Auch an dieser Stelle der Neuen Musikzeitung wollen wir die Leserinnen und Leser nicht langweilen, obwohl einmal mehr auf ein erfolgreiches Jahr beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ hingewiesen werden soll. Wohlgemerkt: Wir sprechen von 2016, während in 140 Landkreisen und Städten längst die Saison 2017 eingeläutet ist. Bis zum 15. November konnte man sich für „Jugend musiziert“ 2017 anmelden, nun verharren Musikerinnnen und Musiker, ihre Eltern und Lehrkräfte für einen kurzen Zeitraum in Stille, bis sie vom Regionalausschuss ihrer Wahl die Nachricht erhalten – oder sie aktiv erfragen – wann und an welchem Ort denn ihr erster großer Auftritt beim Regionalwettbewerb 2017 stattfindet.
In diesen stillen, wenngleich spannungsreichen Moment hinein, während man also bundesweit den Atem anhält, ist die folgende Nachricht gut vernehmbar: Soeben ist die CD „Bundespreisträger 2016“ erschienen.
Man muss vor der planerischen Umsicht und dem Weitblick der Gründerväter von „Jugend musiziert“ bis heute den Hut ziehen: Denn als vor beinahe 60 Jahren in der jungen Bundesrepublik Deutschland für die Idee zu einem Musikwettbewerb für Kinder und Jugendliche Partner in den Landkreisen und Städten, in den Bundesländern bis hinauf zum Bundesfamilienministerium gefunden waren und man sich nun gemeinsam an die Organisation, die Finanzierung und die Durchführung machte, da machte man sich auch bereits Gedanken zur medialen Unterstützung des neuen Wettbewerbs „Jugend musiziert“.
Wer heute souverän auf der medialen Klaviatur von Facebook, Twitter, Instagram oder YouTube spielt, dem sei die Lage zu Beginn der 60er-Jahre kurz vergegenwärtigt: Es gab neun landesweite öffentlich-rechtliche Hörfunksender, sechs regionale Fernsehanstalten, die sich zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik, kurz ARD, zusammengeschlossen hatten. Es gab erst seit kurzem ein Zweites Deutsches Fernsehen und die ersten regionalen Fernsehprogramme gingen 1964 gerade erst an den Start: der Bayerische und Hessische Rundfunk. Die Möglichkeiten, die Nutzung von Rundfunk und Fernsehen waren damals ebenso spannend wie die so genannten „sozialen Medien“ heute.
Wer also am Puls der Zeit horchte, und das taten die Organisatoren von „Jugend musiziert“ zweifellos, dem war klar, welches ungehere Potenzial die neuen Medien für die öffentliche Wahrnehmung von „Jugend musiziert“ boten.
Die Neuen Medien der 60er Jahre
So kam es, dass bereits für den ersten Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ im Jahr 1964 in Berlin, eine Kooperation mit der Landesrundfunkanstalt geschlossen wurde, dem Sender Freies Berlin, SFB. Die Kooperation erstreckte sich auf den Mitschnitt und die Ausstrahlung des Schlusskonzertes. Einige Wochen nach dem Bundeswettbewerb erhielt die Bundesgeschäftsstelle aus Berlin ein Paket, darin die Tonbänder mit dem Konzertmitschnitt. Am Prinzip dieser Medienkooperation hat sich seither nichts geändert. Ist der Austragungsort eines Bundeswettbewerbs beschlossen, wird auch gleich eine Zusammenarbeit mit der Landesrundfunkanstalt in Angriff genommen, die sich im Kern noch immer auf den Mitschnitt der Konzerte, deren zeitversetzte Ausstrahlung und die Bereitstellung der – von Nebengeräuschen bereinigten – Mitschnitte auf Tonträgern erstreckt. In vielen Fällen reicht die Zusammenarbeit während der Wettbewerbstage weit über diese Abmachungen hinaus: Da werden Interviews geführt, Radio-Jingles, von den Teilnehmern selbst im Studio eingespielt, erstellt, Fernsehbeiträge vom Wettbewerbsgeschehen gedreht. Nicht selten haben sich in den gut fünf Jahrzehnten die Intendanten, die Programmdirektoren oder verantwortlichen Redakteure als ehemalige „Jugend musiziert“-Teilnehmer oder -Preisträger zu erkennen gegeben: beste Voraussetzungen für eine verständige und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die immer wieder weit über die eigentliche Wettbewerbsphase hinausging.
Ohne diesen genialen Einfall, der ganz am Anfang stand, könnte „Jugend musiziert“ heute nicht auf eine lückenlose Dokumentation aller jemals beim Bundeswettbewerb veranstalteten Preisträgerkonzerte zurück blicken. Wie wünschenswert wäre es, dieses ungeheure Archiv jugendlicher Spielfreude einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Mitschnitt, Ausstrahlung und ein Postpaket
So reiht sich die Preisträger-CD 2016 in diese einzigartige Dokumentation ein. Medienpartner des Bundeswettbewerbs 2016 war der Hessische Rundfunk mit seinem Programm hr2. Vor Ort im Kongress Palais Kassel ließen sich die verantwortliche Redakteurin Adelheid Kleine und mit ihr der Toningenieur Andreas Heynold, der Tonmeister Robin Bös und die Tontechniker Francisco Hitzel und Alexander Kolb von der hohen Musikalität und den teilweise sensationellen Leistungen, die die jungen Leute auf der Bühne boten, mitreissen.
Die drei Preisträgerkonzerte wurden zunächst im Juni zeitversetzt in hr2-kultur in einer dreistündigen Sendung „hr2-Konzertsaal“ ausgestrahlt, bevor der HR die Mitschnitte dann der Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert“ zur Verfügung stellte.
Fünfzehn Musikbeiträge haben Eingang auf die CD 2016 gefunden, die ein wenig auch das Teilnehmer-Verhältnis in den Kategorien widerspiegeln. Begeisterung löste bei Juroren und den Besuchern die Tatsache aus, auf welch hohem Niveau in der Kategorie „Alte Musik“ musiziert wurde.
Wem das Live-Erelebnis versagt blieb, hat nun nochmals die Gelegenheit, einen Eindruck davon zu bekommen: Zwei Ensembles, einmal mit sechs, einmal mit neun Musikern besetzt, zeigen den aktuellen Entwicklungsstand der 1998 bei „Jugend musiziert“ eingeführten Kategorie. Premiere feiert auf der CD die Kategorie “Besondere Instrumente“. Sie war 2016 erstmals für Baglama- beziehungsweise Hackbrett-Ensembles angeboten worden. Mit drei Beiträgen ist auch die Kategorie „Klavier-Kammermusik“ angemessen repräsentiert. Weitere Beiträge aus den Kategorien „Duo: Klavier und ein Blasinstrument“, Zupf-Ensemble, Vokal-Duo und Gesang (Pop) vervollständigen das Bild. Die seit vielen Jahren weitaus teilnehmerstärkste Kategorie „Streichinstrumente solo“ ist mit zwei Beiträgen vertreten, die jeder für sich Erwähnung verdienen: Einerseits ist da der 1. Satz einer sicherlich nicht oft zu hörenden Kontrabass-Sonate des Komponisten Johann Matthias Sperger. Die Präsentation eines 18-jährigen Dresdners ist gleichermaßen lustvoll und souverän. Andererseits der virtuos komponierte 1. Satz der Sonate Nr. 3 von Eugene-Auguste Ysaye, kongenial vorgestellt von einer 15-jährigen Geigerin aus Tübingen.
Ein Sammlerstück
Staunen und Bewunderung sind das Bonus-Material beim Erwerb der CD: Sie kostet 12 Euro und ist über die Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert“ in München erhältlich. Es bleibt zu danken: nicht nur dem Hessischen Rundfunk, der 2016 federführend war und stellvertretend für alle Landesrundfunkanstalten steht, die „Jugend musiziert“ zu medialer Präsenz und Brillanz verhelfen. Dank gilt auch all jenen, die als verlässliche Partner im pädagogischen, organisatorischen oder finanziellen Kontext dafür sorgen, dass musikalische Begabungen erkannt und gefördert werden können. Dazu gehören die ständigen Förderer: das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Hauptsponsor, die Sparkassen-Finanzgruppe, sowie 2016 das Land Hessen und die Stadt Kassel mit ihren Partnern. ¢