„Für mich gilt die Wahrheit, dass man das Konservatorium so bald wie möglich verlassen und seine Individualität suchen und finden muss.“
Claude Debussy, der diese Worte schrieb, stand im Mittelpunkt des Abends „Auf dem Sofa mit Claude Debussy“ im Schloss Agathenburg. Prof. Bernd Goetzke skizzierte Debussys Lebenslauf und seine Beziehungen, zeichnete ein markantes und facettenreiches Porträt, ließ von Debussy eingespielte Klavieraufnahmen erklingen und las zusammen mit seinen Studenten des diesjährigen Stader Meisterkurses erstmals öffentlich Auszüge aus seiner Übersetzung von Debussy-Briefen.
Von Bernd Goetzke sind erstmals über 400 Debussy-Briefe, vor allem aus dem 22-jährigen Briefwechsel mit seinem Verleger Jacques Durand ins Deutsche übersetzt worden.
Ein Mensch voller innerer Zerrissenheit und Widersprüche sei Debussy gewesen, extrem kompliziert und verletzbar, ein hoch gebildeter Mensch, obwohl er als Kind nie eine allgemein bildende Schule besuchte. Als Zehnjähriger wurde er Student am Pariser Conservatoire. Dort galt er bald als „schwer erziehbar“. Sein vierjähriges Stipendium in der Villa Medici Rom brach der Gewinner des Rompreises nach drei Jahren ab, weil er sich dort wie ein Gefangener fühlte. Er hatte ganz eigene Vorstellungen von der Musik („Ich kann die Doktrinäre und ihre Impertinenz auf den Tod nicht ausstehen ...“). Nach anfänglicher Wagner-Verehrung lehnte er später, besonders nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, alles Deutsche ab. Er wollte den Franzosen die französische Musik zurückbringen und suchte dabei nach Einfachheit, Klarheit und Eleganz. Die Natur war seine Lehrmeisterin: „Die Musik ist eine geheimnisvolle Mathematik, deren Elemente am Unendlichen teilhaben. Sie lebt in der Bewegung der Wasser, im Wellenspiel wechselnder Winde; nichts ist musikalischer als ein Sonnenuntergang! Für den, der mit dem Herzen schaut und lauscht, ist das die beste Entwicklungslehre, geschrieben in jenes Buch, das von den Musikern nur wenig gelesen wird: das der Natur ...“
Dass ihm seine Werke allerdings nicht leicht aus der Feder flossen, veranschaulichte Goetzke an der komplizierten mehrjährigen Entstehungsgeschichte der drei Nocturnes für Orchester. Ob seine Musik das, „was die Dummköpfe Impressionismus nennen“ (Debussy-Zitat) sei? Nein – und ja: wenn man die „gefühlsmäßige Übertragung des Unbekannten“, wie Debussy in einem Text zu Beethovens 6. Sinfonie schrieb, als Impressionismus bezeichnen würde, wäre Debussy nach Goetzkes Einschätzung wohl einverstanden.