„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen!“ Dieser Ausspruch wird Martin Luther, dem Wittenberger Reformator, zugeschrieben. Musik war ihm stets ein kostbarer, göttlicher Schatz. Schmückt sich also das heutige Territorium Sachsen-Anhalts mit dem Titel „Musikland”, so müsste der historische Bezug eine Würdigung einer in Europa herausragenden Entwicklung erwarten lassen. Nicht so bei den kulturpolitisch Verantwortlichen: Die von einer Großen Koalition geführte Landesregierung will die Förderung für die Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt von derzeit 36 auf 29 Millionen Euro zurückfahren. Eine Schließung ganzer Häuser oder zumindest einzelner Theatersparten wird in Kauf genommen.
Die Hiobsbotschaft für die Landesbühne der Lutherstadt Eisleben lautete: Die Landesmittel werden von 1,3 Millionen Euro auf null gekürzt. Das hätte dort die Schließung bedeutet. Das Orchester war hier bereits 1992 abgewickelt worden. Nun werden für 2014 und 2015 noch einmal jeweils 750.000 Euro in den Haushalt eingestellt, die aus dem Schul-Etat stammen. Voraussetzung ist eine Fusion mit dem Nordharzer Städtebundtheater. Ist dies als ein Einlenken oder eher als sparpolitischer Zick-Zack-Kurs anzusehen?
Die Hallenser Bühnen müssen mit einer Kürzung des Landeszuschusses von 11,9 auf 9,05 Millionen Euro rechnen. Die Förderung für das Anhaltische Theater Dessau soll im kommenden Jahr von aktuell rund 8,1 Millionen Euro auf 5,2 Millionen Euro gesenkt werden. In Wittenberg war 2002 das Ende des Orchesters des Mitteldeutschen Landestheaters besiegelt worden. Somit hat Dessau das einzige Musiktheater im östlichen Kulturraum des Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Bis September 2013 sollen die Rechtsträger ihre Umstrukturierungspläne der Theater vorlegen, im Dezember sollen die neuen Verträge im Kabinett beschlossen werden, dann gültig bis 2019. Nahezu zeitgleich spricht Kulturminister Stephan Dorgerloh (SPD) von einer „großen und guten Nachricht“: Bis 2019 soll im Zuge des Jubiläums 100 Jahre Bauhaus im Stadtzentrum von Dessau ein Bauhaus-Museum entstanden sein. Dorgerloh ist zugleich Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Bauhaus Dessau und Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Bereits im Vorfeld spricht er von einem „Haupt- und Kernort”, als der jenes Haus 2019 im Zuge der Feiern zu 100 Jahre Bauhaus dienen soll. Es wird schon über einen Entwurf von Star-Architekt Daniel Libeskind nachgedacht.
Als „höchst unglücklich“ bezeichnet inzwischen der Kulturstaatsminister des Bundes, Bernd Neumann, den Zeitpunkt der Bekanntgabe durch Minister Dorgerloh, deshalb, weil diese mit „schmerzhaften Kürzungen im Kulturbereich“ verbunden ist. Diese Kürzungen umschreibt Neumann vornehm als „nicht verantwortungsbewusst“. Pikant ist auch der gewählte Standort des geplanten Museums – dort entstanden in den letzten Jahren Plätze für Ballspiele und eine Begegnungsmeile für jüngere Menschen, insbesondere auch mit Migrationshintergrund. Ein beliebter Treffpunkt am Rande des Stadtparks.
Kultur gegen Kultur?
Vielleicht sollte man die Übersiedlung möglichst vieler Sachsen-Anhalter in die USA. oder nach Fernost fördern, damit sie künftig häufiger als Tourist die Bauhaus-Stätten und die Luther-Gedenkstätten aufsuchen? „Ich halte nichts davon, Kulturbereiche gegeneinander auszuspielen“, kommentierte Stephan Dorgerloh das Statement des Kulturstaatsministers. Es geht schließlich darum, Gelder umzuverteilen. Lebenskultur heißt, Gegenwärtiges zum Wohl der Menschen zu gestalten. Insbesondere die Bauhäusler schauten voraus. Die kulturellen Entscheidungsträger blicken vermutlich nur sehr richtungsorientiert. Sachsen-Anhalt als geschichtliches Disney-Land? Bei der Aktion „Dessau verankert sein Theater“ kam ein satirischer Beitrag der „Initiative Holzweg“ zu Wort. Es wurde eine großangelegte Renaturierung des Landesterritoriums befürwortet.
Leider schlugen in Wirklichkeit während der ersten Sommerwochen die Wogen an Elbe, Mulde und Saale hoch. Die Flüsse erobern ihren angestammten Weg zurück. Doch zum „Holzweg“ scheint der „Wasserweg“ keine Alternative darzustellen, wurden doch die diesjährigen Händel-Festspiele in Halle wegen Hochwasser ersatzlos abgesagt. Obgleich dieser Schritt aus der Sicht des Katastrophenschutzes sicherlich Verantwortungsbewusstsein erkennen lässt, gelangt man jedoch zu einer zweifelhaften Einschätzung zentralistischer Entscheidungsgewalt des Ministerpräsidenten und des Hallenser Oberbürgermeisters.
Zu Luthers Zeiten gab es im Alltag Spannendes und Gruseliges zur Genüge. Und es gab einen Landesfürsten, der den Beinamen „der Weise“ trug. Wünschen wir es der Landesregierung, an diese historischen Größen anknüpfen zu können.