Wie so viele andere geniale Künstler starb der österreichische Dichter Georg Trakl jung. Von Angstzuständen und Depressionen gepeinigt und von den Schrecken des 1. Weltkriegs zerrüttet, nahm er mit nur 27 Jahren eine Überdosis Kokain – ob versehentlich oder mit eindeutigen Selbstmordabsichten ist bis heute unklar. Die Düsternis und Melancholie in Trakls Leben spiegelt sich in fast all seinen Gedichten wider, doch dem Dichter gelang ein künstlerisch ungemein konstruktiver Umgang mit seinen inneren Schatten, und er schuf in seinen Gedichten Welten voller Abgründe und atmosphärisch dichter, suggestiv packender Bilder.
Anlässlich des 100. Todestags dieses großen Dichters veranstaltete der Münchner Tonkünstlerverband ein Konzert mit Trakl-Vertonungen. Vor allem Lieder gab es zu hören, interpretiert von Tenor Stefan Thomas und hervorragend begleitet von Lauriane Follonier am Klavier. In der ers-
ten Hälfte des Konzerts stand das Herantasten an die Stimmungswelt des Dichters im Vordergrund. Vor allem elegisch und melancholisch waren die Vertonungen von Wilhelm Killmayer, sehr getragen das Lied „Im Frühling“ mit einer äußerst reduzierten Klavierbegleitung, wunderbar zart und schön. Auch Rudi Spring ließ sich vorwiegend zu getragenen, melancholischen Klängen inspirieren. In „Ein Winterabend“ gelingt ihm das Kunststück, eine von Melancholie, ja Lethargie, geradezu durchdrungene Komposition zu schaffen, die gleichzeitig die anheimelnde Stimmung der beschriebenen Szene vermittelt. Temporeich, beinahe aggressiv bäumt sich dagegen „Beim jungen Wein“ die Musik passend zum Text gegen die allumfassende Melancholie auf.
Spannungs- und kontrastreich waren die Gedichte, die Alexander Strauch für seine Uraufführung „Drei Gesänge des Teufels, Todes und Krieges“ mit dem rätselhaften Titel „Lkartgroeg“ zusammengestellt hatte. In „An Luzifer“ veranschaulichen hämmernde Klänge und Klangkaskaden die Energie und das Wirken des Teufels; in „An Novalis“ dagegen huldigen Trakl – und Strauch – dem ebenfalls jung verstorbenen Romantiker mit in sich ruhenden Klängen. „Im Osten“ ist ein Kriegsgedicht, in dem die „Orgeln des Wintersturms“ und des Kriegs entsprechend turbulent und stürmisch, teils martialisch ihren musikalischen Ausdruck finden.
Mit losen, assoziativen Studien über einzelne Worte aus Trakls Lyrik begann der Entstehungsprozess von Johannes X. Schachtners 25 „Miniaturen nach Trakl“, einem Werk für Geige und Klavier.
Daraus wurde ein imaginärer Lebenslauf von „Der gebärende Schrei“ bis zu „Der süße Gesang der Auferstandenen“, der verschiedene Aspekte des Lebens nur anreißen musste, um eigene Welten zu erschaffen: Leben und Tod, Natur, Musik, die Jahreszeiten, Krankheit, Religion, Nacht und Traum. Hélène Maréchaux an der Violine näherte sich einfühlsam und virtuos den Facetten von Schachtners Musik und lotete sie – gemeinsam mit Lauriane Follonier – bis in die Tiefe aus.
Mal erdig und kantig, mal sphärisch-meditativ, schön, schräg und experimentell – der Reichtum der Musik setzte dem Ausdruckswillen der beiden Musikerinnen keine Grenzen und beflügelte sie zu einer bravourösen Darbietung.