Braunschweig. Die Coronakrise hat uns alle kalt erwischt. Ein musikalischer Ausnahmezustand für alle, die Musik lernen oder lehren. Der Instrumentalunterricht im Onlinemodus gehört in China schon seit mehr als 15 Jahren zum Praxisalltag. Nicht bei uns. Ein Handy oder ein Laptop mit einem stets griffbereiten Ladekabel, ein Notenständer zur Fixierung des Geräts, eine funktionierende Verbindungsmöglichkeit per Skype, Whatsapp, Jitsi oder Facetime stellten die Grundlagen der neuen Form des Instrumentalunterrichts.
Die Anfänge waren mühsam. Die schlechte Verbindung, die oft zusammenbrach, lieferte oft miserable Bild- und Tonqualität. Mancher Lehrer oder Schüler hat entnervt digital nachrüsten müssen: „Man sieht doch gar nichts auf diesem kleinen Handybildschirm“, sagte eine Mutter. Mikros, JBL-Rollen als Soundverstärker wurden angeschlossen oder sogar Tablets gekauft. Was für Kosten! Die Schüler nahmen alles dankbar an. Keine Stunde wurde versäumt, keine ist ausgefallen, plötzlich fühlte sich alles an wie eine Art kreative Lösung für eine ausweglose Lernsituation.
Zuerst mussten viele neue Strategien für diese ungewohnte Unterrichtsform entwickelt werden. Eine anfängliche Ratlosigkeit musste durch pragmatische Lösungen ersetzt werden (zum Beispiel Zweitexemplare von Notenheften, um genaue Anweisungen geben zu können).
Viele Texte mit Regeln und Vorschlägen zu Corona-Bestimmungen wurden vom Landesverband Niedersachsen den Mitgliedern zugeschickt (die Mails waren oft über 30 Seiten lang). Der Shutdown und die vielen Gefahren der Ansteckung machten allen Menschen Angst und besonders den Kindern. Musik zu machen war daher eine perfekte Ablenkung. Manche Schüler übten mehr als sonst, den Kleinen fehlte jedoch der direkte Kontakt zur LehrerIn, denn sie konnten nicht wie die Großen auf die etablierte Routine im Unterrichtsablauf und auf Vorkenntnisse zurückgreifen. Die Klavierschulen lieferten mit jeder Seite Neues, was nicht nur verbal erklärt werden muss, sondern aktiv demonstriert und kontrolliert werden sollte. Die Konzentration während der Online-Stunde aufrecht zu halten, war besonders schwierig. Spielen und gleichzeitig zu sprechen bzw. zu singen ist rein technisch unmöglich. Ebenso gab es kein gemeinsames Musizieren mehr. Konsequente Disziplin ist in der virtuellen Kommunikation gefragt.
Kurz vor den Sommerferien fragte ich die Schüler nach den Vor- und Nachteilen des Onlineunterrichts. Hier ein paar Beispiele: „Der Weg zum Unterricht fehlt, also man gewinnt an Zeit. Man ist ausgeruhter in der Stunde, als wenn man direkt nach sechs oder sogar acht Stunden Schule direkt zum Klavier geht. Die Unterrichtszeiten sind flexibler, man kann leichter tauschen, weil alle zu Hause sind. Man kann Verspieler auf die schlechte Verbindung schieben. Man kann mit dem perfekt aufgeräumten Zimmer angeben, indem man einfach alles Unordentliche entfernt, was von der Kamera erfasst wird. Es besteht keine Chance, Noten zu vergessen. Man kann sich und niemanden sonst mit dem Virus anstecken. Es fehlt aber die menschliche Nähe, jemand zum Notenblättern ebenso. Manches ist anstrengender in der Umsetzung als im Präsenzunterricht: zum Beispiel die Suche nach den richtigen Fingersatzlösungen ist einfacher, wenn die Lehrerin daneben sitzt und kontrolliert. Leider konnte oft die ganze sich im Homeoffice befindende Familie dem Unterricht lauschen, man fühlte sich daher permanent beobachtet“.
Trotz allem war der Online-Unterricht eine perfekte Alternative in besonderen Zeiten und eine ganz neue Erfahrung für uns alle! Quo vadis, Corona? Mit oder ohne Maske musizieren wir weiter, bis die Normalität wieder einkehrt.