Wie viel soziales Engagement verträgt die freie Wirtschaft? Werden Musikschulen und Privatlehrer durch diese Angebote geschädigt? Soll in Schulen alles möglich sein oder soll der Instrumentalunterricht auf bestimmte Instrumente oder bestimmte Unterrichtsformen beschränkt werden?
Liebe DTKV-Mitglieder, mir bereitet ein Problem Bauchschmerzen, das vielleicht auch etlichen anderen DTKV-Mitgliedern ebenfalls Bauchschmerzen bereitet.
Durch die Entwicklung der Grund- und Mittelstufen-Schulen hin zur Ganztagsschule beziehungsweise Schule mit Nachmittagsbetreuung wird vermehrt in den Schulen Instrumentalunterricht angeboten, der in vielen Fällen von Schulfördervereinen bezahlt wird und somit für die Schüler kostenlos ist. Als sozial engagierter Mensch stehe ich dem aufgeschlossen gegenüber; als Instrumentalpädagogin, die eine Mini-Musikschule betreibt, schrillen bei mir jedoch die Alarmglocken. Wenn staatlich geförderte Projekte und freie Marktwirtschaft sich überschneiden, sind Konflikte vorprogrammiert. In einer Grundschule in meiner Nähe wird beispielsweise durch einen Rentner – ein musikalischer Laie – Gitarrenunterricht und Keyboardunterricht angeboten. Dieser Rentner wird vom Schulförderverein für seine Unterrichtstätigkeit bezahlt, der Unterricht ist für die Kinder kostenlos. Da ich mit einem Blockflötenkurs, der bezahlt werden müsste, daneben keine Chance sehe, biete ich meinen Blockflötenkurs nun ebenfalls über den Schulförderverein an. Ein gutes Gefühl habe ich nicht dabei.
Zwar finde ich es begrüßenswert, dass sich alle meinen Unterricht leisten können, da er nichts kostet. Jedoch ist mir bewusst, dass diese Kos-
tenfreiheit ein unfairer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, nicht kostenlosen Angeboten ist. Wie kann ich trotz der schulischen Gratis-Angebote vermitteln, dass guter Unterricht auch eine gute Bezahlung wert ist? Wenn man als professioneller Instrumentalpädagoge in Schulen Instrumentalunterricht gibt, der für die Schüler kostenfrei ist, sägt man dann nicht den Ast ab, auf dem man sitzt?
In einer Gesamtschule in meiner Nähe werden als Nachmittags-Arbeitsgemeinschaften gratis angeboten: diverse Blechblasinstrumente, Gitarrengruppenunterricht, Schlagzeug und Klavier.
Mich würde sehr interessieren, was andere DTKV-Mitglieder für Erfahrungen mit kostenlosem Instrumentalunterricht in Schulen gemacht haben und wie ihre Meinungen dazu sind. Für mich werfen sich hier viele Fragen auf: Wie viel soziales Engagement verträgt die freie Wirtschaft? Werden Musikschulen und Privatlehrer durch diese Angebote geschädigt? Soll in Schulen alles möglich sein oder soll der Instrumentalunterricht auf bestimmte Instrumente oder bestimmte Unterrichtsformen (z.B. nur Gruppenunterricht) beschränkt werden? Darf dieser kostenfreie Unterricht nur während der regulären Unterrichtszeit oder auch nach der letzten Schulstunde bis in die frühen Abendstunden hinein in der Schule angeboten werden? Wer darf diesen Unterricht erteilen – Laien, Berufsmusiker, an der Schule angestellte Lehrer? Vielleicht tragen auch andere DTKV-Mitglieder diese und ähnliche Gedanken in ihrem Kopf herum. In dem Fall würde es mich freuen, wenn ich mit meinen Fragen eine Diskussion anregen könnte.
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