München. Das letzte der Konzerte der laufenden Spielzeit in der Reihe „Studio für Neue Musik“ wartete mit einem abwechslungsreichen Programm auf. Die einzelnen Stücke zeichneten sich dabei immens durch ihren hohen Grad an Individualität aus, da nicht nur Generationen, sondern auch Gattungen, Besetzungen, Themen, Sprachen und Herkünfte bunt durcheinander gingen. Wer dieses Potpourri überzeugend zusammenhalten konnte, waren die drei Interpretinnen: Anna Kakutia an ihrer Geige, Masako Ohta am Flügel und Adelheid Maria Thanner mit ihrer Stimme.
Zuerst vier Lieder aus Kay Westermanns „Chansons“ (Textinspiration: Jacques Prévert) von 1989 für Stimme und Violine: Sie boten ein reiches Spektrum an interpretatorischen Herausforderungen, wie vor allem das letzte Lied „Drehleier“ zeigte. In gekonntem Wechsel von Zusammen- und Gegenspiel erfuhr das Publikum die vertonte Barbarei. Nicht weniger herb und auch noch höchst konzentriert folgte dann Konstantia Gourzis „noch fürcht’ ich“ von 1993 für Klavier solo. Ohta meisterte jede noch so technische Schwierigkeit und überzeugte in diesen sieben Miniaturen von Frage und Antwort mit einem melodiösen Schlusspunkt in jederlei Hinsicht. Weder sie noch die Vögel konnten sich gegenseitig aus der Ruhe bringen.
Vor der Pause überraschten Ohta und Thanner mit der sagenhaften Interpretation von Eva Sindichakis’ Liederzyklus „To efcharisto“ – Der Dank von 2003/04. Die fünf Lieder zeugen von einer konzeptionell fortgeschrittenen und kompositorisch höchst ansprechenden Klasse, die an diesem Konzertabend beispiellos bleiben sollte. Allein schon die gekonnt lautmalerischen Interpretationen wie beispielsweise das nervöse Flügelflattern im vierten Satz („Ipe – Er sagte“) in der instrumentalen Begleitung überzeugten, doch bleibt besonders der zweite Satz hervorzuheben, der dem Zyklus seinen Namen gab. Indem Thanner sichs teilweise in den Flügel hineinstellte und in die Saiten hineinsang, ging der außermusikalische Gehalt des nach innen Gekehrten mit der zurückgezogenen Dynamik und besonderen Halleffekten emotional enorm nahe, so dass dieser Satz der der Komponistin Sindichakis besonders tiefes Verständnis für ihre Textvorlagen attestierte.
Im Anschluss an diesen Höhepunkt folgten noch einmal neue Besetzungen mit Minas Borboudakis’ „Diamaxai a“ von 2001 für Violine solo, das getrost als Glanzstück in Kakutias Repertoire aufzufinden sein sollte. Die technisch hohen Anforderungen und das Kräftemessen aller musikalischen Lebenslagen in Dynamik, Tempo, Artikulation, Rhythmus und (a-)melodischen Höhen und Tiefen gab die Violinistin mit Bravour zum Besten. Ganz andere Töne schlugen Kakutia und Ohta im darauffolgenden „Hed“ von Peter Kiesewetter (1992) an. Das hebräische Wort für „Echo“ liefert hier den konzeptionellen Leitfaden und so wabern Klavier und Geige in meist konsonantischen Klängen nebeneinander und ineinander und entschwinden in rhythmischer Düsternis. Erst mit Sebastian Schwabs „Winterstürme“ von 2013, dem zugleich jüngsten Werk in der vielfältigen Riege des Konzertabends, traten alle drei Interpreten gemeinsam vor das Publikum. Angelehnt an das berühmte Liebeslied gleichen Namens im ersten Akt der Walküre von Richard Wagner, spielten sich Kakutia, Ohta und Thanner gegenseitig die Motive und Themen zu.