus West und Ost zusammenzuführen. Es ist, so war in diesen Tagen oft zu hören, der jährliche Brandenburger Beitrag zur Deutschen Einheit. Und so sollte im Jahr des Jubiläums „20 Jahre Mauerfall“ aus dem Solist-Konzert am Tag der Deutschen Einheit zugleich ein Festkonzert der Brandenburgischen Landesregierung werden.
„Alle, die heute spielen, kennen den Zustand der Teilung nur noch aus den Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern“, bemerkte Gabriel Zinke, Vorsitzender des Brandenburger Landesausschusses „Jugend musiziert“, in seiner Begrüßungsrede in der Schinkelhalle.
Gastgeber Ministerpräsident Matthias Platzeck sprach von „einer wunderbaren Idee“, dem erstmals in Potsdam stattfindenden Konzert diese politische Bedeutung zu geben. Nun müssen den Worten nur noch Taten folgen, denn zeitgleich startete der Landesverband der Musikschulen eine Volksinitiative, in der die Unterzeichner den Landtag auffordern, das Musikschulgesetz neu zu fassen und die Landesförderung ab 2010 um jährlich 2,6 Millionen Euro zu erhöhen. Damit würde sich das Land wieder mit ca. 15 Prozent an den Gesamtausgaben der Musikschulen beteiligen.
Spitzenleistung ist eben ohne Breitenförderung nicht denkbar, und so ist es kein Zufall, dass alle am Festakt beteiligten Solisten eine Musikschule besuchten.
Vom vierhändigen Klavierspiel über ein Horn-Duo mit dem Potsdamer Jonas Finke, einem Konzert für E-Bass sowie einem großartigen Klarinettensolo gab es hinreißende Darbietungen der jungen Künstler. Umrahmt wurden sie von Ouvertüre und Finale aus Ludwig van Beethovens Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“. Unter der Leitung ihres Chefdirigenten Howard Griffiths zeigte das Brandenburger Staatsorchester Frankfurt hohe Präsenz und Klangfülle.
Als schönste musikalische Entdeckung des Abends erwies sich das Concertino Es-dur von Carl Maria von Weber. Dass dieses Werk weit mehr als ein brillantes Bravourstück ist, zeigte die neunzehnjährige Klarinettistin Anika Weichelt. Ihr farbiges, facettenreiches Spiel verströmte eine Ausdrucksfülle, die bis in die letzte Besucherreihe spürbar war.
Ein Glücksfall, dass dieses Konzert einen Tag später auch in Frankfurt an der Oder stattfinden konnte.
Das Konzert am 3. Oktober in Potsdam wurde vom rbb aufgezeichnet und am 29. Oktober im Programm „kulturradio“ gesendet.