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Das Melodram alltäglich und künstlerisch

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Das Duo „pianoworte“ feiert mit Fontane-Texten und viel Musik eine alte Kunstform – Uraufführung von Christoph Keller
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Oldenburg. Wer würde ohne Theodor Fontanes birnensüßes Gedicht vom Herrn Ribbeck auf Ribbeck schon den Ort Ribbeck im Havelland kennen? Laut Umfragen ist es das beliebteste Gedicht der Deutschen und der Birnbaum der bekannteste seiner Sorte.

Gebhard Gemke wird zwar mit seiner melodramatischen Komposition zum kinderfreundlichen Treiben des Gutsherrn nie die Bekanntheit des Dichterwerkes erreichen. Aber der Hannoveraner findet mit seiner humorigen, pfiffigen und animierenden musikalischen Kommentierung garantiert gut gelaunte und nachdenkliche Hörer.

Bernd-Christian Schulze (Klavier) und Helmut Thiele (Rezitation) sind in der Oldenburger Exerzierhalle, einer Spielstätte des Staatstheaters, nicht nur auf Havelland-Tour. Dieses Duo „pianoworte“ bildet die klassische Besetzung für die Kunstform Melodram. Schulze/Thiele sind wohl deren vornehmsten Vertreter.

Von einer überkommenen Gattung kann nicht die Rede sein. „Melodramen erleben wir täglich“, sagt Thiele lächelnd, und verweist, ehe die Hörer andere Zusammenhänge bilden können, fix auf die Fernseh-Soap, den Seelen-Film und überhaupt auf die Gefühlsmusiken, „hochgekocht ebenso in Babelsberg wie in Hollywood.“
Vier Oldenburger Komponisten neben Gemke haben Heimspiel: Thomas Schmidt-Kowalski, Christoph Keller, Ronald Poelman und Violeta Dinescu. „Selbst in Wien haben wir nur drei Hauskomponisten“, streut Thiele ein. Schmidt-Kowalski ist inzwischen verstorben. Er hatte unbeirrt stets in Sachen Brahms komponiert. Seine „Schillernden Rätsel“ zeigen ihn, wie man ihn kannte.

„Lebensbilder“ nennt Christoph Keller seine intensive Auseinandersetzung mit dem 200-jährigen Fontane. In dieser Uraufführung lässt er den Dichter dessen Leben augenzwinkernd in Gedichten begutachten. Die Musik eilt mal den Gedanken voraus, mal kommentiert sie, mal hängt sie ihnen nach. Fragt der Komponist nach dem Warum mancher Dichter-Gedanken, dann blitzt Wagners „Tristan“-Akkord auf, immer wieder fantasievoll variiert. Zieht der Dichter das Fazit: „Summa summarum, es dreht sich doch alles um lirum larum“, dann dreht auch die Musik leichtfüßig ab. Ronald Poelman und Violeta Dinescu komprimieren das Melodram. Zu den verqueren Weisheiten von „Zen-Geschichten“ hat Poelman 2007 eine gescheit feine und farbenreiche Musik mit frappierenden Wendungen entworfen. Dinescu erzählt wort- und musikgewandt „Tiny Tales“ nach dem SMS-Format von nicht mehr als 140 Zeichen. Die Pointe saust so unvermittelt herein, dass das Lachen etwas Nachspielzeit braucht. Humor im Nachklapp – köstlich.

Fontane hat den Obstbaum nicht nur in jenem Gedicht veredelt. In seiner Novelle „Unterm Birnbaum“ reifen oben die Birnen. Doch unten im Erdreich modert eine Leiche. Ein Verbrechen wartet auf Aufklärung. Also, wenn das kein Stoff für ein Melodram ist! Gemke, Dinescu, Poelman, Keller übernehmen Sie.

 

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