Die Corona-Pandemie ist für uns alle eine nie dagewesene Zäsur und stellt so manche Gewohnheiten in Frage. Ich war bis dahin über 20 Jahre leidenschaftlich als selbständiger Kulturmanager aktiv. Die meiste Zeit zu 100 Prozent.
Anfang Januar 2022 habe ich dann die Geschäftsführung des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg übernommen, in Teilzeit, um weiterhin für die Konzerthaus-Initiative Stuttgart und selbständige Projekte tätig sein zu können. Corona und die unsicheren Zeiten für Freischaffende machten diesen Wandel möglich, wobei der stetige Wandel schon immer da war, früher dachten wir nur, wir hätten alles „im Griff“.
Beim Tonkünstlerverband hat mir mein Vorgänger Eckhart Fischer ein bestens bestelltes Haus hinterlassen und im Frühjahr sagte er: „Schreib doch mal einen Mutmacher-Artikel in der nmz“. Gute Idee, aber in diesen Krisenzeiten wie umsetzen? Nun bin ich beim Schreiben dieser Zeilen gerade im Sommerurlaub, denke nach, was in den letzten Monaten geschehen ist und was daraus Mut-machend folgen könnte. Schnell klar geworden ist mir meine Kernaufgabe: sich einzusetzen für die Interessen unserer rund 2.300 Mitglieder. Das lohnt sich tagtäglich, denn wir leisten mit unserer Arbeit einen Beitrag für die Musik, für Bildung, für das Gemeinwohl und eine sinnerfüllte Gesellschaft. Gleiches gilt für den Dachverband, für den ich mich gerne in der Strukturkommission, in der Verbandsentwicklung oder im bundesweiten Kuratorium Musikfonds einbringe. Gemeinsam mit unserem engagierten Vorstandsteam, zudem Eckhart Fischer als Berater und unserer zuverlässigen Monika Kübler in der Geschäftsstelle lässt sich dabei stetig viel Positives bewegen.
Beim Gedanken an die Coronahilfen bin ich einerseits sehr dankbar, dass es sie gegeben hat und immer noch gibt. Aber hätte man das nicht etwas einfacher gestalten können? Und mehr an der Lebenswirklichkeit freischaffender Künstler? Denn viele mussten fast alles wieder zurückzahlen, weil sie in den Bezugsmonaten noch ganz gut verdient haben. Ein echtes Dilemma, denn in den nachfolgenden schlecht bezahlten Monaten wurden diese Soforthilfen dann eigentlich ausgleichend aufgebraucht. Eine vorläufige Liquiditätszahlung basierend auf dem Einkommensniveau der Vorjahre mit anschließender Jahresbetrachtung einer möglichen Überkompensation im Rahmen der Einkommenssteuererklärung im Folgejahr wäre für alle einfacher gewesen: die Künstler, die Steuerberater und den Staat. Auch das komplizierte Antragswesen und Abrechnungsverfahren sollte man zukünftig erleichtern.
Was uns dadurch aber allen wie im Brennglas bewusst wurde ist die teilweise prekäre Einkommenssituation in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat das erkannt und setzt sich ein für die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage im Kulturbereich. Wir als Tonkünstlerverband unterstützen dieses Anliegen für mehr soziale Gerechtigkeit, nicht zuletzt durch die seit 2017 erarbeiteten Honorar-Standards. Weitere Zukunftsthemen wie der Klimawandel, Green Culture, Digitalisierung, Teilhabe und Gesundheit betreffen uns Kulturschaffende ebenso, die gilt es weiter proaktiv und engagiert anzugehen. Denn auch die aktuelle Energiekrise bietet die Chance sich zu hinterfragen, welchen Beitrag jeder von uns leisten kann. Dabei hilft vielleicht ganz konkret zunächst das Motto „20 Prozent weniger ist mehr!“. Ergänzend hilft die Bundesregierung und plant die Folgen der Energiekrise mit einer Milliarde für den Kulturbereich durch die Restmittel aus dem Sonderfond des Bundes für Kulturveranstaltungen abzufedern. Eine sehr gute Nachricht für alle Kulturschaffenden! Helfen können zudem stetige Appelle an unser Publikum auch Indoor wieder zahlreich Kulturveranstaltungen zu besuchen. Und die Ermunterung an alle Menschen, ob jung oder alt, selber ein Instrument zu lernen, zu singen und Musik zu machen. Denn was wäre unser Leben ohne Kultur, ohne Musik?
Ein letzter Gedanke treibt mich um, und ich habe lange überlegt, ob ich das schreiben darf. Mal angenommen, wir würden Kultur und Bildung als „schärfste Waffe“ für ein friedliches Miteinander einstufen, könnten wir Kulturschaffende dann von den geplanten 100 Milliarden Euro Rüstungsausgaben etwas abbekommen? Ein paar Prozent würden uns schon reichen. Ein zu naiver Gedanke?