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Alles zum Thema Urheberrecht in Corona-Zeiten

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Ein Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Hieber
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neue musikzeitung: Welche Frage wurde Ihnen in den letzten Tagen von Mitgliedern des TKVB am häufigsten gestellt?

Thomas Hieber: Oft wurde die Frage gestellt, unter welchen Umständen man Musik beziehungsweise Videos mit Musik ins Internet stellen darf.

nmz: Und wie beziehungsweise was haben Sie darauf geantwortet?

Hieber: Wer Musik oder Videos mit Musik ins Internet stellen möchte, muss im Hinblick auf die Musik die folgenden Rechte klären:
Erstens die Rechte der Musikurheber, das heißt die Rechte von Komponist, Texter und gegebenenfalls Arrangeur des betreffenden Musikstücks, falls diese noch nicht 70 Jahre tot sind (es gilt jeweils das Ende des Jahres) und das betreffende Musikstück damit urheberrechtlich noch geschützt ist. Abzustellen ist auf den letztverstorbenen Musik­urheber. Von diesen Rechteinhabern braucht man das sogenannte „Filmherstellungsrecht“ oder „Synch Right“ (hierzu gibt es in Rechtsprechung und juristischer Literatur durchaus verschiedene Ansichten, aus Sicherheitsaspekten kann ich aber nicht empfehlen, darüber hinwegzugehen) und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, das heißt das Recht zum Hochladen und Verfügbarmachen zum Streaming oder Download im Internet. Ersteres liegt bei den Urhebern selbst oder beim Musikverlag, letzteres liegt in der Regel bei der GEMA. Mit YouTube hat die GEMA eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach YouTube GEMA-Repertoire abgilt. Wie es mit anderen Anbietern ist, muss man sich jeweils im Einzelfall ansehen. Ein Problem kann auftauchen, wenn man gegenüber der Plattform in den jeweiligen Nutzungsbedingungen die Rechte garantiert hat.
Zweitens sollte man, sofern ein Musikstück nicht mehr urheberrechtlich geschützt ist, sicherheitshalber checken, ob als Noten eine sogenannte „wissenschaftliche“ oder „kritische“ Ausgabe verwendet wurde. Wenn man selbst die Noten hat, sieht man das am Copyright-Vermerk in den Noten: Sofern von einer „kritischen Ausgabe“ oder „Urtext“-Ausgabe die Rede ist, ist davon auszugehen, dass die Ausgabe geschützt ist und zwar für 25 Jahre nach der Veröffentlichung der Ausgabe, so dass ebenfalls das sogenannte „Filmherstellungsrecht“ und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung zu klären sind. Dazu muss man für jedes Werk genau die Copyright-Angabe auf den Noten beziehungsweise in der Partitur ansehen.
Drittens sind bei allen existierenden Aufnahmen, unabhängig vom Repertoire, das sogenannte „Filmherstellungsrecht“ und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von Sängern/Musikern und Tonträgerherstellern (i.d.R. beim Label) zu klären.
Sofern man fremde Filme ins Internet stellen möchte, gibt es natürlich ebenfalls Rechte zu beachten. Auf diese einzugehen würde hier aber den Rahmen sprengen.

nmz: Was sind die wichtigsten Grundlagen bezüglich Urheber- und Medienrechte, die Musiklehrer*innen berücksichtigen müssen, wenn sie online unterrichten möchten?

Hieber: Sofern es sich um Unterricht mittels Videos handelt, gilt das oben Gesagte. Sofern es sich allerdings um echten „Live“-Online-Unterricht handelt, wenn also nicht Musikstücke zum Streaming oder Download im Internet hochgeladen werden, liegt weder eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung noch eine Bearbeitung vor. Das heißt reiner „Live“-Online-Unterricht ist in der Regel aus urheberrechtlicher Sicht zulässig.

nmz: Welche juristischen Vor- und Nachteile haben die jeweiligen Plattformen beziehungsweise Tools?

Hieber: Ich möchte und darf hier weder Empfehlungen noch Warnungen im Hinblick auf konkrete Dienste aussprechen. Grundsätzlich würde ich allerdings darauf achten, seriöse professionelle Anbieter zu nutzen. Ich würde professionellen Anbietern von Videokonferenzen den Vorzug geben. Diese bieten i.d.R. verschiedene (kostenlose und kostenpflichtige) Service-Pakete an. Entsprechende Tools von Social Media-Anbietern sollten aus meiner Sicht nur mit großer Vorsicht benutzt werden, da nicht auszuschließen ist, dass dem Anbieter in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen weitgehende Rechte an Bild und Tonmaterial eingeräumt werden. Natürlich ist neben dem Urheberrecht auch das Thema Datenschutz zu beachten. Das heißt, als Lehrer sollte man darauf achten, dass die Schüler beziehungsweise bei nicht einwilligungsfähigen Schülern (hier sieht das Datenschutzrecht eine Regelgrenze von 16 Jahren vor) die Eltern der Schüler*innen der Nutzung des jeweiligen Dienstes zustimmen.

nmz: Ist es erlaubt eigene Videos (zum Beispiel Lehrvideos) zu erstellen und diese mit Musik zu unterlegen?

Hieber: Sofern man selbst spielt beziehungsweise die Rechte beziehungsweise Zustimmung der Mitmusizierenden einholt, selbst aufnimmt und keine urheberrechtlich geschützte Musik verwendet, gibt es aus urheberrechtlicher Sicht hier keine Probleme. Ansonsten gilt das oben Gesagte.

nmz: Können eigene Videos weiterverbreitet werden? Darf man diese direkt an die eigenen Schüler*innen verschicken? Was muss dabei beachtet werden?

Hieber: Sofern in den eigenen Videos nur eigene oder urheberrechtlich nicht geschützte Musik verwendet wird, gibt es urheberrechtlich kein Problem. Sofern aber fremde Rechte betroffen sind, ist schon die Herstellung des Videos nur unter den eben genannten Voraussetzungen zulässig. Auch das Versenden des Videos über Mail oder als Link bedarf der vorherigen Zustimmung der Rechteinhaber*innen.

nmz: Darf ich als Musiklehrer*in für meine Schüler*innen Unterrichtsmaterial kopieren? In welchem Rahmen ist das Kopieren von Notenmaterial erlaubt?

Hieber: Zunächst möchte ich hier mit einem häufigen Missverständnis aufräumen: Urheberrechtliche Probleme beim Kopieren von Noten kann es nur bei urheberrechtlich geschützten Werken (das heißt Komponist oder Texter oder Bearbeiter/Arrangeur sind noch keine 70 Jahre tot) oder bei sog. musikwissenschaftlichen beziehungsweise sogenannten „kritischen“ Ausgaben, die noch keine 25 Jahre veröffentlicht sind, geben.
Bei diesen gilt Folgendes: § 53 UrhG sagt, dass urheberechtlich geschützte Noten „stets“ nur mit Einwilligung des Verlages kopiert werden dürfen. Das Gesetz sieht hier zwar zwei Ausnahmen vor, diese dürften allerdings beide für Unterrichtszwecke keine Rolle spielen.
Insofern bliebe hier nur das Abschreiben von Noten, egal ob handschriftlich oder mit einem Notensatzprogramm oder Ähnlichem. Auch das Abgeschriebene darf wiederum nur abgeschrieben, nicht aber kopiert werden. Da das wenig praktikabel ist, stellt sich die Frage, wie man an die Rechte kommt.
Sofern der Musikurheber oder der Musikverlag die Rechte in die Verwertungsgesellschaft VG Musikedition eingebracht hat (was häufig der Fall sein wird), besteht die Möglichkeit, dass die Institution, (das heißt zum Beispiel die Schule, Musikschule, der Kindergarten, die Kirche etc. nicht aber der einzelne Musiklehrer*innen oder Musiker* innen) einen Lizenzvertrag mit der VG Musikedition abschließt (oder schon abgeschlossen hat, hier sollte man nachfragen).

nmz: Welche Tipps möchten Sie als Ansprechpartner der Erstrechtsberatung in Sachen Urheber- und Medienrecht den Leser*innen mitgeben?

Hieber: Im Zweifel vorsichtig sein! Man kann bei den Rechtein­haber*innen nachfragen, denn was das Thema Unterricht und Ausbildung angeht, sind diese erfahrungsgemäß oft großzügig, auch weil aus derartigen Nutzungen kaum relevante Erlöse zu erwarten sind (es sei denn, Unterricht und Ausbildung sind gerade das Geschäftsmodell des*der Rechteinhabers*in). Allerdings kann es sein, dass man gar keine Antwort bekommt, und dann hängt man in der Luft.

Kontakt: Tel. 089/54 47 96-0, hieber [at] ke-recht.de (hieber[at]ke-recht[dot]de)

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