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BBO & BOB: zwei Berliner Blockflötenorchester feiern

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Deutschland war Vorreiter – 70 Jahre Tradition des Musizierens
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Das Berliner Blockflötenorchester (BBO) als Oberstufenspielkreis der Musikschule Paul Hindemith in Berlin-Neukölln spielt seit Januar 2012, also nunmehr sechs Jahre, unter seinem dritten Dirigenten, dem bekannten Blockflötisten Simon Borutzki. Das Orchester feierte mit einem Konzert in der voll besetzten Wilmersdorfer Auenkirche am 12. November 2017 sein Jubiläum. Das Berliner Blockflötenorchester ist aus dem von Rudolf Barthel im Jahre 1947 gegründeten Blockflötenchor Neukölln, später bundesweit bekannt als „Blockflötenorchester Neukölln“, hervorgegangen, erlebte mit Barthel 31 Jahre und mit Michael Kubik 34 Jahre. Das BBO besteht somit 70 Jahre, es ist nach Quellenlage das älteste Blockflötenorchester der Welt, es ist noch sehr lebendig, es war zumindest in seinen ersten zweieinhalb Jahrzehnten bahnbrechend, und es musizieren in der heutigen Besetzung, wie man erfährt, neben vielen neuen Spielern zu etwa einem Drittel noch Spieler aus den früheren Jahren.

Als Gast geladen war das Blockflötenorchester Berlin (BOB), das seit 2011 unter gemeinsamer Leitung der sympathischen Dozentinnen Sylvia Corinna Rosin und Irmhild Beutler steht und seit Anfang 2012 jährlich projektförmig mit neun Ganztagsproben Konzerte erarbeitet. Das BBO mit 35 Spielern und das BOB mit eigentlich 60 Spielern waren für dieses Konzert zur Hälfte erschienen – in den drei gemeinsam gespielten Werken am Ende des Konzertes musizierten so annähernd 70 Blockflötist/-innen und zusammen, ein Superlativ.

Ein gutes Eröffnungsstück war Händels „Ankunft der Königin von Saba“ aus dem Oratorium „Solomon“, am 17. März 1749 uraufgeführt. Das Stück wirkte weniger feierlich als in der Originalbesetzung, es wird oft auch von Organisten gespielt, mit oder ohne Blechbläser. Wie die meisten Stücke des Abends ist es eine Bearbeitung von S. Borutzki. Für Orgel geschrieben ist auch Bachs Concerto a-Moll nach Vivaldi BWV 593, woraus der dritte Satz erklang. Auch Bachs Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ BWV 645 ist ein Orgelstück. Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ (RV 297) waren vertreten durch den „Winter“, mit einem routinierten Simon Borutzki an der Soloflöte.

Aus dem orientalischen Programm folgte die „Mitternächtlichen Wachparade“ des bis 1887 als Solofagottist am Leipziger Gewandhausorchester tätigen Julius Weissenborn, im Original für drei Fagotte. Das Stück erhielt mit Blockflöten einen anderen Charakter, wirkte aber fast noch witziger als im Original, eine echte Ausgrabung. Beethovens Festspielmusik „Die Ruinen von Athen“ op. 113 hat nur noch in einzelnen Musiknummern überlebt, deren bekannteste der „Türkische Marsch“ ist, und Mozarts „Rondo alla Turca“ KV 331 aus der Klaviersonate Nr. 11 kennt wohl jeder. Davon setzte sich stark ab das Stück „Orient“ aus dem „Album d’un Voyageur“ von Reynaldo Hahn, einem hier recht unbekannten französischen Komponisten, der schon als elfähriger Schüler am Pariser Conservatoire aufgenommen wurde und dort, so jung wie er war, gleichzeitig mit Maurice Ravel Kompositionsschüler bei Jules Massenet war. Schön die Wirkung der tiefen Akkorde aus der Bassgruppe, mit einem entfernten Alt-Solo kontrastiert.

Dann wieder ein nahezu unbekannter Komponist: Ernest Richard Kroeger, der in den USA zuerst in St. Louis, später in Washington unter anderem als Organist arbeitete, steuerte eine „Scene Orientale“ aus Op. 37 bei, in der nochmals Borutzki als Solist mit Verzierungen glänzen konnte. Eine andere Kategorie ist Emmerich Kálmán, hier mit einem virtuos gespielten Tanz aus der Operette „Die Bajadere“ vertreten, gefolgt vom „Arabischen Tanz“ aus der Nussknacker-Suite op. 71a von Tschaikowsky.

Ein Originalwerk: Sören Sieg ist ein mehrfachbegabter norddeutscher Zeitgenosse mit interessanter, vielseitiger Biografie. Er schreibt unter anderem reizvolle Afrikanische Suiten für Blockflötenensembles. Hier aber nun sein Auftragswerk für die NEUKÖLLNER ORIGINALTÖNE, ein regelmäßig Ende April/Anfang Mai durchgeführtes Musikfest der Musikschule Paul Hindemith. Dort wurde Siegs „Jabal Ram“ am 7.5.2017 mit großem Erfolg uraufgeführt. Es ist ein interessant instrumentiertes Stück mit rhythmischen Finessen und ungeraden Taktarten. Als schwungvoller Abschluss des BBO-Programmteiles fungierte Rossinis schmissige Ouvertüre zu „L’Italiana in Algeri“, ein Stück aus dem Wettbewerbsprogramm (siehe letzter Absatz).
 Mit dem Auftritt der gemeinsamen großen Besetzung sprach Irmhild Beutler einige sehr wohlformulierte, zum Denken anregende Grußworte, sowohl zum Publikum als auch zum Jubilar, und überreichte ein mit Bedacht ausgesuchtes Gastgeschenk. Mit etwa 70 Blockflöten nun:

Jean Sibelius’ „Andante festivo“ (arr. Simon Borutzki) entstand im Jahre 1922 für Streichquartett. Sibelius arbeitete es ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg für Streichorchester und Pauken um, es erklang als Live-Sendung des Finnischen RSO am 1. Januar 1939 unter Leitung des Komponisten. Das „nahtlose melodische Fließen“ dieser Komposition ist mit Blockflöten nur „beinahe“ zu erreichen, weil die tiefen Bässe im Gegensatz zu Streichern auch mal atmen müssen… Sibelius benötigte übrigens 6 Minuten und 19 Sekunden für seine Aufführung, hier waren es etwa vier Minuten.

Nun Irmhild Beutler mit Haydns „Divertimento B-Dur“ Hob. II,46, daraus der „Chorale St. Antoni“. Das ist genau das herrliche Thema, das Brahms für seine ‚Variationen über ein Thema von Haydn‘ verwendete. Beutler dirigierte es sehr einfühlsam, das Orchester klang gelöster.

Silvia Corinna Rosin dirigierte zum Abschluss ihr Stück „Bärenherz“ – es stellte sich heraus als eine indianische Weise, die sie für großes Blockflötenorchester und zwei riesige Handtrommeln eingerichtet hat. Die Kraft dieser ursprünglichen Melodie gepaart mit der Kraft der beiden Trommeln, von beiden Leiterinnen geschlagen, entfaltete eine geradezu magische Wirkung in dieser Kirchenakustik und entfachte einen tosenden Schlussbeifall.

Aus Platzgründen ist hier eine ausführlichere Würdigung nicht möglich, nur so viel: Verglichen mit dem Kodex von Orchesterjubiläen verblüfft hier die totale Vermeidung von Werken der vorangegangenen 65 Jahre, was für wenig Traditionsbewusstsein spricht. Verglichen mit der Orchestervergangenheit sind Borutzkis Instrumentierungen, so gut sie auch sind, mit dem Adjektiv „horizontal“ recht gut beschrieben. Die vertikale Klangschichtung seiner beiden Vorgänger hat er für sich noch nicht entdeckt – oder verworfen. Borutzkis Verdienst ist bisher, seine Spieler sehr zu fordern, neues Repertoire zu finden, durchaus geschickt zu bearbeiten und dem Orchester gut besuchte Konzertsäle zu verschaffen, indem er teils sehr bekannte Stücke (wie den Tschaikowsky) ins Programm nimmt, von denen man neugierig ist, wie sie auf Blockflöten klingen werden. Ein großer Erfolg ist, dass sich das Berliner Blockflötenorchester vor zwei Wochen bei den Open Recorder Days in Amsterdam einen 2. Preis in der Kategorie Ensemble erspielt hat (u.a. mit dem Rossini). Der 1. Preis wurde nicht vergeben, das macht diesen 2. Preis fast schon zum ersten. Wir gratulieren an dieser Stelle herzlich!

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