Das SES, das Saiten-Ensemble Steglitz, ein Zusammenschluss von circa 20 Berliner und Brandenburger Hobbymusikerinnen und Hobbymusikern, hatte die Ehre und das Vergnügen, vor zwei Jahren zu seinem 25. Geburtstag vom Rat des Berliner Stadtbezirkes Steglitz-Zehlendorf auf eine Konzertreise nach Wien geschickt zu werden.
Nun stand der Gegenbesuch des damals gastgebenden, 1972 gegründeten „neuen wiener mandolinen- und gitarrenensembles“ an, und beide Orchester waren zu Gast bei den 15. Havelländischen Musikfestspielen, die seit etlichen Jahren von den Landkreisen Havelland und Potsdam-Mittelmark gefördert werden.
In der gegenwärtigen Zeit wird jedes Konzertereignis, jedes kleine und große Festival nicht mehr von Künstlern und deren Ideen geprägt, sondern von Kulturmanagern aller Art hin und her verwaltet und im Hintergrund des Business von Agenturen und deren Besetzungskatalogen geprägt. So wird es seit einigen Jahren für hochkarätige Liebhaberensembles zunehmend schwieriger, an attraktive Spielstätten und damit an Publikum heranzukommen. Dabei ist diese Ebene der Kulturarbeit in ihrer Bedeutung kaum zu unterschätzen. Denn sie wirkt in die Breite und erschließt Publikumsschichten abseits der hochsubventionierten Kultur-Leuchttürme; sie eignet sich als Sprungbrett für junge Künstler am Beginn ihrer Karriere; sie bietet Dirigenten, Komponisten und Bearbeitern eine Plattform zum Ausprobieren von allerlei Ideen an. Und alle diese Orchester und Chöre kurbeln auch die Musikindustrie an, denn sie gehen in Konzerte, kaufen CDs, Instrumente und so weiter. Eigentlich müssten die Damen und Herren Politiker Schlange stehen. Das tun sie aber nicht.
Es war deshalb ein ausgesprochener Glücksfall für beide Orchester, dass der Gründer der „Havelländischen Musikfestspiele“, der Pianist Frank Wasser, ein Ohr für die originelle Besetzung und Mut zum Risiko hatte. Das Konzert „Von Wien nach Berlin“ fand im ausverkauften historischen Industriemuseum des Funkamtes Nauen statt. Das Wiener Orchester bot ein rein österreichisches Programm mit Werken von Hellmesberger, Fellner, Mozart, Schubert und Johann und Eduard Strauss. Das Berliner SES revanchierte sich mit der Uraufführung der „Berliner Musike (V)“ aus der Feder von Thomas Heyn und dem Solisten René Schulze an der Klarinette, sowie mit Werken von Weber, Lincke, Holländer und anderen, gesungen von der Sopranistin Anna Pehrs.
Thomas Heyn sieht für sein Orchester noch ganz andere Entwicklungsmöglichkeiten. Der in Görlitz geborene Komponist und Gitarrist übernahm mit dem SES nach zahlreichen Stationen als Kapellmeister des Leipziger Kammermusiktheaters und des Offenbach-Theaters Berlin, als Studiodirigent für Filme und Hörspiele sowie Gründer und Leiter des Kammerorchesters OPUS sein erstes Zupforchester. Heyn erkannte schnell die Möglichkeit, mit dem leistungsfähigen SES aus dem üblichen Laienorchesterbetrieb, bestehend aus Proben - Probenwochenende - Sommerkonzert / Proben - Probenwochenende - Weihnachtskonzert in immer ähnlichen Programmkonstellationen (Barock - Klassik - Moderne der 50er bis 70er-Jahre - Popmusik) ausbrechen zu können und das Orchester in seine Theater- und Studioproduktionen einzubeziehen. Nach zwei Operninszenierungen für das Schloss Britz und den Bürgersaal Zehlendorf, nach drei CD-Produktionen und den jährlich wiederkehrenden Aufführungen des Stabat Mater von Pergolesi am Karfreitag war das gemeinsame Konzert mit dem Wiener Orchester der bisherige Höhepunkt in der Orchestergeschichte. Nun wird ein Partnerorchester in Prag gesucht. Wien-Prag-Berlin, eine Orchesterreise auf Mozarts Spuren. Hat jemand einen Kontakt?