Das Casals Forum der Kronberg Academy, der erste klimaneutrale Konzertsaal der Welt, wurde vom 24. September bis 3. Oktober 2022 mit einem kleinen Festival feierlich eröffnet. Mit dabei: das Bridges-Kammerorchester des FTKB-Mitglieds Johanna-Leonore Dahlhoff als Orchestra in Residence.
Eine Sensation in diesen Zeiten ist es, dass ein Konzertsaal speziell ausgerichtet für Kammermusik neu gebaut und dann auch noch fristgerecht fertig wird. Der 60 Millionen teure Bau weist einige Besonderheiten auf: So wurden rund 25 Millionen der Kosten durch Spenden aufgebracht. Der Saal sei architektonisch eine „Kunst der Fuge“ – wie es der am Bau maßgeblich beteiligte Akustiker Martijn Vercammen augenzwinkernd formulierte – denn Faltungen, Verzahnungen und Vorhänge sollen zur Verschmelzung von Akustik und Architektur und zu einem perfekten Klangergebnis beitragen. Der Bau wird durch einen Eisspeicher klimatisiert und kann somit klimaneutral betrieben werden.
Am 29. September 2022 fand dann das Eröffnungskonzert des neuen Orchestra in Residence, dem interkulturellen und inzwischen vielfach preisgekrönten Bridges Kammerorchester mit einer Uraufführung statt. Zu hören gab es Kompositionen von Komponist*innen aus Ägypten, Aserbaidschan, Deutschland, Iran, Italien, Kolumbien und der Mongolei. Bis auf das von Johanna-Leonore Dahlhoff speziell für das Bridges Kammerorchester arrangierte „La Follia“ von Antonio Vivaldi warteten für das Klassik-gewöhnte Publikum viele neue Klangerlebnisse. Aber auch „La Follia“ klang durchaus ungewohnt, denn die vielen traditionellen Instrumente aus den Heimatländern der Musiker*innen bekamen hier in den verschiedenen Variationen eine tragende Rolle. Bei Bridges gibt es nämlich nicht nur Streicher oder Holzbläser zu hören, sondern auch unter anderem Oud, Kanun, Tar, Setar und Ytga. So entstand auch für dieses vertraute Stück ein packendes und ungewöhnliches Klangerlebnis.
Die Komponist*innen, deren Werke bei diesem bezeichnenderweise als „Weltreise“ titulierten Konzertprogramm zu hören waren, hatten eines gemeinsam: Sie machen in ihren Werken nicht nur die traditionelle Musik ihres Landes hörbar, sondern verarbeiten auch Elemente der klassischen europäischen Musik. Sie sind also im wahrsten Sinne des Wortes „Bridges“ – Brücken zwischen den Kulturen. Für das Publikum wurde dieses Konzert zu einer bereichernden und faszinierenden Klangreise. Denn das Orchester musizierte unter der Leitung der Dirigentin Bar Avni derart mitreißend, dass der ganze Saal mitschwang. Vor allem in den beiden zuletzt gespielten Werken von Mohamed Abdel Wahab und des kolumbianischen Bridges-Mitglieds Andrés Rosales mit ihren Tanzelementen elektrisierte die Musik derart, dass es einem kaum auf dem Sitz hielt. Da hatte es Bar Avni leichter: Sie durfte ungeniert vorne tanzen! Die wirklich außergewöhnliche Akustik des neuen Saales beflügelte natürlich dieses Klangerlebnis.
Ein Höhepunkt des Konzertes war die Uraufführung des „Konzertsatz für Violoncello Solo und Bridges-Kammerorchester“ des Frankfurter Komponisten Peter Klohmann, der selbst im Orchester Saxophon und Flöte spielt. Klohmann kommt musikalisch aus dem Jazz – und das war nicht zu überhören. Der virtuose Cellopart, meisterhaft von László Fenyö interpretiert, ist nicht nur solistisch zu hören, sondern auch im Orchester eingebettet. Fetzige Rhythmen und die originelle Instrumentierung taten das ihre, um dieses packende und begeisternde Stück erlebbar zu machen. Eine Kritik soll ja eigentlich Kritik üben. Nur: Es gab eigentlich nichts zu kritisieren. Dass der Solist vor Majid Derakhshanis „Khoroush“ erst einmal kurz hinter der Bühne gesucht werden musste, sorgte für ein wenig Slapstick und Auflockerung an diesem sonst absolut perfekten Abend. Nun ja, das kann in einem neuen Gebäude auch mal vorkommen…
Es war ein denkwürdiger Abend: Das Publikum war aus dem Häuschen. Es gab minutenlang Standing Ovation und wenn das Orchester nicht nach den beiden Zugaben „Tico Tico no fubá“ und „Melody“ des ukrainischen Komponisten Myroslav Skoryk von der Bühne gegangen wäre, hätten die Zuschauer bestimmt noch weiter geklatscht.