Bei Jugend musiziert stehen neben dem konstruktiven, pädagogisch wertvollen musikalischen Wettstreit der Team-Gedanke und die Begegnung im Vordergrund: miteinander zu musizieren, gemeinsam Werke der Musikliteratur verschiedener Genres zu erarbeiten und sie als sinnstiftendes Gemeinschaftserlebnis vor Publikum zur Aufführung zu bringen.

Die Schüler:innen von Elena Kondraschowa spielen auch in Ensembles. Foto: privat
Regional begrenzte Kategorien
Der pyramidenartige Aufbau von Jugend musiziert spiegelt dabei die doppelte musikpädagogische Funktion der Wettbewerbe wider: die Breitenförderung auf Regionalebene als auch die Findung und Förderung von Hochbegabten auf Bundesebene. Die Landeswettbewerbe als Bindeglied zwischen Basis und Spitze und als Vermittler der dichtesten Anschlussförderung sind ein unverzichtbarer Bestandteil von Jugend musiziert.
„Ein Wettbewerb braucht Vergleichbarkeit und klare Regeln, um zu fairen und von allen Beteiligten akzeptierten Ergebnissen zu kommen. Die verschiedenen Kategorien zeigen, was in allen Regionen und Bundesländern in ähnlicher Intensität gelehrt wird und in der jeweiligen Musizierpraxis verankert ist. Jugend musiziert ist aber auch ein Wettbewerb, der seit über 60 Jahren davon lebt, sich immer wieder zu erneuern und der die Vielfalt der sechzehn Bundesländer und der drei europäischen Wettbewerbsverbünde der Deutschen Schulen dafür nutzt, um Neues in den Regionen auszuprobieren, wo geeignete Rahmenbedingungen und passionierte Pädagog:innen das ermöglichen oder auch einfordern. So manches, was mittlerweile zum Standard von Jumu gehört, wurde als Initiative eines Bundeslandes geboren.“
Prof. Ulrich Rademacher, Vorsitzender der Bundes-Jury und des Projektbeirats von Jugend musiziert
Jahr für Jahr lädt Jugend musiziert Kinder und Jugendliche zu über 30 verschiedenen Kategorien zum Wettbewerb ein. Über die Kategorien, in denen man auf allen drei Ebenen bis zum Bundeswettbewerb teilnehmen kann, hinaus, bieten zahlreiche Regional- und Landeswettbewerbe regional begrenzte Kategorien an.
Baden-Württemberg
Orgel ist im Kanon der Wettbewerbskategorien von Jugend musiziert nur alle drei Jahre enthalten. Da Baden-Württemberg dem Instrument und den jungen Organist:innen aber häufiger die Gelegenheit zum Wettbewerbsspiel geben möchte, findet 2025 ein OrgelImprovisationswettbewerb im Rahmen des Landeswettbewerbs Baden-Württemberg statt.
Berlin
In Berlin wurden die Kategorien Singer/Songwriter, Beats & Rhymes, Band, Interkulturelle Perkussion, Komposition, Komposition: Filmmusik ausgeschrieben. Da im Jahr 2025 die Stimme das „Instrument des Jahres“ ist, hat Berlin die Kategorie Komposition: Stimme hinzugefügt, um der Stimme besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Mit der Zusatzausschreibung MENA (Middle East North Afrika) im Landeswettbewerb soll der kulturellen Vielfalt in Berlin Rechnung getragen werden. Für die Zupfinstrumente (Oud/Kanun) und Blasinstrumente (Nay/Ney) in ihren verschiedenen Ausprägungen richtet sich MENA an alle jungen Musiker:innen von 6–27 Jahren.
Brandenburg:
Rock-/Pop-Musik
Auch Brandenburg bietet weitere Kategorien an. Seit 2009 werden bei Jugend musiziert auf Bundesebene Solo-Wertungen aus dem Bereich der populären Musik ausgeschrieben. Jugend musiziert Brandenburg bietet darüber hinaus eine Ensemble-Wertung für den Bereich Rock/Pop an.
In Niedersachsen bieten der Regionalwettbewerb Braunschweig/Wolfenbüttel/Salzgitter die Teilnahme bei Besondere Besetzungen: Alte Musik ab AG II an. Der Regionalwettbewerb Peine/Hildesheim hat erstmals die Kategorie Inklusion ausgeschrieben.
Im Wettbewerbszentrum Nördliches Europa gibt es in den Regionalwettbewerben und dem Landeswettbewerb die Kategorien Instrumental-Solo (Pop), Vokal-Solo (Pop) sowie Kinder musizieren.
In Nordrhein-Westfalen hat der Regionalwettbewerb Dortmund Kammermusik für gemischte Ensembles, Kammermusik „Musik der Kulturen“ sowie Neue Musik – Kunterbunt-Besetzung ausgeschrieben.
Das Wettbewerbszentrum Östlicher Mittelmeerraum trägt vielen Instrumenten, die in der klassischen europäischen Musik noch nicht so verbreitet sind, Rechnung, indem die Teilnahme für Ensembles besonderer Instrumente (Oud, Bouzouki, Ney, Qanoun, Baglama) möglich ist.
In Thüringen gibt es die Kategorie Offene Kammermusik, bei allen Regionalwettbewerben die Kategorie „Soundcheck“. Hier nehmen die Kinder und Jugendlichen allein oder mit einem Ensemble in einer offenen Kategorie ohne Wertung und Bepunktung teil. Sie erhalten dafür ein Feedback der Jury zu ihrem Entwicklungspotenzial und ihren Stärken. Zugelassen sind alle Instrumente, Besetzungen und Stilrichtungen.
Die Kategorie Gesang (Pop), die auf allen drei Ebenen ab AG III ausgeschrieben ist, bieten einige Regionalwettbewerbe bereits ab AG I oder II an: ab AG II: Regionalwettbewerbe Nordschwarzwald, Ostfriesland, Südpfalz, Prag, Israel/Palästina, Kairo Ost, Kairo-West und Rom. Ab AG I: Regionalwettbewerb Aachen und Nahe.
Kategorie Inklusion beim Regionalwettbewerb Peine/Hildesheim

Christiane Rosenberger ist die Inklusionsbeauftragte der Kreismusikschule Peine. Foto: Milan Scheibel
Deutscher Musikrat: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Kategorie Inklusion einzuführen?
Christiane Rosenberger: An unserer Musikschule bin ich die Beauftragte für Inklusion. An der Schule ist das Thema schon seit vielen Jahren präsent. Wir haben eine Kollegin, Elena Kondraschowa, die Kinder und Jugendliche, die ein Cochlea-Implantat tragen, unterrichtet. Ihr persönliches Anliegen war es, Ihre Unterrichts-Methode allgemein zugänglich zu machen. Das beschränkte sich jetzt erstmal auf diese besondere Zielgruppe, aber gleichzeitig war damit ja auch verbunden, die eigene Pädagogik zu öffnen für Menschen, die, sagen wir mal, nicht automatisch, den Weg in eine Musikschule finden. Und mir war es von der Position der Musikschule aus ganz wichtig, die Musikschule immer weiter in der Gesellschaft zu verankern und sichtbar zu machen. Bei uns kann jeder zum Unterricht kommen. Wir bilden uns immer weiter fort, werden immer vielseitiger und irgendwann stand auch das Thema Jugend musiziert auf dem Plan. Wenn alle zum Unterricht kommen können, dann können sich ja eigentlich auch alle, die wollen, bei Jugend musiziert anmelden. Also haben wir die Kategorie Inklusion eingeführt. Wir haben Anmeldungen für sechs Einzelwertungen und zwei Ensemblewertungen.
DMR: Wer kann denn an der Kategorie teilnehmen?
Rosenberger: Für die Kategorie Inklusion konnten sich Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren mit Behinderung anmelden. Die Teilnehmer:innen können Musikstücke auf jedem Instrument spielen. Auch Gesangs-Darbietungen sind erlaubt. Jede/r Teilnehmer:in führt 2 bis 3 Musikstücke auf. Der Gesamtbeitrag ist auf maximal 15 Minuten begrenzt. Eine Begleitung oder Unterstützung durch eine/n Lehrer:in während der Ausführung ist erlaubt. Der Ausdruck und die Kreativität des/der Teilnehmer:in steht im Vordergrund. Alle Formen der Ausführung sind möglich: Soloauftritte, Duette, Ensembles und andere Gruppenformationen. Kreative Darbietungsformen wie Arrangements und Improvisationen sind ausdrücklich willkommen.
DMR: Wie sind Ihre weiteren Pläne mit dieser Kategorie?
Rosenberger: Wir stehen erst am Anfang. Nach dem Wettbewerb werden wir reflektieren und dann überlegen, wie wir das Schritt für Schritt weiter anpassen können, sodass die Vision, die über allem steht, wahr werden kann. Das heißt, dass alle, die teilnehmen möchten, teilnehmen können, nach den gleichen Spielregeln. Jede und jeder mit seiner Einzigartigkeit. Da wollen wir hin. Für alle Teilnehmer:innen bei Jugend musiziert ist ja ein Ansporn und zugleich eine Herausforderung, ein bestimmtes Programm in einer bestimmten Zeitspanne zu erarbeiten auf einen Termin hin, und dieses Programm öffentlich vorzustellen. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man im Unterricht einfach ein Stück nach dem anderen lernt.
Elena Kondraschowa unterrichtet Kinder mit Cochlea-Implantaten
Elena Kondraschowa ist Geigerin und unterrichtet seit vielen Jahrzehnten Violine. Viele ihrer Schüler:innen haben an Jugend musiziert teilgenommen und auf Landes- sowie Bundesebene beste Platzierungen erreicht. Außerdem haben zahlreiche von ihnen die Aufnahmeprüfungen an Musikhochschulen erfolgreich bestanden.

Elena Kondraschowa und Schülerin. Foto: privat
Deutscher Musikrat: Wie kamen Sie auf die Idee, hörgeschädigte Kinder musikalisch zu unterrichten?
Elena Kondraschowa: Gesunde Kinder, die ein Instrument erlernen, profitieren von einem dichten Netzwerk aus engagierten Musiklehrer:innen und unterstützenden Eltern. Benachteiligte Kinder hingegen fallen oft durch das Raster und erhalten überhaupt keine musikalische Förderung – Musik ist für diese Kinder so gut wie ausgeschlossen. Ich habe eine zwölf Jahre jüngere Schwester, die hochgradig hörgeschädigt ist. Schon früh begann ich, musikalisch mit ihr zu arbeiten, was mich bis heute begleitet. Vor zweieinhalb Jahren habe ich mit großartiger Unterstützung von „Aktion Kindertraum“ begonnen, Kinder und Jugendliche zu unterrichten, die ein Cochlea-Implantat tragen. Dieses Projekt heißt „Aus der Stille in den Klang“ und wird wissenschaftlich durch die MHH (Medizinische Hochschule Hannover) und das CIC (Cochlear Implant Centrum Hannover) begleitet. Die ersten Ergebnisse waren so vielversprechend, dass ich im Rahmen des Projekts eine eigene Methodik entwickelt habe, um gezielt mit diesen Kindern zu arbeiten.
DMR: Gehen hörgeschädigte Kinder anders an die Musik heran?
Kondraschowa: Hörgeschädigte Kinder haben eine völlig andere Motivation, ein Instrument zu lernen. Musik öffnet ihnen eine neue Welt – sie erleben plötzlich Klänge, die ihnen bisher verschlossen blieben. Der Musikunterricht mit hörgeschädigten Kindern unterscheidet sich grundlegend von dem mit hörenden Kindern. Die Cochlea-Implantate sind primär auf Sprache ausgerichtet und nur begrenzt für die Wahrnehmung von Musik geeignet. Deshalb müssen die Kinder lernen, was ein Ton überhaupt ist – sie nehmen ihn durch das Implantat als elektrischen Impuls wahr, der im Gehirn verarbeitet wird. Meine Arbeit zielt daher nicht direkt auf das Gehör, sondern auf das Gehirn.
DMR: Können hörgeschädigte Kinder das gleiche Niveau erreichen wie gesunde Kinder?
Kondraschowa: Hörende Kinder beginnen bereits im Mutterleib zu hören, was ihnen einen enormen Vorsprung verschafft. Mein Ziel ist es, diese Lücke für hörgeschädigte Kinder so gut wie möglich zu schließen. Ich habe Workshops und Kurse gegeben, um interessierten Musikpädagog:innen meine Methodik näherzubringen. An der Kreismusikschule Peine wendet meine Kollegin Tatiana Ladutko diese Methodik mit großem Erfolg an. Im Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte in Braunschweig unterrichtet sie bereits Kindergartenkinder. Dank ihres Unterrichts können diese Kinder beim Schuleintritt mit Gleichaltrigen besser mithalten – auch beim Erlernen eines Instruments.
DMR: Wie kamen Sie auf die Idee, auch den hörgeschädigten Kindern und Jugendlichen die Teilnahme an Jugend musiziert zu ermöglichen?
Kondraschowa: Jugend musiziert ist eine deutschlandweite Bühne für junge Musiker:innen. Da ich viele Kinder und Jugendliche im In- und Ausland auf Wettbewerbe vorbereitet habe, wollte ich meinen neuen Schüler:innen ebenfalls die Möglichkeit geben, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.
Schon jetzt zeigen sich die positiven sozialen Effekte des Instrumentalunterrichts für hörgeschädigte Kinder: Sie sind offener, unterhalten sich mehr und haben ihre schulischen Leistungen verbessert – beispielsweise bei Diktaten, weil sie besser hören und verstehen. Mein Ziel ist es, aus diesen Kindern echte Zuhörer zu machen, die Musik nicht nur hören, sondern verstehen. Wie Yehudi Menuhin sagte: ‚Die Musik spricht für sich allein, vorausgesetzt, wir geben ihr eine Chance!‘
Elena Kondraschowa
Auf regionaler Ebene von Jugend musiziert werden zum ersten Mal überhaupt – möglicherweise nicht nur bundesweit, sondern weltweit – hörgeschädigte Kinder bei einem Musikwettbewerb vorspielen. Dabei ist es mir besonders wichtig, dass sie sich trauen, mit ihrem Instrument auf die Bühne zu gehen, und Freude am Musizieren haben. Auch die Bewertungskriterien wurden angepasst: Die Jury legt den Schwerpunkt auf musikalischen Ausdruck, Kreativität, persönliche Interpretation, Engagement und Spielfreude.
Der Regionalwettbewerb Peine/Hildesheim findet am 8. und
9. Februar 2025 statt.
Weitere Informationen unter: https://kreismusikschulepeine.de/jugend-musiziert
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