Da staunten die Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert“, als der Projektleiter Mitte September folgenden Brief verlas: „Die ECHO Klassik-Jury hat in ihrer Sondersitzung vom 31. August 2011 entschieden, dem Projekt ,Jugend musiziert‘ in der Kategorie ,Sonderpreis der Jury für Nachwuchsförderung im Bereich der Klassik‘ den ECHO Klassik 2011 zu verleihen.“
Gerüchte kursierten da bereits, nun aber stand es schwarz auf weiß im Brief des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI). Der Jubel in der Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert“ war unbeschreiblich. Wohl wissend, dass diese Auszeichnung sich vor allem an all die vielen Tausend ehrenamtlich tätiger Kolleginnen und Kollegen in den Regional- und Landesausschüssen, in den Trägerverbänden, Beiräten und Jurygremien richtete.
Der genannte Verband, genauer gesagt, die Deutsche Phonoakademie, das Kulturinstitut des Verbandes, verleiht einmal im Jahr den ECHO. Es gibt ihn in drei Ausformungen: Den ECHO Pop, Echo Jazz und Echo Klassik. Und weil hinter dem Preis die Branche steckt, die sich um und für den Verkauf von Tonträgern sorgt, soll der ECHO neben einer Auszeichnung für Qualität auch Kaufanreize schaffen. Nicht zufällig fällt die ECHO-Verleihung in den Beginn des Weihnachtsgeschäftes. In der Selbstdarstellung des BVMI heißt es: „Der Bundesverband Musikindustrie vertritt die Interessen von rund 300 Labels und Musikunternehmen, die rund 90 Prozent des deutschen Musikmarktes repräsentieren. (…) Mit der Deutschen Phono-Akademie als Kulturinstitut der deutschen Musikindustrie leistet der BVMI einen wesentlichen Beitrag zur musikalischen Grundbildung in Deutschland, indem ausgewählte Initiativen aufgebaut und unterstützt werden. (…)“
60 Mal in 21 Kategorien wurde der ECHO Klassik 2011 verliehen, darunter auch, als Unterkategorie der Rubrik „Klassik für Kinder“, der „Sonderpreis der Jury für Nachwuchsförderung im Bereich der Klassik“. Zwei Jahre vor dem 50. Geburtstag erhielt ihn in diesem Jahr der bundesweite Wettbewerb „Jugend musiziert“. Ebenfalls in dieser Kategorie ausgezeichnet wurde „Attaca“, das Jugendorchester der musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters.
Einzigartige Möglichkeit
In der Begründung der Jury heißt es: „Seit 1964 findet ,Jugend musiziert‘ auf lokaler, regionaler und Bundesebene statt und ist Jahr für Jahr von zentraler Bedeutung für viele junge Musiker. Mehr als 25.000 Teilnehmer stellen sich jährlich dem mehrstufigen Qualifizierungsverfahren, das über die 140 Regionalwettbewerbe und die jeweiligen Landeswettbewerbe zum angesehenen Bundeswettbewerb führt. ,Jugend musiziert‘ ist offen für alle Kinder und Jugendlichen, die noch nicht in einer musikalischen Berufsausbildung stehen; zentrale Partner sind die 950 öffentlichen Musikschulen Deutschlands, die an über 4.000 Standorten zirka eine Million Kinder und Jugendliche betreuen. Die Jugendlichen haben hier die einzigartige Möglichkeit, ihr Talent einer erfahrenen Jury zu präsentieren, und es werden erste Weichen für die musikalische Zukunft gestellt.“
An der Erfolgsgeschichte von „Jugend musiziert“ haben auch die Öffentliche Hand auf kommunaler, Landes- und Bundeebene mitgeschrieben und das mittlerweile Jahrzehnte lange Sponsoring-Engagement der Sparkassen leistet einen wertvollen Beitrag zu finanziellen Sicherheit des Wettbewerbs. So fuhren der Projektleiter und ein Mitglied des Beirates nach Berlin, um am 2. Oktober im Konzerthaus am Gendarmenmarkt den Preis persönlich entgegenzunehmen. Das Zweite Deutsche Fernsehen zeichnete die Gala auf und sendete sie zeitversetzt und in Ausschnitten um 22 Uhr. Moderiert wurde der Abend von Thomas Gottschalk.Enttäuschend war jedoch, das darf gesagt werden, dass weder „Jugend musiziert“ noch zahlreiche andere, durchaus prominente ECHO-Klassik-Preisträgerinnen und –preisträger in der Sendung genannt wurden. Einschaltquote hin oder her, zumindest eine Auflistung aller 60 ECHO Klassik-Preisträger im Abspann der Sendung hätte die Sendung qualitativ nicht gemindert und die Projekte und Künstler wären in den Genuss zusätzlicher national gestreuter PR gekommen durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen gekommen. Chance also vertan.
Ein Pfund, mit dem man wuchern kann
Wofür wurde „Jugend musiziert“ aber mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet? Welchen Attributen gilt diese Wertschätzung? Seit 1964 bietet „Jugend musiziert“ Kindern und Jugendlichen Motivation, Herausforderung, Orientierung und Erfolgserlebnis. Dafür schaffen zigtausende Menschen mit ihrem ehrenamtlichen Engagement in 160 Regional-, den 19 Landesausschüssen und der Bundesebene die Basis. Während auf der Regional- und Landesebene die Breitenförderung dominiert, wird die Teilnahme auf Bundesebene oft als Orientierungshilfe für eine berufliche Entscheidung genutzt. Dazu kommt, dass Vorbereitung auf und Teilnahme an „Jugend musiziert“ einen hohen Bildungseffekt entfalten. Damit ist der Wettbewerb geradezu ein Musterbeispiel für die gesellschaftlich-kulturelle Entwicklung des „Kreativ-Standorts“ Deutschland. Und schließlich: Die im gemeinsamen Musizieren und im Vergleich mit anderen erworbenen Fähigkeiten fördern die Persönlichkeitsentwicklung. So tragen alle „Jugend musiziert“-Teilnehmer, auch und gerade jene viele Tausend, die Musik nicht zum Beruf machen, dazu bei, dass die kulturelle Wertigkeit von Musik in unserer Gesellschaft gesichert bleibt.
An diesen Effekten haben hunderte geistiger Mütter und Väter ihren Anteil, wie also kann man sie alle an der Auszeichnung teilhaben lassen?
Der ECHO Klassik hat eine lange Tradition. Seit 1994 wird er jährlich vergeben, seit 1996 wird die Preisverleihungsgala vom ZDF übertragen. Damit hat er einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht und gehört zu den vertrauenswürdigen Marken in Deutschland und weit darüber hinaus.
Unter den ungezählten Neuerscheinungen pro Jahr kann das Label „ECHO Klassik“ für den verunsicherten Kunden also eine erste Orientierung sein. Umgekehrt haben es Künstler und Projekte damit vielleicht ein wenig leichter, ihren Manager, Agenten oder ihr Publikum zu finden.
Hier setzt die Argumentationshilfe für „Jugend musiziert“ an: Denn trotz jährlich steigender Teilnehmerzahlen muss das Projekt doch für die dauerhafte Festigung seiner finanziellen Fundamente sorgen. Insbesondere auf regionaler Ebene stehen die kommunalen Musikschulen oft in der Verantwortung: Räume müssen angemietet, Helfer und Fachleute für die Jurytätigkeit angeworben werden. Dazu braucht man Geld. Geld, das oft gerade die Kosten für den Musikschulalltag deckt. „Sonderausgaben“ sind den Geldgebern der Öffentlichen Hand gegenüber kaum zu rechtfertigen, auch wenn sich später alle gerne den Erfolg „ihrer“ Nachwuchsmusiker ans Revers stecken. Wo also neue Wege zur Finanzierung des Wettbewerbs beschritten werden müssen, kann die verknüpfte Kommunikation von „Jugend musiziert“ mit dem ECHO Klassik durchaus nützlich sein, verstärkt sie doch die Bedeutung des Wettbewerbs – siehe oben – und vermittelt den neuen Sponsoren die Sicherheit, das „richtige“ Projekt zu fördern. Und: Es verstärkt damit nicht zuletzt das Image des Förderers positiv.
Die Regional- und Landeswettbewerbe sind inzwischen im Besitz des ECHO-Logos. Auch auf der Website von „Jugend musiziert“ prangt es in der Kopfzeile jeder Seite. Aus einem singulären Fernseh-Ereignis kann nun eine bundesweit rollende, Aufsehen erregende Kampagne für „Jugend musiziert“ werden.
Jetzt heißt es: Zugreifen, aufspringen und anpacken!