Psalmen können auch etwas ganz anderes sein als das, was wir aus der liturgischen Praxis kennen. Dies zeigt das Ensemble Cosmedin, das die ursprüngliche hebräische Bedeutung von „Psalm“ als Sprechgesang mit Saitenbegleitung ernst nimmt.
Wir hören auf seiner CD also nicht A-cappella-Musik, sondern ein Duo aus der Sängerin Stephanie Haas und dem Schlagzeuger und Multiinstrumentalisten Christoph Haas. Doch auch wenn die beiden Musiker ganz weit in der Musikgeschichte zurückgehen, sie versuchen nicht mittels historischer Aufführungs-praxis diese frühe Form des Psalmgesangs zu rekonstruieren. Vielmehr sehen sie in der Beschäftigung mit einer so alten, nur in Neumen notierten Musik die Möglichkeit, Neues zu schaffen: Christoph Haas „instrumentiert“ die alten Psalmgesänge als moderner, in Weltmusik erfahrener Percussionist, der durch Afrika, Südamerika und Indien gereist ist.
In der CD werden einzelne Psalmen auf Hebräisch, Lateinisch und Deutsch gesprochen. Hier kann der eindringliche Klang der Sprache erlebt werden. Gesungen werden vor allem Psalmmelodien der frühen Mailänder Liturgie. Stephanie Haas zeigt ihre virtuose Stimmbeherrschung, wenn sie die ornamental überbordenden Melismen in ihrer großen Schönheit und ornamental filigranen Vielfalt zum Schweben bringt. Christoph Haas kombiniert diese Melodien sensibel mit Instrumenten wie Glocken, Tenorfidel oder Muschelhorn. Zwischen dem gesprochenen und vokalen Psalmvortrag erklingen rein instrumentale Stücke, in denen Christoph Haas den Klangfarbenreichtum etwa des an heutige Elektronik erinnernden Streichpsalters eindrucksvoll zu Gehör bringt.
Die CD entführt aus unserem an Schall(müll) überreichen Alltag in eine Welt der Transzendenz und Meditation. Sie ist eine Brücke zu einer größtenteils verlorenen, nur noch außerhalb der westlichen Zivilisation anzutreffenden Kultur – eine Brücke, die uns Hörer bereichert und fasziniert.
eos audio 2016 978-3-8306-7768-0: Psalm – Tehilim. Mittelalterliche Psalmvertonungen