„Ich dachte immer, dass Komponisten schon tot sind!“ – das ist wohl die bemerkenswerteste Erkenntnis, die eine 7-jährige Schülerin aus ihrer Begegnung mit der Komponistin Dorothea Hofmann gezogen hat, dass Menschen, die Musik komponieren, durchaus noch leben können ... Das persönliche Gespräch und der gegenseitige Austausch über zeitgenössische Musik mit dem Komponisten selbst kann ein Einstieg in weitere Begegnungen mit Gegenwartsmusik sein.
Diesen Hintergrund hatte ein Projekt des Tonkünstlerverbandes Schweinfurt/Main-Rhön, das sich über neun Monate hinzog und verschiedene Teilprojekte beinhaltete. Kinder und Jugendliche sollten die Möglichkeit haben, auf ganz unterschiedliche Weise mit zeitgenössischer Musik in Berührung zu kommen.
Im Vordergrund stand dabei nie das lediglich passive Konsumieren von Musik, sondern immer die aktive Beschäftigung mit ihr. Eine weitere Besonderheit zeichnete das Projekt dadurch aus, dass eine Komponistin über den Zeitraum verteilt zu bestimmten Arbeitsphasen vor Ort war und mit den Kindern und Jugendlichen arbeitete. Schließlich komponierte sie eigens für verschiedene Ensembles einige Stücke, die bei der Abschlussveranstaltung uraufgeführt wurden.
Ganz unterschiedliche Einzelprojekte, die sich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene richteten, verbanden sich zu einem großen Ganzen. Die Wahl fiel auch deshalb auf Dorothea Hofmann, weil sie – so Elke Tober-Vogt, die Vorsitzende des örtlichen Tonkünstlerverbandes und mit ihrem Mann Gerhard Vogt Initiatorin des Projektes – „durch ihre offene Art die Fähigkeit besitzt, auf junge Menschen zuzugehen und sie zu begeistern für Musik unserer Zeit“.
Mit roten Backen lauschen die Kinder der ersten Grundschulklasse fasziniert den Klängen des Hackbretts und entdecken die Bestandteile dieses seltenen Instruments: aus einem Brett, Nägeln und ein paar Drähten bauen sie es zusammen. Mit bunten Tüchern bewegen sie sich dann zu den Klängen durch den Raum. Sie lauschen, werfen die Tücher in die Luft und beobachten, wie diese langsam wieder zu Boden schweben. Um „Traumgeschichten“ der Münchner Komponistin Dorothea Hofmann geht es dabei, um Schmetterlinge und Libellen, die durch die Luft gaukeln und um Mehlwürmer, die wohlig satt in den Schlaf sinken ...
Angesichts leerer Stuhlreihen in Konzerten, die Werke zeitgenössischer Musik beinhalten wird darüber nachgedacht, wie Neugier auf ungehörte und unerhörte Musik geweckt werden kann. Im kommerziellen Konzertbetrieb werden Werke jüngeren Entstehungsdatums oft nur zwischen das gängige Konzertrepertoire geschoben, wenn sie dort überhaupt aufgeführt werden. Doch wie soll dieser Zustand verändert werden, wenn beim potentiellen Publikum eine Reserviertheit gegenüber dem Neuen besteht? Berührungsängste abbauen, das Neue auf sich zukommen lassen und annehmen – das ist ein Ziel, das das Musikprojekt „Composer in Residence“ verfolgt.
Für eine Bläserklasse der 6. Jahrgangsstufe und Kammermusikensembles der örtlichen Musikschule komponiert Dorothea Hofmann eigens auf den Leib zugeschnittene kurze Stücke. Für die Bläserklasse stellt dies eine besondere Herausforderung dar, spielen die Mädchen ihr Instrument doch erst im zweiten Jahr. Am Ende der bisweilen mühsamen Probeneinheiten strahlen die Kinder über das ganze Gesicht und haben einen Satz aus dem „Schloss auf den Felsen“ zu ihrem Lieblingsstück erkoren, wollen ihn zum Abschluss jeder Musikstunde spielen. Auch für Dorothea Hofmann stellt eine Komposition, die sich an Anfänger richtet eine Herausforderung dar. Sie schreibt ihre Stücke so, dass „sie jemand alleine zu einer Version bringen kann, die ihm gefällt. Musik ist so, dass es offene Stellen gibt. Diese Leerstellen geben dem Spieler wie dem Hörer die Möglichkeit, sie zu füllen. Sie gehören zur Kunst dazu.“
Eine Schülerin des Kompositionsworkshops beschreibt ihren Gewinn, den sie persönlich aus der Teilnahme gezogen hatte: „Auf jeden Fall konnte ich viele neue Erfahrungen machen, durch die ich nun fremde Kompositionen intensiver lese und mehr Respekt vor der Arbeit des Komponierens habe.“ In einer einführenden Einheit stellt die Komponistin, die auch als Dozentin am Richard-Strauss-Konservatorium in München lehrt, exemplarische und inspirierende Werke des 20. Jahrhunderts vor und arbeitet dann in mehreren Einheiten mit den Schülern. Zu dem gestellten Thema „Wasser“ machen diese sich Gedanken und schreiben sie auf. Die daraus entstandenen „Wasserskizzen“ – Kammermusik für 1–3 Instrumente – werden durch sie und ihre Mitschüler aufgeführt und in einem Band veröffentlicht. Sie haben eigene Musik erfunden und dabei auch die Schwierigkeiten der Notation erkannt und gemeistert.
Am Ende sind alle Beteiligten darüber einig, dass „Composer in Residence“ eine „tolle Sache“ war und im nächsten Jahr unbedingt wieder durchgeführt werden soll.